30.12.2015 Drucksache 6/1567Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 19. Januar 2016 Einsätze Thüringer Feuerwehren bei der Zuführung von Straftätern Die Kleine Anfrage 597 vom 16. Oktober 2015 hat folgenden Wortlaut: In den vergangenen Wochen kam es immer wieder dazu, dass die Einsatzkräfte der Feuerwehr Kahla zu Amtshilfeersuchen der Polizei oder Staatsanwaltschaft alarmiert wurden. Dabei bezogen sich die Einsatz maßnahmen auf das Öffnen von Türen bei der Zuführung von Straftätern; so auch am 9. Oktober 2015 um 1.55 Uhr. Dabei rückten die Beamten mit vorgehaltenen Dienstwaffen in die entsprechende Wohnung vor. Ein weiterer Einsatz fand am 12. Oktober 2015 um 22.59 Uhr statt. Hier stand der entsprechende Täter un ter dem Einfluss von Betäubungsmittel. In beiden Fällen bestand erhebliches Gefährdungspotential für die ehrenamtlichen Einsatzkräfte der Feuerwehr Kahla. Es ist nach den mir vorliegenden Informationen eine Häufung derartiger Amtshilfeersuchen durch die Polizei, insbesondere zur Nachtzeit, erkennbar. Dies lässt mich befürchten, dass unsere Feuerwehren eine "kostengünstige" ehrenamtliche Alternative zur Kompen sation fehlender Polizeistrukturen werden könnten, obwohl sie nicht für die Erfüllung derartiger Aufgaben in Landeshoheit zuständig sind. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Kosten fallen im Rahmen dieser Einsatzmaßnahmen für die Stadt Kahla an und werden diese durch Ausgleichszahlungen des Landes gedeckt? 2. Wer haftet bei Personenschäden durch Täterübergriffe bei solchen Einsatzszenarien? Wie beurteilen die Unfallkassen dies nach Kenntnis der Landesregierung? 3. Welchen aktiven und passiven Schutzmaßnahmen unterliegen die Einsatzkräfte in derartigen Situationen? 4. Handelt es sich bei derartigen Einsatzmaßnahmen um Aufgaben der Feuerwehr, die durch ehrenamtliche Kräfte abgedeckt werden und erfüllt werden müssen? 5. Warum werden keine Polizeikräfte in solchen Situationen tätig? 6. Warum werden anstelle von Polizeikräften ehrenamtliche Einsatzkräfte, insbesondere außerhalb üblicher Dienstzeiten, angefordert und einem Gefährdungspotential ausgesetzt, das über das mit der Erfüllung des gesetzlich zugewiesenen Aufgabenspektrums verbundene hinausgeht? 7. Inwieweit ist in solchen Fällen Eile geboten, die den dringlichen Einsatz ehrenamtlicher Feuerwehrkräfte rechtfertigt? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Gentele (fraktionslos) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1567 8. Wie wird die Gefahrenlage für die ehrenamtlichen Einsatzkräfte unserer Feuerwehr in solchen Einsatz situationen beurteilt und kann dieses Gefährdungspotential gerechtfertigt werden? 9. Stellt der Einsatz der kommunalen Feuerwehren in den Fällen, in denen ein Schlüsseldienst zum Einsatz kommen könnte, einen unrechtmäßigen Eingriff in den freien Wettbewerb dar? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 30. Dezember 2015 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Entgegen der Vorbemerkungen der Kleinen Anfrage haben die Polizeibeamten die Schusswaffen nicht in entschlossener Sicherungshaltung geführt. Vor Verständigung der Feuerwehr über die Rettungsleitstelle Jena wurde jeweils versucht, ansässige bzw. nahe gelegene gewerbliche Schlüsseldienste zu verpflichten, was jedoch aufgrund der Einsatzzeiten nicht gelungen ist. Zu 1.: Feuerwehren zählen zu den vorzuhaltenden originären Selbstverwaltungseinrichtungen. Hierfür erhalten die Gemeinden Schlüsselzuweisungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs. Über die bei Gele genheit der beschriebenen Einsatzmaßnahmen der Stadt Kahla entstehenden Kosten liegen der Landes regierung keine Erkenntnisse vor. Zu 2.: Für Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr, die im Rahmen der Amtshilfe für die Polizei tätig werden, be steht Unfallversicherungsschutz. Im Übrigen wird auf die Antwort zur nachfolgenden Frage 3 verwiesen. Zu 3.: Die Einbindung von polizeifremden Personen, also z. B. von Schlüsseldiensten oder Angehörigen von Feu erwehren in Polizeieinsätzen, erfolgt ausschließlich in Situationen, in denen nach Beurteilung der Gefah renlage eine konkrete Gefährdung für die eingesetzten Polizeivollzugsbeamten und hinzugezogenen Per sonen nicht zu erwarten ist und die Erforderlichkeit einer unverzüglichen Türöffnung besteht. Weiteren nicht vorhersehbaren Gefährdungsmomenten wird in der Form entgegengewirkt, dass die Polizei vollzugsbeamten unmittelbar und unverzüglich nach Öffnen der Tür die Wohnung betreten und damit die Abwehr von Angriffen gewährleisten können. Die Öffnenden werden in jedem Fall sofort aus dem poten ziellen Einwirkungsbereich des Bewohners entfernt. Besteht der Verdacht, dass von der Person oder den Personen in der Wohnung Gefahren ausgehen kön nen, kommen Spezialeinheiten der Thüringer Polizei zum Einsatz. Zu 4.: Die öffentlichen Feuerwehren sind rechtlich unselbständige Einrichtungen der Gemeinden (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetz). Behörden, also auch Gemeindebehörden, können nach § 4 und § 5 des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes um Amtshilfe ersucht werden. Grundsätzlich be steht die Pflicht zur Amtshilfe. Die ersuchte Behörde braucht aber die Amtshilfe nicht zu leisten, wenn sie diese Hilfe z. B. nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand leisten könnte (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 Thüringer Ver waltungsverfahrensgesetz). Diese Grundsätze gelten für Feuerwehren mit hauptamtlichen Kräften gleicher maßen, wie für solche mit ehrenamtlichen Kräften. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Zu 5.: Die Art und Weise der Türöffnung im Rahmen polizeilicher Zwangsmaßnahmen hat dem Grundsatz der Ver hältnismäßigkeit zu entsprechen. Danach ist zuerst die Möglichkeit der beschädigungslosen Türöffnung zu prüfen. Diese ist in den unter Antwort zu Frage 3 beschriebenen Fällen gegeben. Eine gewaltsame Türöff nung scheidet unter den genannten Voraussetzungen wegen des Übermaßverbots aus. 3 Drucksache 6/1567Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Im Sinne des allgemeinen Schadensminderungsgrundsatzes der öffentlichen Hand greift die Thüringer Po lizei im konkreten Einzelfall auf Schlüsseldienste oder die Feuerwehr zurück, die über spezialisierte Fähig keiten zu einem möglichst beschädigungslosen Türöffnen verfügen. Zu 6.: Feuerwehreinsatzkräfte der Feuerwehren haben keine regelmäßigen bzw. üblichen Dienstzeiten. Auf Nach frage bei der Stadt Kahla versehen die Feuerwehreinsatzkräfte dort täglich 24 Stunden Bereitschaft, an 365 Tagen im Jahr. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Zu 7.: Feuerwehreinsatzkräfte werden in der Regel zur Abwehr unmittelbarer Gefahren für Leib und Leben von Per sonen angefordert. Die Heranziehung gewerblicher Schlüsseldienste scheidet aufgrund nicht vorhandener Bereitschaftsdienste bei eilbedürftigen Einsätzen in der Regel aus. Zeitkritische Einsatzanlässe sind z. B. • Verdachtslagen, dass sich eine Person in hilfloser Lage in der Wohnung befindet, • Verdunkelungsgefahr bzw. • die Gefährdung des Erfolgs polizeilicher Maßnahmen bei nicht zeitnaher Türöffnung (so u. a. Flucht der Zielperson, Beseitigung von Beweismitteln). Zu 8.: Für die Lagebeurteilung und die sich daran anschließende Entscheidung, ob die Türöffnung durch Polizei kräfte oder gewerbliche Schlüsseldienste bzw. Kameraden der Feuerwehr erfolgt, sind folgende Faktoren maßgeblich: • Art und Schwere der den Einsatz auslösenden Vortat, • aufgewandte kriminelle Energie des Tatverdächtigen bei der Vortat, • polizeiliche Erkenntnisse über den Tatverdächtigen (gewalttätig, Waffenbesitz usw.). Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Zu 9.: Die öffentliche Hand beschafft Leistungen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt und nicht mittels ei gener Ressourcen erledigen kann, grundsätzlich auf dem freien Markt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. Dr. Poppenhäger Minister