12.01.2016 Drucksache 6/1612Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 28. Januar 2016 Bildungs- und Schulqualität in Thüringen: Interne und externe schulische Evaluation in allen Schulen in Thüringen - Teil 1 Die Kleine Anfrage 704 vom 1. Dezember 2015 hat folgenden Wortlaut: Die Bildungsqualität ist das Ergebnis der Arbeitsprozesse an jeder einzelnen Schule in Thüringen, die zwangsläufig unterschiedlich ist und demzufolge auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Nach § 40 b Thüringer Schulgesetz sind die Thüringer Schulen in der Gestaltung des Unterrichts, der Erziehung und des Schullebens im Rahmen der geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eigenverantwortlich. Dieses Konzept folgt den bundes- und europaweiten Erfahrungen, dass Verantwortungsübernahme vor Ort besser als eine ständige operative Interventionskultur "von oben" in der Lage ist, die für die einzelnen Schulen wirksamen und passenden Qualitätskonzepte zu entwickeln und nachhaltig umzusetzen. Schulen sind daher per Schulgesetz zu einer kontinuierlichen Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung verpflichtet . Zur Bewertung der Schul- und Unterrichtsqualität sollen die Schulen regelmäßig interne Evaluationen durchführen und in angemessenen Zeitabständen zudem an Evaluationen durch externe Expertinnen und Experten teilnehmen. Interne und externe Evaluationen machen die Bildungsleistungen jeder einzelnen Schule transparent und fordern Handlungsprozesse in den Schulen und darauf bezogene Steuerungs- und Unterstützungsleistungen anderer Landeseinrichtungen ein. Die so gewonnenen Daten zielen sowohl auf die jeweils unterschiedliche Verantwortung der staatlichen Schulämter als auch auf die des Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien, verbunden an einen schulbezogenen Referenzrahmen , welcher sich an gemeinsamen Qualitätskonzepten orientiert. Die externe Evaluation als Kern der staatlichen Qualitätsvergewisserung ist nach einer Information auf dem Thüringer Schulportal seit dem 1. November 2015 vorläufig ausgesetzt. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie vergewissern sich das für Bildung zuständige Ministerium und die Schulämter in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise, ob und inwieweit jede Schule des Landes für ihre Schülerinnen und Schüler auch die passenden Bildungsprozesse und -ergebnisse gestaltet beziehungsweise erreicht? 2. Welche grundsätzliche Bedeutung hat die externe Schulevaluation im Rahmen der Schulentwicklung der Thüringer Schulen, etwa im Hinblick auf Steuerung und Unterstützungsleistungen sowie auf schulgenaue Fortbildung? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Rothe-Beinlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1612 3. An wie vielen Schulen welcher Schulart wurde in den vergangenen drei Jahren eine externe Schulevaluation durchgeführt (bitte gegliedert nach Schulart und Schuljahr)? 4. Wie viele Personalstellen waren in den vergangenen drei Schuljahren mit der Koordinierung und Durchführung der externen Schulevaluation betraut und wie viele Anrechnungsstunden für die Tätigkeit der Expertenteams wurden dafür entsprechend bereitgestellt (bitte Angabe der Stellen in Vollzeitstellen, Anzahl der Anrechnungsstunden in Lehrerwochenstunden, Anzahl der Expertinnen und Experten absolut und gegliedert nach Schuljahren)? 5. Wie wird das Aussetzen der externen Schulevaluation zum 1. November 2015 begründet und ist dieses zeitlich befristet? Wenn ja, bis wann? 6. Wie wird die Erfüllung der schulgesetzlich vorgegebenen externen Evaluation zukünftig sichergestellt und welche personellen Ressourcen sind dafür an welcher staatlichen Stelle eingeplant? Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 8. Januar 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport und die Staatlichen Schulämter nehmen ihre Aufgaben auf der Grundlage der geltenden Gesetze, Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften und Richtlinien wahr. Sie beachten in ihrer Arbeit die Prinzipien der dialogischen Schulaufsicht und die Grundsätze der eigenverantwortlichen Schule. Schulen gestalten ihre Entwicklungsprozesse im Sinne eigenverantwortlicher Schulen. Die Staatlichen Schulämter unterstützen und beaufsichtigen den Prozess. Der Schulaufsicht steht eine Vielzahl von Informationsquellen zur Verfügung, um sich über Bildungsprozesse und -ergebnisse an Thüringer Schulen zu vergewissern, genannt seien beispielhaft: Auswertung von Schuljahresstatistiken über Ganztagsbetreuung, Schulpartnerschaften, Unterrichtserfüllung, Absolventen und Abgänger , Ergebnisse der Abschlussprüfungen (Hauptschul- und Qualifizierender Hauptschulabschluss, Realschulabschluss , allgemeine Hochschulreife), Ergebnisse der Besonderen Leistungsfeststellung, Fehltage, Übertrittsquoten, Versetzungen, Fremdsprachen- bzw. Unterrichtsangebote. Ebenso kann auf Testergebnisse zurückgegriffen werden wie die Auswertung der Kompetenztests in den Jahrgangsstufen 3, 6 und 8. Des Weiteren werden anlass- und themenbezogene schulaufsichtliche Prüfungen durchgeführt. Beispielhaft seien Kontrollen und Wertungen der Prüfungsergebnisse an Regelschulen und Gymnasien genannt. Schulaufsichtliches Handeln der Staatlichen Schulämter erfolgt außerdem durch Prüfen der mündlichen Prüfungsaufgaben, Prüfen der Bemerkungen/Gespräche zur Lernentwicklung und Auswerten der Berichte zum Schulbesuch im Rahmen der externen Evaluation (EVAS). Daten über den Stand ihrer schulischen Entwicklungsprozesse können Schulen im Sinne interner Evaluation über verschiedene Instrumente erhalten, wie z. B. über die Instrumente "Thüringer Netzwerk innovativer Schulen" (ThüNiS), "Schüler als Experten für Unterricht" (SEfU) oder "Evidenzbasierte Methoden der Unterrichtsdiagnostik und -entwicklung" (EMU). Zu 2.: Grundsätzlich gilt, dass eigenverantwortliche Schulen zu einem schulinternen Qualitätsmanagement, d.h. zu Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung verpflichtet sind. Als eigenverantwortliche Schule wird eine Schule angesehen, die auf der Grundlage von Konzepten • Aufgaben selber bestimmt, • Lösungen entwickelt, • Handeln evaluiert (intern und extern) bzw. kontrolliert, • Ergebnisse bewertet, • Produkte präsentiert und • Schulentwicklungsprozesse mit einer professionellen Arbeitskultur gestaltet • sowie auf der Basis einer Zielvereinbarung vom Staatlichen Schulamt spezifische Unterstützung erhält. 3 Drucksache 6/1612Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zusätzlich zu Selbstevaluationsprozessen wurde für die Schulen durch Expertenteams eine externe Evaluation durchgeführt. Hierbei wurde die jeweilige Ausgangssituation analysiert und den Schulen in Form des Schulberichtes zurückgemeldet. Auf dieser Grundlage begannen die Schulen seit dem Start des Entwicklungsvorhabens "Eigenverantwortliche Schule" (Schuljahr 2004/2005) mit der Ausgestaltung abgestimmter Entwicklungsprozesse. So wurden im Prozess der Erarbeitung der Zielvereinbarung idealerweise Strukturen für die Entwicklung der Organisation geschaffen. In die Erarbeitung der Zielvereinbarung wurden neben Resultaten interner und externer Evaluationen (u. a. dem Schulbericht und den Empfehlungen der Experten ), vorhandenen schulinternen Vorgaben (wie z. B. Schulkonzept oder Leitbild) auch Ergebnisse von Kontrollen (z. B. Kompetenztests, Ergebnisse von Prüfungen oder Vergleichsarbeiten) einbezogen. Im Aushandlungsprozess der Zielvereinbarung mit dem Staatlichen Schulamt wurden geeignete Maßnahmen zur Unterstützung beschrieben und Kriterien sowie Indikatoren zur internen Evaluation festgelegt. Dieser Prozess war erfolgreich. Es kann festgestellt werden, dass mittlerweile an den Schulen eine Reflexionskultur etabliert ist, die Änderungen im bisherigen Verfahren der externen Evaluation erforderlich machen . Diese Feststellung gilt nicht nur für das von Thüringen gewählte Verfahren. Auch andere Länder, die vergleichbar gearbeitet haben, wie Rheinland-Pfalz oder Sachsen, stellen ihre Evaluationsverfahren um. Zu 3.: Die erbetenen Angaben können der Tabelle entnommen werden. Übersicht der externen Evaluationen Erstbesuche Wiederholungsbesuche Schuljahr Anzahl Erstbesuche Anzahl Wiederholungs - besuche GS RS GY FÖS BBS TGS/ GES/ Ko GS RS GY FÖS BBS TGS/ GES/ Ko 2013/2014 1 96 0 0 0 0 0 1 51 24 9 4 4 4 2014/2015 0 70 0 0 0 0 0 0 50 10 2 3 4 1 2015/2016* 0 64 0 0 0 0 0 0 27 21 6 0 9 1 Summe 1 230 0 0 0 0 0 1 128 55 17 7 17 6 * geplant, durchgeführt bis 31. Oktober 14 Schulbesuche Zu 4.: Die erbetenen Angaben können den nachfolgenden Tabellen entnommen werden. Mitarbeiter Koordinierungsstelle EVAS und externe Evaluation Schuljahr Anzahl Mitarbeiter Vollzeitbeschäftigtenstellen (VZB) gesamt VZB je Mitarbeiter 2013/2014 3 1,4 0,5 0,4 0,5 2014/2015 4 2,8 0,5 0,4 0,9 1 2015/2016 4 2,8 0,5 0,4 0,9 1 Einsatz von Experten Schuljahr Anzahl Experten Anrechnungsstunden Lehrerwochenstunden 2013/2014 94 455 2014/2015 56 254 2015/2016 59 297 Zu 5.: Seit der Einführung der externen Evaluation im Schuljahr 2004/2005 hat sich an den Thüringer Schulen eine Reflexionskultur etabliert und die Schulen arbeiten an der Umsetzung ihrer mit dem zuständigen Staatlichen Schulamt geschlossenen Zielvereinbarungen. Die Durchführung der externen Evaluation bindet jedoch einen nicht unbeträchtlichen Teil an personellen Ressourcen (vergleiche Antwort zu Frage 4). 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1612 Aufgrund der notwendigen Absicherung des Unterrichts war es nicht vertretbar, die Anzahl der Experten zu erhöhen. Dies wäre jedoch notwendig, um überschaubare und effiziente Evaluationszeiträume abzusichern . Mit den derzeit aktiven Expertenteams liegen diese zwischen neun bis zwölf Jahren für einen Wiederholungsbesuch an der jeweiligen Schule. Damit ist eine datenbasierte Schulentwicklung mit dem Anspruch zur systematischen Begleitung der Umsetzung der vereinbarten Entwicklungsziele, verbunden mit einer zeitnahen Evaluation in der bisherigen Form, nur bedingt durchführbar. Deshalb ist es nun notwendig, die Strategie zur Umsetzung der externen Evaluation weiterzuentwickeln, die an den bisher guten Erfahrungen anknüpft, bereits vorhandene Evaluationsinstrumente einschließt, aber angepasst an die veränderten Bedingungen neue Wege aufzeigen muss. Erste Ausführungen darüber sind in der Antwort zu Frage 6 getroffen. Im Zusammenhang mit der Erarbeitung der neuen Konzeption gilt es zu prüfen, in welcher Art und wann eine externe Evaluation wieder aufgenommen werden kann. Zu 6.: Die externe Evaluation Thüringer Schulen ist gemäß § 40 b Thüringer Schulgesetz (ThürSchulG) vorgeschrieben . Zum 1. November 2015 wurde diese nur vorübergehend ausgesetzt. Diesen Spielraum lässt das Schulgesetz im Rahmen des "Evaluationszeitraumes" zu. In der Zwischenzeit soll die Aufgabe an das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (Thillm) übertragen und die Strategie angepasst weiterentwickelt werden. Zukünftig soll für die Umsetzung der externen Evaluation in den Grundzügen eine Strategie greifen, die • verstärkt die Nutzung von vorgehaltenen Instrumenten der internen Evaluation (z.B. ThüNIS, SEfU, Prüfungsauswertung …) an den Thüringer Schulen in den Focus nimmt, • eine enge Verzahnung mit Beratern des Unterstützungssystems bietet und konkrete, bedarfsorientierte Unterstützung der Thüringer Schulen ermöglicht und • eine unmittelbare Zusammenarbeit mit der externen Evaluation von ESF-geförderten Maßnahmen zur Senkung des Anteils von Schülerinnen und Schülern ohne Schulabschluss und zur Berufsorientierung sicherstellt. Es werden somit verschiedene Ressourcen und Kompetenzen zukünftig in einem Verfahren gebündelt für einen effizienteren Nutzen für die einzelne Thüringer Schule. Dem Thillm werden alle bestehenden Ressourcen für die Wahrnehmung der Aufgaben des Unterstützungssystems und die externe Evaluation übertragen. Dr. Klaubert Ministerin