12.01.2016 Drucksache 6/1614Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 28. Januar 2016 Nicht registrierte Flüchtlinge in Thüringen Die Kleine Anfrage 609 vom 26. Oktober 2015 hat folgenden Wortlaut: Aufgrund der Asylkrise halten sich Presseberichten zufolge derzeit über 290.000 Flüchtlinge1 in Deutschland auf, ohne im Erfassungssystem "EASY" registriert worden zu sein. Laut einer Stellungnahme der deutschen Sicherheitsbehörden müssten sich unter den Flüchtlingen auch Anhänger von terroristischen Organisationen sowie Kriminelle befinden.2 Nach meiner Ansicht stellt dies eine potentielle Sicherheitsgefährdung dar. Schon mehrmals kam es, zum Beispiel auf einer Zugfahrt nach Berlin durch Sachsen und Sachsen-Anhalt, zu Notbremsziehungen und ungehindertem Ausstieg von Flüchtlingen während der Zugfahrten, sodass an den Zielorten nur ein Bruchteil der Flüchtlinge ankam.3 Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele nicht im Erfassungssystem "EASY" registrierte Flüchtlinge halten sich derzeit schätzungsweise in Thüringen auf? 2. Wie viele der nicht im Erfassungssystem "EASY" oder auf sonstige Art und Weise registrierte Flüchtlinge wurden im Zeitraum von Januar 2015 bis September 2015 von den Polizeibehörden auf dem Gebiet Thüringens aufgegriffen (bitte nach Monaten aufschlüsseln)? 3. Wie viele der gemäß Frage 2 aufgegriffenen Flüchtlinge wurden aus Thüringen im Zeitraum von Januar 2015 bis September 2015 abgeschoben (bitte nach Monaten aufschlüsseln)? 4. Wie viele Flüchtlinge wurden im Zeitraum von Januar 2015 bis September 2015 im Erfassungssystem "EASY" in Thüringen erfasst (bitte nach Monaten aufschlüsseln)? 5. Wie viele der im Erfassungssystem "EASY" in Thüringen im Zeitraum von Januar bis September 2015 erfassten Flüchtlinge wurden gemäß dem Königsteiner Schlüssel auf andere Bundesländer verteilt (bitte nach Monaten aufschlüsseln)? 6. Wie viele Flüchtlinge haben im Zeitraum von Januar 2015 bis September 2015 einen Asylantrag in Thüringen gestellt (bitte nach Monaten aufschlüsseln)? 7. Wie viele Flüchtlinge wurden in Thüringen im Zeitraum von Januar 2015 bis September 2015 mehrmals registriert oder einer mehrmaligen erkennungsdienstlichen Behandlung zugeführt (zum Beispiel durch das Land und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge)? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Henke (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1614 8. Wie oft kam es in Thüringen seit Januar 2015 bis heute zu Vorfällen, bei welchen die für eine Landeserstaufnahmeeinrichtung oder eine Asylbewerberunterkunft auf kommunaler Ebene bestimmten Flüchtlinge nicht am Zielort ankamen (bitte nach den Vorfällen mit Nennung des Datums sowie Zielorts aufschlüsseln und angeben, welche Erkenntnisse über den Aufenthalt der nicht am Zielort angekommenen Flüchtlinge vorliegen)? 9. Wie viele Flüchtlinge in Thüringen haben sich im Zeitraum von Januar 2015 bis heute entgegen § 50 Abs. 6 Asylverfahrensgesetz nicht unverzüglich zu der im Rahmen der landesinternen Zuweisung zugewiesenen Stelle begeben und wurden daraufhin gemäß § 85 Nr. 1 Asylverfahrensgesetz zu einer Freiheits- oder Geldstrafe verurteilt (bitte nach Monaten sowie der Staatsangehörigkeit der Verurteilten aufschlüsseln)? 10. Wie bewertet die Landesregierung die aus dem unbekannten Aufenthalt von Flüchtlingen resultierenden Sicherheitsherausforderungen und welche konkreten Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um diesen zu begegnen? 11. Welche Maßnahmen will die Landesregierung ergreifen, um Doppel- oder fehlende Registrierungen und erkennungsdienstliche Behandlungen zu vermeiden? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 12. Januar 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Nach Auffassung der Landesregierung ist auf Basis der derzeit vorhandenen Erkenntnisse eine seriöse Schätzung im Sinne der Fragestellung nicht möglich. Zu 2.: Das Erfassungssystem "EASY" ist eine IT-Anwendung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zur Erstverteilung von Asylbegehrenden auf die Bundesländer. Eine Schnittstelle für den Datenaustausch mit der Polizei oder die Möglichkeit einer Datenrecherche durch die Polizei besteht nicht. Somit ist es für die Thüringer Polizei bislang nicht möglich, eine möglicherweise bestehende Erfassung im EASY-System zu überprüfen. Zu 3.: Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Das Landesverwaltungsamt weist in diesem Zusammenhang zudem darauf hin, dass alle im genannten Zeitraum abgeschobenen Personen zuvor ein Asylverfahren mit negativem Ausgang durchlaufen haben. Zu 4.: Im Zeitraum von Januar 2015 bis September 2015 wurden nach Mitteilung des Landesverwaltungsamtes insgesamt 14.151 Asylbewerber für Thüringen im EASY-System bestätigt. Eine Aufschlüsselung nach Monaten ergibt sich aus nachfolgender Tabelle: Monat Im EASY-System für Thüringen bestätigte Asylbewerber Januar 854 Februar 1.040 März 743 April 860 Mai 877 Juni 921 Juli 1.959 August 2.320 September 4.577 Summe: 14.151 3 Drucksache 6/1614Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 5.: Im Zeitraum von Januar bis September 2015 wurden nach Mitteilung des Landesverwaltungsamtes insgesamt 1.539 Asylbewerber in andere Bundesländer weitergeleitet. Eine Aufschlüsselung nach Monaten ergibt sich aus nachfolgender Tabelle: Monat Anzahl der aus Thüringen in andere Bundesländer weitergeleiteten Flüchtlinge Januar 76 Februar 119 März 98 April 74 Mai 55 Juni 183 Juli 179 August 350 September 405 Summe: 1.539 Zu 6.: Die Anzahl der im genannten Zeitraum in Thüringen gestellten Asylanträge ergibt sich aus nachfolgender Tabelle: Monat Anträge: davon: insgesamt Erstanträge Folgeanträge Januar 842 731 111 Februar 920 808 112 März 976 872 104 April 918 820 98 Mai 879 836 43 Juni 1.268 1.137 131 Juli 1.106 970 136 August 1.081 908 173 September 1.295 1.172 123 Summe: 9.285 8.254 1.031 Zu 7.: Eine statistische Erfassung von Personen, die gegebenenfalls mehrfach im EASY-System registriert sind, ist wegen der fehlenden Personalisierung nicht möglich. Erkennungsdienstliche Behandlungen werden durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgenommen . Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, in welchem Umfang gegebenenfalls mehrmalige erkennungsdienstliche Behandlungen vorgenommen wurden. Zu 8.: Von den zwischen dem 1. Januar 2015 und dem 20. November 2015 über das EASY-System Thüringen zugewiesenen Flüchtlingen kamen 2.465 Personen nicht an. Statistische Erhebungen über Personen, die vom Landesverwaltungsamt einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt zugewiesen wurden und nicht am Zielort ankamen, liegen der Landesregierung nicht vor. Ebenso liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse über den Aufenthalt der Personen vor, die nicht an ihrem Zielort ankamen. Zu 9.: Hierzu liegen der Landesregierung keine statistischen Erkenntnisse vor. Die nach bundeseinheitlichen Kriterien erhobene Strafverfolgungsstatistik weist bislang lediglich Angaben zu allen Straftaten nach dem Asylverfahrensgesetz aus. Für das Jahr 2015 liegt diese Statistik noch nicht vor. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1614 Zu 10.: Zu den unbekannt aufhältigen Flüchtlingen gibt es kein spezielles Lagebild. Das Phänomen fließt in die allgemeine Beurteilung der Gefahrenlage durch die Sicherheitsbehörden ein. Für den Bereich der Thüringer Polizei hat die Landespolizeidirektion eine Koordinierungsstelle Flucht und Asyl (KoSt Asyl) eingerichtet, die im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung mit den zuständigen Landes- und Bundesbehörden zusammenarbeitet , Erkenntnisse gewinnt und austauscht. Zu 11.: Bund und Länder arbeiten mit Nachdruck daran, das Verfahren zur Registrierung der in Deutschland um Asyl nachsuchenden Menschen zu optimieren. So ist etwa beabsichtigt, durch das "Datenaustauschverbesserungsgesetz " zum 1. Februar 2016 einen "Ankunftsnachweis" für Asylbewerber einzuführen. Lauinger Minister Endnote: 1 "Flüchtlinge" wird hier als Oberbegriff verwendet, um die Migranten zu kennzeichnen, die infolge der Asylkrise, insbesondere in den letzten Monaten, nach Deutschland bzw. Thüringen kamen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus . 2 Vgl. http://www.thueringen.de/th3/verfassungsschutz/auslaenderextremismus/syrien/index.aspx 3 Vgl. http://www.welt.de/politik/ausland/article146429352/180-Fluechtlinge-springen-aus-Zug-nach-Berlin.html