12.01.2016 Drucksache 6/1615Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 11. Februar 2016 Infiltrierung der Justizvollzugsanstalten durch Links- und Rechtsextremisten Die Kleine Anfrage 703 vom 26. November 2015 hat folgenden Wortlaut: Es ist bekannt, dass Prozesse der politischen Radikalisierung oftmals in Gefängnissen stattfinden. Dies gilt für alle Spielarten des politischen und religiösen Extremismus.1 Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Rechts- oder Linksextremisten verbüßten im Zeitraum von 2010 bis 2015 eine Strafe in einer der thüringischen Justizvollzugsanstalten (bitte nach Jahresscheiben sowie der PMK-Zuordnung aufgliedern [Links-/Rechtsextremismus] sowie die Altersstruktur der links- beziehungsweise rechtsextremistischen Gefangenen auflisten [unter 18 Jahre, 18 bis 30 Jahre, 30 bis 55 Jahre, ab 55 Jahre])? 2. Welche Aktivitäten führen rechtsextremistische Organisationen sowie rechtsextremistische Einzelpersonen in Thüringen im Bereich der "Gefangenenhilfe" durch (Solidaritätsveranstaltungen, Spendensammlungen und Zuschüsse zu Gerichtskosten und so weiter)? 3. In wie vielen Fällen wurden im Zeitraum von 2010 bis 2015 Rechtsextremisten bei Prozessen vor Thüringer Gerichten von rechtsextremistischen Organisationen unterstützt? 4. Welche von rechtsextremistischen Organisationen herausgegebenen Publikationen haben rechtsextreme Häftlinge im Zeitraum von 2010 bis 2015 erreicht? 5. In wie vielen Fällen wurden im Zeitraum von 2010 bis 2015 von rechtsextremistischen Organisationen Besuche bei rechtsextremen Häftlingen organisiert? 6. Wird die Arbeit der "Offenen Arbeit Erfurt" (Kreiskirchenamt Erfurt), die der linksextremistischen "Roten Hilfe e.V." seit Dezember 2014 Räumlichkeiten zur Verfügung stellt (Anlaufstelle der "Roten Hilfe e.V.")2, durch Landesmittel gefördert? a) Wenn ja, seit wann, für welche Projekte/Vorhaben und in welchem finanziellen Umfang? b) Gedenkt die Landesregierung vor dem Hintergrund der offensichtlichen Kooperation zwischen der "Offenen Arbeit Erfurt" und der "Roten Hilfe e.V." in Zukunft keine Landesmittel mehr für die Arbeit der "Offenen Hilfe" zu gewähren? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Henke (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1615 7. Welche Aktivitäten führt die linksextremistische, vom Verfassungsschutz beobachtete, "Rote Hilfe e.V." in Thüringen durch (Solidaritätsveranstaltungen, Spendensammlungen und Zuschüsse zu Gerichtskosten und so weiter)? 8. In wie vielen Fällen wurden Linksextremisten bei Prozessen vor Thüringer Gerichten im Zeitraum von 2010 bis 2015 von der "Roten Hilfe e.V." unterstützt? 9. Welche von der "Roten Hilfe e.V." herausgegebenen Publikationen haben im Zeitraum von 2010 bis 2015 linksextremistische Häftlinge erreicht? 10. In wie vielen Fällen wurden im Zeitraum von 2010 bis 2015 von der "Roten Hilfe e.V." Besuche bei linksextremistischen Häftlingen organisiert? 11. Welche Projekte zur Extremismusprävention beziehungsweise Deradikalisierung werden in Thüringer Justizvollzugsanstalten in diesem Jahr oder in den Jahren 2016/2017 durchgeführt (bitte den jeweiligen Projekttitel nennen sowie angeben, ob sich das jeweilige Projekt gegen Links- oder Rechtsextremismus wendet; bitte auch die Fördersumme und gegebenenfalls den Förderanteil des Freistaats Thüringen angeben)? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 12. Januar 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Erhebung von Daten während des Vollzugs der Freiheits- oder Jugendstrafe ist nur im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zulässig. Demnach dürfen Daten nur insoweit erhoben werden, als sie für den Vollzug der Jugend- oder Freiheitsstrafe erforderlich sind. Die politische Gesinnung eines Gefangenen ist nicht zwangsläufig von Relevanz für den Vollzug der Jugend- oder Freiheitsstrafe, es sei denn, sie steht in Zusammenhang mit seiner Verurteilung. Die politische Einstellung der Gefangenen wird daher nur unter besonderen Voraussetzungen erfasst. Dies voraus geschickt wird mitgeteilt, dass sich im abgefragten Zeitraum zwei Gefangene in Thüringer Justizvollzugseinrichtungen befanden, die als politisch "extremistisch" eingeschätzt werden können. Beide Gefangene sind dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen. Zu 2.: Im Rahmen von rechtsextremistischen Konzerten, Liederabenden und Demonstrationen werden in Thüringen im Bereich der sogenannten "Gefangenenhilfe" regelmäßig Aktivitäten wie das Verteilen von Informationsmaterial sowie Spendenaufrufe festgestellt. Überdies zeigt das bundesweite Projekt "Gefangenenhilfe .info" auch in Thüringen einen hohen Aktionsgrad. Das Projekt sieht sich als Plattform zur "Vorbeugung, Betreuung, Direkthilfe und Wiedereingliederung" von Häftlingen. Ziel ist es nach eigenen Angaben, die Familien während der Haftzeit zu betreuen sowie auch den Häftlingen selbst in der Haftanstalt Unterstützung anzubieten. Zu 3.: Das vordergründige Ziel von rechtsextremistischen Organisationen, die sich im Zusammenhang mit "Gefangenenhilfe " engagieren, ist es, rechtsextremistische Häftlinge und ihre Familien während der Haftzeit zu unterstützen. Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass in Einzelfällen auch eine Unterstützung von Personen durch rechtsextremistische Organisationen bei Prozessen erfolgt. Statistische Angaben liegen hierzu nicht vor. Zu 4.: Im abgefragten Zeitraum wurden keine Publikationen rechtsextremistischer Organisationen an Gefangene in Thüringer Justizvollzugseinrichtungen übersandt. Zu 5.: Solche Fälle sind nicht bekannt. 3 Drucksache 6/1615Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 6. a: Das Projekt "Antifaschistische Mobilisierungsveranstaltung anlässlich des rechten Hooliganaufmarsches am 15.03.2015 in Erfurt" der "Offenen Arbeit des Evangelischen Kirchenkreises Erfurt" wurde aus dem Interventionsfonds des Thüringer Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit mit 1.000 Euro gefördert. Zu 6. b: Förderentscheidungen werden nach der Prüfung von Förderanträgen getroffen. Angaben über künftige Förderungen können daher nicht erfolgen, ohne dass entsprechende Förderanträge vorliegen. Zu 7.: Die "Rote Hilfe e.V." (RH), eine "Gefangenenhilfsorganisation", definiert sich laut ihrer Satzung als "parteiunabhängige , strömungsübergreifende linke Schutz- und Solidaritätsorganisation". Sie ist eine personalstarke und finanzkräftige bundesweite Organisation. Die "Rote Hilfe e.V." leistet Straf- und Gewalttätern politische und finanzielle Unterstützung, so unter anderm bei anfallenden Anwalts- und Prozesskosten sowie bei Geldstrafen und Geldbußen. Rechtskräftig Verurteilte, die sich nicht von ihren Taten distanzieren, erhalten beispielsweise auf Antrag regelmäßig einen durch eine Satzung festgelegten Teil der Kosten erstattet. Andernfalls wird die Kostenerstattung gekürzt oder in Gänze abgelehnt. Darüber hinaus organisiert die "Rote Hilfe e.V." Informations- und Diskussionsveranstaltungen zu den Themenfeldern "Rechtshilfe"und "staatliche Repression". In ihren Publikationen fordert sie dazu auf, die Zusammenarbeit mit Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden hinsichtlich der Aufklärung von Straftaten zu verweigern. Auch in Thüringen unterstützt die "Rote Hilfe e.V." vermeintlich politisch Verfolgte aus dem gesamten "linken " und linksextremistischen Spektrum politisch, materiell und juristisch, u.a. durch Spendenaufrufe und -sammlungen sowie durch diverse Vortrags- und Schulungsveranstaltungen (wie "Vernehmungsmethodentraining ") und Aufrufe zu Prozessbeobachtungen. Zu 8.: Hierüber liegen keine Erkenntnisse vor. Zu 9: Von der "Roten Hilfe e.V." herausgegebene Publikationen wurden in den Thüringer Justizvollzugsanstalten nicht festgestellt. Zu 10.: Es ist nicht bekannt, dass die "Rote Hilfe e.V." Besuche bei Gefangenen in Thüringer Justizvollzugseinrichtungen organisiert hat. Zu 11.: Das Angebot des Projekts "Thüringer Beratungsdienst - Ausstieg aus Rechtsextremismus und Gewalt" steht auch in Thüringer Justizvollzugsanstalten zur Verfügung. Das Programm richtet sich gegen Rechtsextremismus und wurde 2015 vom Ministerium für Bildung, Jugend und Sport im Rahmen des "Thüringer Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit" und durch das Bundesprogramm "Demokratie leben!" mit 189.600,43 Euro gefördert. Der Förderanteil des Landes betrug 113.100,42 Euro. Die Mittel stammten aus dem Haushaltstitel 04 31 684 82. Eine Förderung ist auch 2016/2017 vorgesehen. In welcher Höhe sie erfolgt, wird von der tatsächlichen Verfügbarkeit der Haushaltsmittel abhängen. In der Jugendstrafanstalt Arnstadt wurde 2015 vom Verein "Drudel 11 e.V." eine Fortbildungsveranstaltung für Bedienstete angeboten, die sich mit dem Thema "wahrnehmen, verstehen, reagieren - Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit im Strafvollzug" befasst. Entsprechende Veranstaltungen sind auch in den nächsten Jahren vorgesehen. Kosten für den Justizvollzug sind nicht entstanden. Die Justizvollzugsausbildungsstätte Gotha hat 2015 darüber hinaus folgende Fortbildungsveranstaltungen angeboten: • Islam, Islamismus und Ausländerextremismus3 • Grundlagen der freiheitlichen Demokratie und Verfassungsschutz3 • Interkulturelle Öffnung - eine bereichernde Option oder schlichte Notwendigkeit? • Rechtsextremismus in Deutschland und in Thüringen3 • Rechtsextremismus in Deutschland und in Thüringen - Sondergruppen und Neonazis3 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1615 • Linksextremismus in Deutschland und Thüringen (zwei Veranstaltungen)3 • Der Demokratie verpflichtet: entlang dem Dreiklang "Erkennen - Deuten - Handeln" werden grundlegende Aussagen zur Verbreitung rechtsextremer Haltungen, zu Organisationsformen der extremen Rechten und zu Strategien getroffen. Weiterhin werden die innere Logik extrem rechter Zeichen- bzw. Symbolsprache erläutert sowie neonazistische Bekleidungsmarken vorgestellt4 Die Veranstaltungen der Justizvollzugsausbildungsstätte Gotha sind fester Bestandteil des Fortbildungsprogramms des Thüringer Justizvollzugs und sollen auch in den Jahren 2016/2017 angeboten werden. Im Jahr 2015 standen dem Thüringer Justizvollzug 83.700 Euro für Fortbildungsmaßnahmen zur Verfügung. Der Haushaltsansatz für 2016 beträgt 75.000 Euro, für 2017 74.000 Euro. Lauinger Minister Endnote: 1 Vergleiche http://www.mdr.de/nachrichten/radikalisierung-gefaengnisse100_zc-e9a9d57e_zs-6c4417e7.html 2 Vergleiche http://rotehilfeerfurt.blogsport.de/kontakt/ 3 Diese Veranstaltungen wurden in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Inneres und Kommunales, Amt für Verfassungsschutz , durchgeführt. 4 Diese Veranstaltung wurde in Zusammenarbeit mit MOBIT e.V. durchgeführt.