27.01.2016 Drucksache 6/1697Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 8. Februar 2016 Qualifikationsniveau und Ausbildungssituation von Flüchtlingen Die Kleine Anfrage 713 vom 9. Dezember 2015 hat folgenden Wortlaut: Das Qualifikationsniveau und die Ausbildungssituation von Flüchtlingen1 steht derzeit besonders zur Debatte . So sprach der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages Schweitzer Berichten der dpa zufolge davon, dass es vom Asylantrag bis zur vollen Integration auf dem Arbeitsmarkt zwischen sieben und zehn Jahren dauern würde (dpa-Meldung vom 8. Dezember 2015). Politische Maßnahmen auf Bundesebene zielen auf eine massive Ausweitung der Maßnahmen zum Spracherwerb für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive als einem wichtigen Baustein zu ihrer Arbeitsmarktintegration. Die schulische und berufliche Qualifikation von Flüchtlingen wird seit kurzem in den Thüringer Erstaufnahmeeinrichtungen auf freiwilliger Basis erfasst. Ziel dieser Erfassung sei es, Flüchtlinge schneller in Ausbildung zu bringen.2 Ich frage die Landesregierung: 1. Über welches schulische und berufliche Qualifikationsniveau verfügen die Flüchtlinge in den Thüringer Erstaufnahmestellen (bitte nach dem jeweiligen Schul- und den Berufsabschluss, der Staatsangehörigkeit sowie dem Aufenthaltsstatus aufschlüsseln)? 2. Welche Projekte zur Förderung der Eingliederung von Flüchtlingen in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt laufen derzeit in Thüringen/wurden in Thüringen im Jahr 2015 abgeschlossen (bitte nach Projekttitel, Zuwendungsgeber [Land, Bund, Wirtschaft und so weiter], Zuwendungssumme, Projektlaufzeit und Projektkapazität [für wie viele Flüchtlinge ist das jeweilige Projekt gedacht] aufschlüsseln)? 3. Wie viele Flüchtlinge mit welcher Staatsangehörigkeit und welchem Aufenthaltsstatus nehmen beziehungsweise nahmen an den Projekten aus Frage 2 teil (Anzahl der Angemeldeten zu Projektbeginn)? 4. Wie viele Flüchtlinge mit welcher Staatsangehörigkeit und welchem Aufenthaltsstatus haben ein Projekt aus Frage 2 erfolgreich absolviert (bitte nach der Anzahl der Flüchtlinge mitsamt der Nennung der Staatsangehörigkeit und dem Aufenthaltsstatus aufgliedern, die in Arbeit oder in eine Ausbildung vermittelt wurden, eine weiterführende schulische Einrichtung [Berufsschule, Abendschule und so weiter] oder eine Universität/Fachhochschule besuchen)? 5. Welche Projekte zur Förderung der Eingliederung von Flüchtlingen in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sind in Thüringen nach Kenntnis der Landesregierung im Jahr 2016 geplant (bitte gemäß Frage 2 aufschlüsseln)? 6. Wie viele Flüchtlinge nahmen in Thüringen seit Januar 2015 eine Ausbildung auf (bitte nach der Ausbildung sowie der Staatsangehörigkeit und dem Aufenthaltsstatus aufgliedern)? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Henke (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1697 7. Wie viele der Flüchtlinge, die seit Januar 2015 eine Ausbildung aufgenommen haben, haben diese abgebrochen (bitte gemäß Frage 5 aufschlüsseln sowie die häufigsten Gründe für den Ausbildungsabbruch nennen)? 8. Wie viele Flüchtlinge nahmen in Thüringen seit Januar 2015 ein Hochschulstudium (Universität/Fachhochschule ) auf (bitte nach dem Studiengang sowie der Staatsangehörigkeit und dem Aufenthaltsstatus aufgliedern)? 9. Wie viele der Flüchtlinge, die seit Januar 2015 ein Hochschulstudium aufgenommen haben, haben dieses abgebrochen (bitte gemäß Frage 7 aufgliedern sowie die häufigsten Gründe für den Studienabbruch nennen)? 10. In welchen Ausbildungsberufen sowie in welchen Arbeitsmarktsegmenten besteht nach Meinung der Landesregierung eine Fachkräftelücke, die durch Flüchtlinge gedeckt werden könnte (bitte die jeweilige Fachkräftelücke angeben [Anzahl der unbesetzten Ausbildungsplätze nach derzeitigem Stand/Anzahl der freien Stellen nach derzeitigem Stand] sowie begründen, warum diese durch Flüchtlinge gedeckt werden kann)? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 26. Januar 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Ende Oktober 2015 startete das gemeinsame Pilotprojekt des Freistaats Thüringen und der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zur Kompetenzerfassung von beruflichen, (hoch-)schulischen und sprachlichen Kompetenzen von Asylsuchenden in der Erstaufnahmeeinrichtung Suhl. Mit Beginn des Jahres 2016 wurde das Projekt auf die Erstaufnahmeeinrichtung in Mühlhausen ausgeweitet - weitere Standorte sollen sukzessive folgen. Mit Hilfe eines eigens entwickelten und mehrsprachigen Kompetenzerfassungsbogens werden die Daten auf freiwilliger Basis von Beratern der Bundesagentur für Arbeit bzw. der zuständigen regionalen Arbeitsagenturen und der Jobcenter im IT-System der BA erfasst. Der zeitliche Horizont der Laufzeit des Projektes von Ende Oktober 2015 bis Mitte Januar 2016 sowie die Erfassung an derzeit zwei von insgesamt elf Erstaufnahmeeinrichtungen, lassen zum jetzigen Zeitpunkt keine hinreichende Evaluierung der Maßnahme und des Qualifikationsniveaus der Asylsuchenden zu. Dementsprechend liegen der Landesregierung keine belastbaren und repräsentativen Zahlen zum schulischen und beruflichen Qualifikationsniveau von Asylsuchenden in den Erstaufnahmeeinrichtungen vor. Erste, nichtrepräsentative Auswertungen der Bundesagentur für Arbeit belegen allerdings, dass zu Beginn der Kompetenzerfassung überproportional viele Akademiker und gut ausgebildete Fachkräfte ihre Daten erfassen und sich hinsichtlich einer Arbeitsaufnahme in Thüringen bzw. im gesamten Bundesgebiet (erst-) beraten lassen. Zu 2.: Mit der am 6. Oktober 2015 in Kraft getretenen Richtlinie zum Landesprogramm "Arbeit für Thüringen" (LAT) wurde ein flexibel einsetzbares Förderangebot geschaffen, dass insbesondere auch die Entwicklung, Erprobung und Durchführung von Konzepten zur Beschäftigungsförderung oder zur beruflichen Integration von benachteiligten Zielgruppen der Arbeitsmarktpolitik - einschließlich Migranten und Flüchtlingen - ermöglicht. Aufgrund der aktuellen Situation wird das Programm vor allem zur Förderung der beruflichen Integration von Asylsuchenden genutzt. Die ersten Projekte mit Kammern und Bildungsträgern starteten bereits Ende 2015. Sie verbinden Integration durch berufliche Bildung und Spracherwerb mit der Heranführung an die örtliche Sozialstruktur. Weitere Projekte werden zeitnah folgen. Insgesamt wurden bislang 21 Projekte in Höhe von 4,8 Millionen Euro bewilligt. Den Asylsuchenden stehen grundsätzlich die vorhandenen Förderinstrumente der Bundesagentur für Arbeit sowie der Jobcenter zur Verfügung, sofern die individuelle Fördervoraussetzung vorliegt. 3 Drucksache 6/1697Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Dies können für Jugendliche auf dem Weg in die Ausbildung sein: Maßnahmen bei einem Träger nach § 45 SGB III, Arbeitsgelegenheiten nach § 16 SGB II, Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen mit Sprache nach § 51 SGB III, Einstiegsqualifizierung (EQ) nach § 54 a SGB III, assistierte Ausbildung nach § 130 SGB III sowie Berufsausbildung in außerbetrieblicher Einrichtung (BaE) nach § 76 SGB III. Sofern eine Arbeit aufgenommen werden soll, kommen Maßnahmen bei einem Träger nach § 45 SGB III, Praktika und betriebliche Tätigkeiten sowie Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach § 45 SGB III in Frage. Daneben werden im Rahmen von Bundes- bzw. ESF-Förderungen gegenwärtig weitere Projekte, wie beispielsweise das Thüringer Netzwerk "BLEIBdran - berufliche Perspektiven für Flüchtlinge in Thüringen"oder "Integration durch Qualifizierung - IQ-Landesnetzwerk Thüringen"zur Integration von Asylsuchenden durchgeführt . In der Anlage 1 befindet sich eine detaillierte Übersicht zu den aus dem LAT geförderten Projekten. Zu 3.: Da die im Rahmen des Landesarbeitsmarktprogramms "Arbeit für Thüringen"geförderten Projekte zur Arbeitsmarktintegration von Asylsuchenden erst Ende des Jahres 2015 begonnen haben, liegen der Landesregierung derzeit keine belastbaren und repräsentativen Daten vor. Zu 4.: Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass Daten zum Ausbildungswerdegang nicht statistisch erhoben werden. Zu 5.: Die Landesregierung selbst kann grundsätzlich keine konkreten Projekte planen. Vielmehr richtet sich die Bewilligung von Projekten nach den eingereichten Förderanträgen und beruht auf den entsprechenden Förderrichtlinien des Landes. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Zu 6.: Der Landesregierung liegen diesbezüglich keine Erkenntnisse vor, da diese Art von Daten von der Bundesagentur für Arbeit nicht statistisch erhoben wird. Zu 7.: Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. Zu 8.: Der Landesregierung liegen dazu keine belastbaren und repräsentativen Zahlen vor, da das Hochschulstatistikgesetz die Erfassung der Merkmale "Flüchtling" und "Aufenthaltsstatus" von Studierenden und Studienbewerbern nicht vorsieht und die Thüringer Hochschulen aus diesem Grund keine Angaben zu dieser Personengruppe machen können. An zwei Hochschulen ist lediglich ein Studierender, der im Jahr 2015 sein Studium aufgenommen und freiwillig Angaben zu seinem Aufenthaltsstatus gegenüber der jeweiligen Hochschule gemacht hat, bekannt. Studiengang: Informatik, Pharmazie Staatsangehörigkeit: Syrisch Aufenthaltsstatus: Asylbewerber Zu 9.: Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. Ein Studierender (Informatik/Syrisch/Asylbewerber) brach sein Studium aufgrund ungeklärter Finanzierungsmöglichkeiten wieder ab. Zu 10.: Die Landesregierung betrachtet die Integration von Migranten - sowohl aus EU- als auch aus Nicht-EU-Ländern - und von Asylsuchenden grundsätzlich als Chance, der negativen demografischen Entwicklung zumindest teilweise entgegenzuwirken und junge, motivierte Fach- und Arbeitskräfte für Thüringen zu gewinnen. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1697 Aus Sicht der Landesregierung besteht bereits seit einigen Jahren ein erhöhter Bedarf an Fachkräften und Auszubildenden, um die angebotenen Arbeits- und Ausbildungsplätze besetzen und damit den Fachkräftebedarf decken zu können. Darunter ist auch ein Bedarf an ausländischen Bewerbern jeglicher Herkunft zu subsumieren, sofern diese die Anforderungen an das jeweilige Arbeits- und Ausbildungsprofil erfüllen. Nach den Ergebnissen der aktuellen Fachkräftestudie schätzt die Landesregierung ein, dass bis zum Jahr 2025 insgesamt ein Bedarf an 280.000 Fachkräften in Thüringen besteht. Darüber hinaus geht aus der aktuellen Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit vom November 2015 hervor, dass es in folgenden Berufssegmenten Engpässe an Fachkräften gibt, die, bei Vorliegen entsprechender Einstellungsvoraussetzungen, auch durch Flüchtlinge besetzt werden können: Fertigungsberufe • Feinwerk- und Werkzeugtechnik • Kunststoff, Kautschukherstellung und -verarbeitung • Metallbau und Schweißtechnik • Metallbearbeitung • Holzbe- und -verarbeitung • Farb- und Lacktechnik Fertigungstechnische Berufe • Energietechnik • Mechatronik und Automatisierungstechnik • Elektrotechnik • Fahrzeug-, Luft-, Raumfahrt-, Schiffbautechnik Bau- und Ausbauberufe • Klempnerei, Sanitär, Heizung, Klimatechnik • Ver- und Entsorgung • Bodenverlegung Medizinische und nichtmedizinische Gesundheitsberufe • Human- und Zahnmedizin • Altenpflege • Gesundheits- und Krankenpflege, Rettungsdienst, Geburtshilfe Eine detaillierte Übersicht der Bundesagentur für Arbeit zur Bewerbersituation und unbesetzten Berufsausbildungsstellen in Thüringen mit Stand vom 31. September 2015 ist als Anlage 2 beigefügt. Werner Ministerin Anlage3 Endnote: 1 Hier und im Folgenden wird der Begriff "Flüchtlinge" als Oberbegriff für Asylbewerber, anerkannte Asylberechtigte gemäß Artikel 16a Grundgesetz, Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention, subsidiär Schutzbedürftige, Ausländer , die unter ein Abschiebeverbot fallen sowie vollziehbar Ausreisepflichtige verwendet. 2 Vergleiche http://www.jenapolis.de/2015/09/13/fluechtlinge-berufliche-qualifikation-wird-kuenftig-bei-erstaufnahmeerfasst /. 3 Hinweis: Auf den Abdruck der Anlage wurde verzichtet. Ein Exemplar mit Anlage erhielten jeweils die Fraktionen und die Landtagsbibliothek. Des Weiteren kann sie im Abgeordneteninformationssystem unter der oben genannten Drucksachennummer sowie im Internet unter der Adresse: www.parldok.thueringen.de eingesehen werden.