03.02.2016 Drucksache 6/1732Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 23. Februar 2016 Berichte über Umweltbelastungen einer Abfallentsorgungs- und Recyclingfirma im Unterwellenborner Gewerbegebiet Maxhütte-West Die Kleine Anfrage 721 vom 2. Dezember 2015 hat folgenden Wortlaut: Im Jahr 1994 siedelte sich eine Abfallentsorgungs- und Recyclingfirma im Unterwellenborner Gewerbegebiet Maxhütte-West an. Das Unternehmen betreibt am Standort des Saalfelder Stadtteils Gorndorf eine Abfallentsorgungs - und Recyclinganlage, die 1997 vom Thüringer Landesverwaltungsamt genehmigt wurde. Pro Jahr werden 80.000 Tonnen organische Abfälle wie Bioabfälle, Ast- und Grünschnitt, Holz sowie kommunale Klärschlämme, Rechengut und Sandfang verarbeitet. Seit Jahren klagen Anwohner in der unmittelbaren Umgebung der Anlage über Geruchsbelästigung und extreme Fliegenplagen. Die Problematik war bereits mehrfach Gegenstand von Medienberichten. Am 28. Oktober 2015 berichtete das MDR-Magazin Exakt über Recherchen zum Thema. Der Sendung zufolge habe das Land im Laufe der Jahre die Annahme immer weiterer Abfallsorten zur Gewinnung von Kompost und Biogas genehmigt. Die Durchsetzung technischer Standards müsse jedoch vom Landkreis gewährleistet werden. Noch immer lagere Abfall unter freiem Himmel, der nach deutschen Umweltstandards und EU-Richtlinien in einer Anlage dieser Größe gar nicht mehr offen kompostiert werde dürfe. Spätestens seit November 2007 hätte das verrottende Material eingehaust und die Abluft gefiltert werden müssen. Eine von MDR Exakt in Auftrag gegebene Laboranalyse von auf Feldern ausgebrachten Klärschlamm hätte ergeben, dass der Bleigehalt der Probe den Grenzwert um ein Vielfaches überschreitet. Ich frage die Landesregierung: 1. Inwieweit ist der Landesregierung bekannt, dass von dieser Abfallentsorgungs- und Recyclingfirma Belastungen für die Bevölkerung in unmittelbarer Umgebung und speziell im Saalfelder Stadtteil Gorndorf ausgehen? 2. Welche Umweltverträglichkeitsprüfungen wurden seit Inbetriebnahme der Anlage von Seiten der Thüringer Behörden (zum Beispiel Umweltamt, Landesverwaltungsamt) mit welchen Ergebnissen durchgeführt? 3. Welche Auflagen ergaben sich daraus und welche Maßnahmen wurden diesbezüglich von der Firma ergriffen, um die Umweltbelastung für die Bevölkerung zu reduzieren? 4. Wie wird die Umsetzung der Auflagen durch die Behörden kontrolliert und welche Möglichkeiten einer wirksameren Einflussnahme sieht die Landesregierung? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kowalleck (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1732 5. Inwieweit entspricht die Aussage, dass nach deutschen Umweltstandards und EU-Richtlinien in einer Anlage dieser Größe gar nicht mehr offen kompostiert werden dürfe, der gültigen Gesetzeslage und wie stellt sich die aktuelle Situation im in der Einleitung genannten Fall dar? 6. Welche Informationen liegen der Landesregierung über die vom MDR in Auftrag gegebene Laboranalyse des ausgebrachten Klärschlamms vor? 7. Werden von behördlicher Seite regelmäßig Laboranalysen, insbesondere bei den Endprodukten (Erde, Kompost) dieser Abfallentsorgungs- und Recyclingfirma durchgeführt und wenn ja, mit welchen Ergebnissen und welchen Konsequenzen? 8. Welche Maßnahmen sind nach Ansicht der Landesregierung notwendig, um die Belastungen für die Bevölkerung im Saalfelder Stadtteil Gorndorf deutlich zu verringern beziehungsweise auszuschließen? 9. Inwieweit ist eine Verlagerung des Unternehmensstandorts dieser Abfallentsorgungs- und Recyclingfirma geplant und geprüft worden? 10. Inwieweit hat die Landesregierung Kenntnis über das Vorhaben dieser Abfallentsorgungs- und Recyclingfirma , im Großtagebau Kamsdorf eine Grünschnittannahme einzurichten und wie ist dazu der aktuelle Stand? Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 29. Januar 2016 (Eingang: 3. Februar 2016) wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Bei der angesprochenen Abfallentsorgungs- und Recyclinganlage handelt es sich um eine Kompostierungsanlage in der Gemarkung Saalfeld-Gorndorf. Diese Anlage ist genehmigungsbedürftig im Sinne des Bundes -Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) und der Nummer 8.5.1 des Anhangs 1 der 4. Verordnung zur Durchführung des BImSchG (4. BImSchV) zuzuordnen. Zuständige immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde für diese Anlage ist das Thüringer Landesverwaltungsamt (TLVwA), zuständige immissionsschutzrechtliche Überwachungsbehörde ist das Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt. Zu 1.: Dem Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt liegen seit 2012 Beschwerden von fünf Bürgern aus Gorndorf über Geruchsemissionen, Verwehungen von Leichtfraktionen und aus den Jahren 2013 und 2015 über eine starke Fliegenpopulation vor. Im Rahmen des Vollzugs wurde daher gegenüber der Firma durchgesetzt, dass seit 2013 ein Windsichter beim Absieben von Kompost eingesetzt wird, der die Leichtfraktion erfasst und ordnungsgemäß für die Entsorgung aufbereitet sowie dass die Umsetzungen den Witterungsbedingungen angepasst werden. Den Beschwerden der Bürger wird von der Überwachungsbehörde grundsätzlich immer nachgegangen und mit dem Unternehmen vor Ort ausgewertet. Zu 2.: Da Kompostierungsanlagen nicht im Anhang 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (Liste "UVP-pflichtige Vorhaben") aufgeführt sind, ist die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens für solche Anlagen rechtlich nicht möglich. Zu 3.: Entsprechend der Antwort zu Frage 2 wurden keine diesbezüglichen Nebenbestimmungen in die Genehmigungen aufgenommen. Zu 4.: Die Anlage wird jährlich im Rahmen des vom Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt aufgestellten Überwachungsprogramms nach der Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen kontrolliert. An den Kontrollen nehmen im Allgemeinen neben der Immissionsschutzbehörde auch die Abfallbehörde, die Wasserbehörde, die Brandschutzbehörde sowie das Veterinäramt des Landkreises teil. Zusätzlich erfolgen seitens des Landratsamtes Saalfeld-Rudolstadt anlassbezogene Kontrollen aufgrund von Beschwerden oder Vorkommnissen (wie z. B. Bränden), aber auch bezüglich der Überprüfung der Einhaltung abfallrechtlicher Sachverhalte, z. B. nach der Klärschlammverordnung. 3 Drucksache 6/1732Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Das TLVwA erachtet die dargelegte Vorgehensweise als effizient und sieht keine Veranlassung zu einer fachaufsichtlichen Einflussnahme. Zu 5.: Maßgeblich für die Einhaltung der Umweltstandards (Feststellung des Stands der Technik) sind bei im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes genehmigungsbedürftigen Anlagen in erster Linie die Ausführungen der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) 2002. Die Anforderungen der TA Luft 2002 für die Kompostierungsanlagen (hier insbesondere zur Einhausung der Hauptrotte) waren im Allgemeinen bis zum 30. Oktober 2007 unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit umzusetzen. Lediglich bei atypischen Fällen war davon abzusehen. Die Kompostierungsanlage wurde im Rahmen der Kommunalisierung der Umweltverwaltung im Jahr 2008 in die Überwachung des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt gegeben. Die Problematik der Ermittlung des Standes der Technik für Kompostierungsanlagen wurde seit dem Jahr 2012 seitens des Landratsamtes Saalfeld-Rudolstadt thematisiert und durch eine Stellungnahme des Umweltbundesamtes im Dezember 2013 abschließend geklärt. Danach sind allein die Ausführungen der TA Luft für den Stand der Technik maßgeblich. Das Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt hat daher mit Datum vom 14. Oktober 2015 gegen die Firma eine Anordnung nach § 17 BImSchG zur Herstellung des Standes der Technik der Anlage (Einhausung der Hauptrotte) erlassen. Zu 6.: Dem TLVwA liegt die vom MDR in Auftrag gegebene Laboranalyse zum ausgebrachten Material vor. Dabei wurden mehr als 20 Inhaltsstoffe analysiert. Für das ausgebrachte Material wurde durch diese Analyse für den Parameter Blei eine 4- bis 5-fache Überschreitung des Grenzwertes der Klärschlammverordnung (900 mg/kg Trockensubstanz) ausgewiesen. Alle anderen Grenzwerte wurden eingehalten. Aus Sicht des TLVwA ist es fraglich, ob die Probenahme seitens des MDR als gerichtsfest angesehen werden kann. Zu 7.: Die Bioabfallkomposte der Firma unterliegen der Gütesicherung durch die Bundesgütegemeinschaft Kompost . Damit erfolgt eine stetige jährliche Prüfung des Komposts gemäß RAL-Gütesicherung. Da der Fertigkompost als Endprodukt nicht mehr dem Abfallrecht unterliegt, werden seitens der Überwachungsbehörde keine diesbezüglichen Laboranalysen durchgeführt bzw. veranlasst. Bezüglich des Inputs der Anlage wird auf die Vorgaben der Klärschlammverordnung verwiesen, nach denen halbjährlich Klärschlammanalysen von Abwasserbehandlungsanlagen durchzuführen sind. Die Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft ist im Rahmen der Düngemittelverkehrskontrolle zuständig für die Überwachung der von der Firma in den Verkehr gebrachten Klärschlämme, Klärschlammkomposte und Komposte. 2014 und 2015 wurden fünf Proben von in der Anlage lagernden bzw. bereits ausgelieferten Materialien entnommen. Zwei Chargen Kompost wurden beanstandet, die Partien gesperrt und ein Ordnungswidrigkeitsverfahren durchgeführt. Zu 8.: Hierzu wird auch auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Wenn beim Anlagenbetrieb die Anforderungen der TA Luft sowie die Nebenbestimmungen der erteilten Genehmigungen eingehalten werden, ist davon auszugehen , dass Belästigungen für die Nachbarschaft im Allgemeinen auszuschließen sind. Zu 9.: Über eine Planung bzw. ein Vorhaben des Betreibers zur Verlagerung des Standortes liegen der Landesregierung keine Kenntnisse vor. Zu 10.: Das Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt hat Kenntnis, dass das Unternehmen einen Standort des Großtagebaus Kamsdorf (aber nicht im Tagebau selbst) prüfte, um dort eine weitere Anlage für ausgewählte Abfallarten zu errichten. Dieses Vorhaben wurde jedoch von der Gemeinde abgelehnt. Ob das Unternehmen das Projekt weiter verfolgt, ist dem Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt nicht bekannt. Siegesmund Ministerin