04.02.2016 Drucksache 6/1734Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 24. Februar 2016 Bundesverfassungsgericht zur rückwirkenden Erhebung von Beiträgen nach dem Kommunalabgabenrecht - Auswirkungen auf Thüringen Die Kleine Anfrage 744 vom 18. Dezember 2015 hat folgenden Wortlaut: Mit Beschluss vom 12. November 2015 hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt (Az.: 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14), dass bei einer Gesamtabwägung der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz der Beitragspflichtigen in hinreichendem Maß Rechnung tragen muss. Vertrauen erwächst in den dem Gericht vorliegenden Fällen aus der Gewährleistungsfunktion des geltenden Rechts. Das all gemeine Ziel der Umgestaltung des Abgabenrechts sowie fiskalische Gründe rechtfertigen die rückwirken de Abgabenbelastung nicht. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der besonderen tatsächlichen und rechtli chen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung. Ich frage die Landesregierung: 1. In welchen konkreten Gesetzesregelungen unterscheidet sich nach Kenntnis der Landesregierung das Kommunalabgabenrecht der Länder Brandenburg und Thüringen? 2. Welche Auswirkung hat die eingangs zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf das Thüringer Kommunalabgabenrecht und wie wird dies begründet? 3. Welche gesetzlichen Neuregelungen sind in Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts aus Sicht der Landesregierung geboten und wie wird dies begründet? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 2. Februar 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Es wird davon ausgegangen, dass sich die Fragestellung auf die in der zitierten Entscheidung des Bundes verfassungsgerichts betroffene Regelung bezieht. Nach der ursprünglichen Fassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 Kommunalabgabengesetz des Landes Branden burg entstanden Beiträge frühestens "mit dem Inkrafttreten der Satzung". Mit Wirkung zum 1. Februar 2004 änderte der Brandenburger Landesgesetzgeber die Vorschrift dahingehend, dass die Beitragspflicht frü hestens "mit Inkrafttreten einer rechtswirksamen Satzung" entsteht. Anlass für die Gesetzesänderung war die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts BerlinBrandenburg, nach der es bei der ursprünglichen K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kuschel (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1734 Regelung allein auf den formalen Akt des Satzungserlasses ankomme und nicht auf die formelle und ma terielle Gültigkeit der Satzung. In Thüringen entsteht gemäß § 7 Abs. 7 Satz 1 Thüringer Kommunalabgabengesetz (ThürKAG) die Bei tragspflicht bei leitungsgebundenen Einrichtungen, sobald das Grundstück an die Einrichtung oder Teilein richtung angeschlossen werden kann, frühestens "mit Inkrafttreten der Satzung"; die Satzung kann einen späteren Zeitpunkt bestimmen. Dabei hat die Thüringer Rechtsprechung die Gesetzeslage, anders als in Brandenburg, stets so interpretiert, dass es auf die formelle und materielle Gültigkeit der Satzung ankommt und nicht allein auf den formalen Akt des Satzungserlasses (Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 28. August 2008, Az.: 4 EO 405/08). Gemäß der Sonderregelung für unwirksame Beitragssatzungen in § 15 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Thüringer Kommunalabgabengesetz (ThürKAG) in der Fassung der Novellierung im Jahr 2014 beginnt im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die gültige Satzung beschlossen worden ist. Die Regelung des § 15 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb und cc ThürKAG wurde aufgrund des Be schlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2013 (Az.: 1 BvR 2452/08) im Jahr 2014 im Inter esse der Belastungsklarheit und vorhersehbarkeit novelliert und die Festsetzungsfrist bei ungültigen Sat zungen auf maximal zwölf Jahre seit dem Zeitpunkt begrenzt, in dem die Beitragspflicht auf der Grundlage der ungültigen Satzung entstanden wäre. Durch die Aufnahme von Übergangsregelungen in § 21a Abs. 12 ThürKAG wurde dabei sichergestellt, dass nicht in bereits laufende Festsetzungsfristen eingegriffen wird und dass den kommunalen Aufgabenträgern durch die Neuregelung auf der Grundlage von bereits vor In krafttreten des Gesetzes beschlossenen Satzungen keine Nachteile entstehen. Zu 2.: Die zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat keine Auswirkungen auf das Thüringer Kom munalabgabengesetz. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Zu 3.: Gesetzliche Neuregelungen sind im Zusammenhang mit der zitierten Entscheidung des Bundesverfas sungsgerichts nicht erforderlich. Auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 wird verwiesen. Dr. Poppenhäger Minister