05.02.2016 Drucksache 6/1738Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 25. Februar 2016 Bevölkerungsentwicklung und -wanderung Die Kleine Anfrage 739 vom 18. Dezember 2015 hat folgenden Wortlaut: Gemäß dem "Statistischen Jahrbuch Thüringen 2015" ist die Bevölkerungszahl und Einwohnerdichte weiterhin kontinuierlich rückläufig. Dabei ist jedoch die Zahl der Lebendgeborenen in den vergangenen Jahren steigend, was im statistischen Jahrbuch zu erkennen ist und zuletzt auch durch die Berichte in der Tagespresse vom 17. Dezember 2015 ersichtlich wurde. Die Ausführungen zur Bevölkerungswanderung innerhalb der Landesgrenzen zeigen den unter dem Begriff "Landflucht" zu verstehenden Trend von verstärkten Zuzügen in die Städte. Allerdings ist ebenfalls ersichtlich , dass diese Beobachtung nicht grundsätzlich auf alle größeren Städte Thüringens und die Landkreise allgemein zutreffend ist. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Entwicklung der Bevölkerungszahl und insbesondere die Entwicklung der Einwohnerdichte in Thüringen bis zum Jahr 2035, gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung von Zuzügen aus dem Ausland? 2. Wie wird die weitere Bevölkerungswanderung innerhalb Thüringens vor dem Hintergrund der "Landflucht " beurteilt und welche Daten und Prozesse bezieht die Landesregierung in diese Prognose ein beziehungsweise sind deren Grundlage? 3. Was ist aus Sicht der Landesregierung der Grund dafür, dass die Landkreise Gotha, Schmalkalden- Meiningen, Sömmerda und (teilweise) der Saale-Holzland-Kreis aus Zu- und Fortzügen stellenweise deutliche Überschüsse haben und sich daher mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung entgegen dem allgemeinen Trend entwickeln? 4. Sieht die Landesregierung in der steigenden Zahl von Neugeborenen der letzten drei Jahre eine Trendwende in der bisher rückläufigen Zahl von Geburten pro Frau in Thüringen oder begründet sich diese Entwicklung durch kurzfristig auftretende Faktoren? Wenn ja, welche? 5. Verfügt die Landesregierung über eine langfristige Konzeption und/oder Strategie, um der rückläufigen Entwicklung der Einwohnerzahl Thüringens entgegenzuwirken? Wenn ja, welche? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Hande (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1738 Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Landesre gierung mit Schreiben vom 4. Februar 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Nach den Ergebnissen der 1. regionalisierten Bevölkerungsvorausberechnung Thüringens (1. rBv) - veröffentlicht im September 2015 - im Internet abrufbar unter www.statistik.thueringen.de wird sich die Thüringer Bevölkerung weiter reduzieren. Lebten Ende 2014 rund 2,157 Millionen Personen in Thüringen, werden es im Jahr 2035 noch 1,875 Millionen Personen sein. Damit verliert Thüringen im Berechnungszeitraum ca. 282.000 Einwohner, im Durchschnitt rund 13.000 Einwohner pro Jahr. Dies entspricht einem weiteren Bevölkerungsrückgang von über 13 Prozent. Die Auswirkungen durch den aktuellen Zuzug von Migrantinnen und Migranten sind derzeit aufgrund des Fehlens verlässlicher Daten noch nicht einzuschätzen. Hauptursache für den Bevölkerungsrückgang ist der anhaltende Sterbefallüberschuss. Bis zum Jahr 2035 werden im Durchschnitt jährlich etwa 15.000 Kinder weniger geboren als Menschen sterben. Der durchschnittliche jährliche Wanderungsgewinn von ca. 1.800 Personen im betrachteten Zeitraum kann die Lücke zwischen der Zahl der Geborenen und Gestorbenen nicht schließen. Zu 2.: Der Freistaat Thüringen ist geprägt durch ein kleinteiliges, polyzentrisches und dichtes Netz aus zahlreichen selbstständigen Städten und Gemeinden. Eine Kategorie "Land" oder "ländlicher Raum" gibt es nicht. Die Beurteilung der weiteren Bevölkerungsentwicklung erfolgt anhand der aktuellen administrativen Grenzen . Im Landesentwicklungsprogramm Thüringen 2025 wird nach Raumstrukturgruppen und nach Raumstrukturtypen wie zum Beispiel "Räume mit günstigen Entwicklungsvoraussetzungen", "Räume mit ausgeglichenen Entwicklungspotenzialen" und "Räumen mit besonderen Entwicklungsaufgaben" unterschieden, die die jeweiligen Handlungserfordernisse besser widerspiegeln. Als maßgebliche Planungsgrundlage für Planungen der Landesbehörden des Freistaats Thüringen mit einem Planungshorizont bis einschließlich 2035 hat die Landesregierung die 1. rBv festgelegt, die vom Thüringer Landesamt für Statistik erstellt wurde. Diese umfasst für Thüringen, die Landkreise und kreisfreien Städte. Weitere Berechnungen für kleinere Raumeinheiten werden im Laufe des Jahres 2016 durch das Landesamt für Statistik vorgenommen. Zu 3.: Die Wanderungsbilanz Thüringens ist in der 1. rBv unter "Zusammengefasste Ergebnisse für Thüringen und die Kreise" dargestellt. Gründe für die unterschiedliche Entwicklung werden statistisch nicht erhoben und liegen daher nicht vor. Zu 4.: Der leichte Anstieg der Geburten in den letzten Jahren ist die Fortsetzung eines langfristigen Trends. Seit 1999 ist die altersspezifische Geburtenziffer (Zahl der Kinder, die eine Frau im Laufe ihres Lebens bekommen wird) kontinuierlich von 1,14 (1999) auf 1,55 (2014) gestiegen. Dieser Trend wird in der 1. rBv dadurch berücksichtigt, dass eine Steigerung der Geburtenrate von 1.464,0 Kindern je 1.000 Frauen (Durchschnitt der Jahre 2011 bis 2013) auf 1.626,4 Kindern je 1.000 Frauen bis 2025 angenommen wird und danach konstant bleibt. Zu 5.: Die Gestaltung des demografischen Wandels ist eine ressortübergreifende Aufgabe mit Prozesscharakter. Seit 2006 arbeitet in Thüringen eine Interministerielle Arbeitsgruppe. Damit wurde eine kontinuierliche ressortübergreifende Betrachtungsweise von Prozessen und gesellschaftlichen Veränderungen mit Demografiebezug in das politische Handeln sichergestellt. Aufgrund der zeitlich und räumlich differenziert sowie unterschiedlich stark auftretenden Auswirkungen des demografischen Wandels sind pauschale Aussagen und Strategien nicht zielführend. Vielmehr ist eine spezifische Betrachtung jeder einzelnen Region hinsichtlich ihrer Entwicklungsperspektiven und Potenziale erforderlich , um auf deren Basis entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen und Strategien für die Region zu erarbeiten. Die "Serviceagentur Demografischer Wandel" im Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft steht dabei den lokalen und regionalen Akteuren bei der Gestaltung des Demografischen Wandels in vielfältiger Weise zur Verfügung. Diese Hilfe wird rege in Anspruch genommen. Der Handlungsauftrag der Serviceagentur Demografischer Wandel lässt sich vereinfacht im Dreiklang "informieren, koordinieren, agieren" 3 Drucksache 6/1738Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode zusammenfassen. Mit der Beratung und Unterstützung politischer, aber auch aller anderen gesellschaftlichen Akteure bei der aktiven Gestaltung des demografischen Wandels verfolgt die Serviceagentur das Ziel, die vor Ort vorhandenen Kompetenzen zu aktivieren, die vielen kreativen Gedanken zu heben und Plattformen zu schaffen, die auch unkonventionelle und querschnittsorientierte neue Ansätze möglich werden lassen. Keller Ministerin