26.02.2016 Drucksache 6/1814Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 15. März 2016 Informationsrechte der Gemeinde-/Stadträte und Kreistage Die Kleine Anfrage 777 vom 13. Januar 2016 hat folgenden Wortlaut: Gemäß den Vorschriften der Thüringer Kommunalordnung obliegt die Erledigung der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises dem Bürgermeister beziehungsweise dem Landrat. Dies hat zur Folge, dass für diesen Aufgabenbereich ein Informationsrecht des Gemeinde-/Stadtrats beziehungsweise Kreistags nicht besteht. In der kommunalen Praxis treten jedoch immer wieder Überschneidungen zwischen eigenem und übertragenem Wirkungskreis auf, welche den Aufgabenbereich des Gemeinde-/Stadtrats und des Kreistags tangieren. Dies betrifft insbesondere Vorhaben, die große Bedeutung für die Stadt- und Regionalentwicklung sowie die kommunalen Einrichtungen haben und damit in den Verantwortungsbereich des Gemeinde-/ Stadtrats beziehungsweise des Kreistags fallen. Ich frage die Landesregierung: 1. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass ein Bürgermeister beziehungsweise Landrat, dem Gemeinde -/Stadtrat beziehungsweise dem Kreistag die Mitteilung von Informationen zu einer geplanten Unterbringung von Flüchtlingen in einer Liegenschaft der Kommune, mit der Begründung, es handele sich bei der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen um eine Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises, verweigern kann, obwohl diese Informationen große Bedeutung für die Stadt- und Regionalentwicklung und die kommunalen Einrichtungen haben? 2. Welche Möglichkeiten bestehen für den Gemeinde-/Stadtrat beziehungsweise den Kreistag sein Informationsrecht durchzusetzen, sofern die in Frage 1 skizzierte Informationsverweigerung als unzulässig eingeschätzt wird? 3. Bestehen nach Einschätzung der Landesregierung grundsätzlich Konstellationen, in denen Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises eine so große Bedeutung für den eigenen Wirkungskreis haben, dass ein Bürgermeister beziehungsweise ein Landrat der kommunalen Volksvertretung auf Verlangen berichten muss? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 25. Februar 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Nach der Thüringer Kommunalordnung stehen die Aufgabenkreise der beiden Gemeindeorgane Gemeinderat und Bürgermeister nebeneinander. Wie dem Wortlaut des § 22 Abs. 3 ThürKO zu entnehmen ist, be- K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Zippel (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1814 schränkt sich die Überwachungsbefugnis des Gemeinderats als Kollegialorgan auf die Ausführung seiner Beschlüsse. Der Gemeinderat hat keine Überwachungsbefugnisse hinsichtlich der durch § 29 ThürKO dem Bürgermeister zur Erledigung in eigener Zuständigkeit zugewiesenen laufenden Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises und Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises. Entsprechendes gilt gemäß den §§ 101 Abs. 3 und 107 ThürKO für die Kreisorgane. Nach § 4 Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz (ThürFlüAG) führen die Landkreise, kreisfreien Städte und im Falle des § 2 Abs. 3 Satz 4 ThürFlüAG die kreisangehörigen Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften die Aufgaben nach diesem Gesetz - die Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern und anderen Flüchtlingen - als Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis durch. Demzufolge bestehen grundsätzlich keine Informationsrechte der jeweiligen kommunalen Vertretungen und damit korrespondierende Informationspflichten der Bürgermeister und Landräte. Im Einzelfall kann jedoch die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen spezifische Auswirkungen auf die ortsbezogene Erledigung von Aufgaben des eigenen Wirkungskreises von Gemeinden und Landkreisen haben. Dann ist jeweils einzelfallbezogen zu bewerten, ob die jeweilige kommunale Vertretung eine Befassungskompetenz und damit einhergehende Informationsrechte besitzt. Zu 2.: Ist ein Gemeinde-/Stadtrat bzw. Kreistag der Auffassung, ein Bürgermeister bzw. Landrat verweigere ihm gegenüber zu Unrecht Informationen, zu deren Erteilung der Bürgermeister bzw. Landrat aufgrund kommunalrechtlicher Bestimmungen verpflichtet ist, kann der Gemeinde-/Stadtrat bzw. Kreistag dieses Informationsrecht in einem Kommunalverfassungsstreitverfahren (Organstreit) vor dem Verwaltungsgericht geltend machen. Zu 3.: Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Dr. Poppenhäger Minister