11.03.2016 Drucksache 6/1888Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 30. März 2016 Elektronische Aufenthaltsüberwachung in Thüringen - Teil II Die Kleine Anfrage 816 vom 27. Januar 2016 hat folgenden Wortlaut: Nach Kenntnis des Fragestellers wird seit dem Jahr 2011 die Elektronische Aufenthaltsüberwachung, auch elektronische Fußfessel genannt, zur Überwachung entlassener Sexualstraftäter eingesetzt. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie entwickelten sich die Fallzahlen für die Elektronische Aufenthaltsüberwachung in Thüringen seit deren Einführung (bitte einzeln aufgliedern nach anordnender Behörde, Überwachungsgrund und -zeitraum)? 2. Wie bewertet die Landesregierung diese Entwicklung? 3. Wie wird der Einsatz der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung innerhalb der Thüringer Behörden organisiert (zum Beispiel Anlegen der "Fußfessel"; Datenerhebung, -speicherung und -weitergabe; Wartung ; Maßnahmen bei Alarm beziehungsweise Fehlalarm und so weiter)? 4. Welche Aufgaben kommen hierbei der Justiz und welche der Polizei zu? 5. Wie viele Einsatzstunden fielen bei der Thüringer Polizei im Zusammenhang mit der Anwendung der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung seit deren Einführung an? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 8. März 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1: In der Zuständigkeit der Thüringer Führungsaufsichtsstellen wurden bislang zehn Fälle der Elektronischen Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 Strafgesetzbuch (StGB) bearbeitet. Der Überwachungsgrund lag jeweils in der Erfüllung der Voraussetzungen des § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 in Verbindung mit § 68b Abs. 1 Satz 3 StGB. K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Walk (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1888 Die Anlasstaten werden in der nachfolgenden tabellarischen Aufstellung benannt: lfd. Nr. Anordnendes Gericht Anlasstat(en) Dauer/Beginn der EAÜ nach Jahren/Monaten Bemerkungen 1 Landgericht Hagen sexuelle Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung 2 Jahre EAÜ beendet 2 Amtsgericht Arnstadt u. a. sexueller Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexueller Nötigung Beginn im September 2012 Führungsaufsicht während des Vollzugs der Weisung nach Niedersachsen abgegeben 3 Landgericht Regensburg schwerer sexueller Missbrauch von Kindern 2 Jahre 7 Monate EAÜ beendet 4 Landgericht Erfurt u. a. sexueller Missbrauch von Kindern und schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, jeweils in Tateinheit mit sexueller Nötigung 1 Jahr 11 Monate EAÜ beendet 5 Landgericht Meiningen u. a. mehrfacher schwerer sexueller Missbrauch von Kindern 1 Jahr 11 Monate EAÜ beendet 6 Amtsgericht Arnstadt u. a. mehrfacher sexueller Missbrauch von Kindern 11 Monate EAÜ beendet 7 Landgericht Erfurt u. a. sexuelle Nötigung , Vergewaltigung 1 Jahr 10 Monate EAÜ beendet 8 Landgericht Erfurt u. a. Vergewaltigung in Tateinheit mit räuberischer Erpressung Beginn im Januar 2015 Führungsaufsicht während des Vollzugs der Weisung nach Nordrhein -Westfalen abgegeben 9 Landgericht Regensburg Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge Beginn im März 2015 EAÜ dauert an 10 Landgericht Erfurt u. a. Vergewaltigung Beginn im Dezember 2015 EAÜ dauert an Die erste Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB wurde in Thüringen ab Juni 2012 vollzogen. Die Anzahl der zeitgleich bei Thüringer Führungsaufsichtsstellen beaufsichtigten EAÜ-Weisungen lag seit August 2012 zwischen zwei und sechs Fällen. Für Februar 2016 sind zwei Fälle erfasst. Die Fallzahl war zuletzt rückläufig. Nach Auskunft der gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder (GÜL) mit Sitz in Bad Vilbel waren bundesweit zu den Stichtagen 24. März 2015 und 25. Februar 2016 jeweils 73 Fälle der EAÜ registriert, wobei der Vollzug der Weisung in 17 (2015) bzw. 23 (2016) Fällen durch Untersuchungshaft oder aus anderen Gründen unterbrochen war. Zu 2.: Die Zahl der bundesweit erfassten Fälle ist zunächst seit Einführung der entsprechenden Vorschrift mit Wirkung vom 1. Januar 2011 kontinuierlich gestiegen, zuletzt aber konstant geblieben. Die relativ geringe Fallzahl zeigt den Ausnahmecharakter dieser Weisung. Der Thüringer Anteil an den bundesweit vollzogenen Weisungen (zwei von 50) ist verglichen mit der Bevölkerungszahl nach wie vor überproportional. Die Fallzahl in Thüringen ist aus Sicht der Landesregierung 3 Drucksache 6/1888Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode jedoch zu gering, um aus ihrem Steigen oder Fallen auf eine bestimmte landestypische Entwicklung schließen zu können. Zu 3. und 4.: Eine Verwaltungsvereinbarung der Länder regelt den Betrieb eines Systems der EAÜ mit GPS durch das Land Hessen. Für die diesbezüglichen technischen Aufgaben nimmt Hessen die Dienste der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) in Anspruch. Diese wiederum bedient sich für Anlegen und Wartung der Überwachungstechnik sowie weitere Maßnahmen vor Ort eines privaten Dienstleisters. Der Vollzug von EAÜ-Weisungen wird für alle Länder durch die GÜL überwacht. Die Übertragung der entsprechenden Aufgaben auf die GÜL ist im Staatsvertrag über die Errichtung einer gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder (GVBl. 2012, S. 45) geregelt. Diesem Staatsvertrag ist auch Thüringen beigetreten . Bei der Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben handelt die GÜL im Auftrag der Aufsichtsstelle, der die Führungsaufsicht über die verurteilte Person obliegt. Die GÜL nimmt Systemmeldungen entgegen und bewertet diese im Hinblick auf einen möglichen Verstoß gegen Weisungen oder eine Beeinträchtigung der Datenerhebung. Anschließend ermittelt sie nach Möglichkeit die Ursache einer solchen Meldung. Die GÜL unterrichtet die Landeseinsatzzentrale der Thüringer Polizei als polizeiliche Kontaktstelle über einen möglichen Weisungsverstoß oder eine Beeinträchtigung der Datenerhebung, soweit eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter zu besorgen ist. Sie gibt die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Daten über den Aufenthaltsort der verurteilten Person an die Polizei weiter. Die polizeiliche Kontaktstelle veranlasst sodann die gegebenenfalls erforderlichen gefahrenabwehrenden Maßnahmen. Zudem informiert die GÜL die Führungsaufsichtsstelle und den Bewährungshelfer über einen möglichen Verstoß gegen eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 12 StGB (Gebotszonen, Verbotszonen , EAÜ). Die Führungsaufsichtsstelle entscheidet über die Stellung eines Strafantrags wegen eines strafbaren Weisungsverstoßes (§ 145a StGB). Vor Antragstellung hört die Führungsaufsichtsstelle den Bewährungshelfer (§ 68a Abs. 6 StGB). Zu 5.: Daten im Sinne der Fragestellung werden nicht erhoben. In Vertretung Dr. Albin Staatssekretärin