01.04.2016 Drucksache 6/1957Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 18. April 2016 Sprachliche Entwicklung von Kindern ab drei Jahren in Thüringen Die Kleine Anfrage 879 vom 12. Februar 2016 hat folgenden Wortlaut: Die Beherrschung der deutschen Sprache ist eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Bildungsbiographie . Zu Beginn der Grundschulzeit werden bei den Schulanfängern zunehmend enorme Defizite und Verzögerungen bei der Sprachentwicklung festgestellt. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie werden der Sprachstand und die Sprachentwicklung von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund in Thüringer Kindergärten erfasst? 2. Wie erfolgt die Erfassung und Förderung der Kinder, die keine Kindertageseinrichtung besuchen? 3. Welche Instrumente und Testverfahren werden dabei angewendet und welche Erfahrungen hat man mit diesen angewandten Methoden bisher gewonnen? 4. Bei wie viel Prozent der Kinder wurden im Jahr 2015 Defizite beziehungsweise ein konkreter Förderbedarf im Bereich Sprache festgestellt und wie hat sich dieser Anteil in den letzten zehn Jahren entwickelt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? 5. Welche vorschulischen Maßnahmen werden für Kinder mit Sprachauffälligkeiten bei der gezielten Vorbereitung auf die Schule ergriffen? 6. Welche Erfahrungen wurden mit Sprachheilkindergärten beziehungsweise Lese-Rechtschreib-Schwäche -Klassen in Thüringen gemacht? Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 31. März 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die pädagogischen Fachkräfte in den Thüringer Kindertageseinrichtungen beobachten und dokumentieren die Entwicklung der Kinder. Spezielle diagnostische Verfahren zur Sprachstandsfeststellung sind nicht vorgesehen und gehören nicht zu den Aufgaben der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung in Thüringer Kindertageseinrichtungen. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Tischner (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1957 Zu 2. bis 4.: Hierzu liegen der Landesregierung keine Informationen vor. Zu 5.: In Thüringen erfahren alle Kinder in Kindertageseinrichtungen gemäß Thüringer Bildungsplan alltagsintegrierte sprachliche Bildung. Unter alltagsintegrierter sprachlicher Bildung wird eine umfassende systematische Unterstützung und Begleitung der natürlichen Sprachentwicklung aller Kinder in allen Altersstufen verstanden , die über die gesamte Verweildauer der Kinder in der Kindertageseinrichtung das Handeln der pädagogischen Fachkräfte während der alltäglichen pädagogischen Arbeit bestimmt. Alltagsintegrierte sprachliche Bildung ist entwicklungs-, lebenswelt- und kompetenzorientiert. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie in bedeutungsvolles Handeln eingebettet und durch Beziehungsarbeit begleitet ist und in allen Situationen des Einrichtungsalltags ihre praktische Umsetzung findet. Sie schließt demnach sowohl alltägliche Routinesituationen (wie Mahlzeiten, Körperpflege, Komm- und Bringzeiten etc.) als auch geplante und freie Spiel- und Bildungssituationen innerhalb und außerhalb der Kindertageseinrichtung (wie Projekte, Ausflüge , gemeinsame Aktionen und Veranstaltungen etc.) ein und kann sich an die gesamte Kindergruppe, kleinere Gruppen oder ggf. einzelne Kinder richten. Zudem beteiligt sich Thüringen flächendeckend mit 88 Kindertageseinrichtungen am Bundesprogramm "Sprach-Kitas. Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist". Im Rahmen dieses Programms werden Einrichtungen durch eine zusätzliche halbe Fachkraft bei der Umsetzung alltagsintegrierter sprachlicher Bildung unterstützt und erhalten externe Fachberatung. Den Erzieherinnen und Erziehern der Kindertageseinrichtungen kommt eine wichtige Rolle bei der Früherkennung von Entwicklungsproblemen zu, da der Kindergartenalltag gute Möglichkeiten bietet, Kinder im Vergleich mit Gleichaltrigen zu beobachten. Dabei ist es wichtig, die Fachkräfte darin zu schulen, relevante Hinweise auf eine mögliche Entwicklungsproblematik zu erkennen und Eltern im Umgang mit einem entsprechenden Verdacht angemessen zu begleiten und zu beraten. Unterstützung bei diesen Aufgaben können die Kindertageseirichtungen über die Fachkräfte zur Förderung von Kindern mit erhöhtem Förderbedarf, die Netzwerke Frühe Hilfen und die Fachkräfte der Frühförderstellen erhalten. Schließlich kann die Entwicklung der Sprache und eventuelle Beeinträchtigungen bzw. Störungen nur im Zusammenhang mit der Gesamtentwicklung des Kindes verstanden werden. Im Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetz ist dazu festgelegt, dass die Gesamtentwicklung der Kinder altersgerecht und entwicklungsspezifisch durch entsprechende Bildungs- und Erziehungsangebote zu fördern ist. Ferner sind im Gesetz konkrete Angebote für Kinder, die einen besonderen Förderbedarf haben oder behindert bzw. von Behinderung bedroht sind, geregelt. Entsprechende Maßnahmen, Verfahrensabläufe und Zuständigkeiten werden in der Fachlichen Empfehlung zur gemeinsamen Förderung von Kindern ohne und mit (drohender) Behinderung sowie von Kindern mit besonderem Förderbedarf (§ 7 ThürKitaG) beschrieben. Eltern, deren Kind bei der Sprachentwicklung Defizite zeigt, wird empfohlen, dieses einer Fachkraft vorzustellen (Kinderarzt, HNO-Arzt, Sprachheilbeauftragten, Facharzt für Phoniatrie u. a.). Auf der Grundlage der Diagnostik zu Art und Grad der (sprachlichen) Entwicklungsstörung wird unter Einbeziehung der Eltern entschieden, ob das Kind eine Sprachförderung oder eine Sprachtherapie und/oder eine Frühförderleistung erhält, wie folgt: Maßnahme Gesetzliche Regelungen Ort der Erbringung Sprachförderung Kinder, die sprachlich auffällig sind, zum Beispiel aufgrund von Anregungsarmut und/oder infolge einer mehrsprachigen Entwicklung ThürKitaG, § 7 Abs. 4 In der Regel in Kindertageseinrichtungen Sprachtherapie/Logopädie Sprachgestörte Kinder, die keine andere Entwicklungsstörung aufweisen, erhalten in der Regel Sprachtherapie SGB V (Gesetzliche Krankenversicherung ), § 92 Therapeutische Praxis Frühförderung/Komplexleistung Kinder, die Frühförderung erhalten , haben aufgrund ihrer (drohenden ) Behinderung vielfältige Entwicklungsstörungen , nicht nur eine Sprachstörung SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe ), § 30 Ambulant in der Frühförderstelle und/oder mobil im Elternhaus und/ oder in der Kindertageseinrichtung 3 Drucksache 6/1957Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Der öffentliche Gesundheitsdienst führt im Rahmen der vorschulischen, der Schuleingangs- und der schulischen Untersuchungen (4. und 8. Klasse) des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes eine medizinische Sprachentwicklungsdiagnostik durch. Werden Sprachauffälligkeiten festgestellt, so wird den Eltern eine Vorstellung bei einem Facharzt bzw. einem Logopäden empfohlen. Zu 6.: Hierzu liegen keine Erfahrungen vor. In Thüringen gibt es keine speziellen Sprachheilkindergärten und LRS- Klassen. Dr. Klaubert Ministerin Sprachliche Entwicklung von Kindern ab drei Jahren in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2. bis 4.: Zu 5.: Zu 6.: