04.04.2016 Drucksache 6/1959Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 18. April 2016 Wegeunfähigkeitsbescheinigungen bei Arbeitslosengeld-II-Empfängern Die Kleine Anfrage 855 vom 4. Februar 2016 hat folgenden Wortlaut: Wenn ein Empfänger von Arbeitslosengeld II (ALG II) bei einem Krankheitsfall nicht zu seinem Termin im zuständigen Jobcenter vorsprechen kann, benötigt das Jobcenter eine sogenannte Wegeunfähigkeitsbescheinigung zusätzlich zum Krankenschein vom Arzt. Diese Wegeunfähigkeitsbescheinigung kann von jedem Vermittler im eigenen Ermessen angefordert werden, sodass die eigentliche Krankschreibung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ) nicht mehr ausreichend ist und dem betroffenen ALG-II-Empfänger ein Nachteil entstehen kann. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zur Praxis von Jobcentern im Krankheitsfall von ALG- II-Empfängern, eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von einem Vermittler für nicht ausreichend zu befinden? 2. Kann ein Vermittler in einem Jobcenter so eine Bewertung überhaupt durchführen? 3. Wird ein ALG-II-Empfänger infolgedessen gegenüber einem Arbeitnehmer, bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausreicht, schlechter gestellt? 4. Müssen die Mitarbeiter der Jobcenter in Thüringen auch ihrem Arbeitgeber zusätzlich zur Krankschreibung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) eine Wegeunfähigkeitsbescheinigung vorlegen? 5. Welche Intentionen werden mit einer derartigen Regelung verfolgt? 6. Sind seitens der Landesregierung Bestrebungen zur Novellierung des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch im Bundesrat zu erwarten? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 31. März 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Mit dem gesetzlich im Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) verankerten Grundsatz des Fördern und Forderns geht die gesetzliche Verpflichtung der Leistungsberechtigten einher, nach Aufforderung des Jobcenters persönlich zu Terminen im Jobcenter zu erscheinen. Kommen Leistungsberechtigte dieser Aufforderung nicht nach, stellt sich im Zusammenhang mit der Sanktionierung von Meldeversäumnissen nach § 32 SGB II die Frage, ob es einen wichtigen Grund für dieses Verhalten gibt. K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Gentele (fraktionslos) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1959 Grundsätzlich ist die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausreichend, um den gesetzlich geforderten Nachweis des wichtigen Grundes zu erbringen. Allerdings wurde bereits durch höchstrichterliches Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. November 2010 bestätigt, dass Arbeitsunfähigkeit nicht in jedem Einzelfall gleichbedeutend mit einer krankheitsbedingten Unfähigkeit ist, zu einem Meldetermin im Jobcenter zu erscheinen (B 4 AS 27/10 R, Rn 32). Es kann jedenfalls nach vorheriger Aufforderung von den Leistungsberechtigten daher auch ein ärztliches Attest für die Unmöglichkeit des Erscheinens zu einem Meldetermin verlangt werden. Seitens der Landesregierung ist es demzufolge nicht zu beanstanden, wenn die Jobcenter in der Praxis in begründeten Einzelfällen entsprechend verfahren. Zu 2.: Die oben genannten Grundsätze sind in den für die Jobcenter (gemeinsame Einrichtungen) bindenden Fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit zu § 32 SGB II verankert und finden daher Anwendung . In gleicher Weise verfahren auch die Jobcenter in Thüringen, die das SGB II als zugelassene kommunale Träger umsetzen. Die Mitarbeiter/-innen in den Jobcentern setzen den gesetzlichen Auftrag der Grundsicherung für Arbeitsuchende um und betreuen die SGB II-Leistungsberechtigten. Gerade die Mitarbeiter/-innen verfügen daher über spezifische Kenntnisse im Hinblick auf den betreuten Personenkreis. Sie können daher am besten einschätzen, ob im Einzelfall Umstände gegeben sind, die eine ergänzende ärztliche Beurteilung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Hinblick auf die tatsächliche Wahrnehmung eines Termins erforderlich erscheinen lassen. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn bereits mehrfach Termine unter wiederholter Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mit kurzer Laufzeit abgesagt worden sind, so dass bestehende Fragestellungen einer Klärung nicht zugeführt werden können. Zu 3.: Die dem Arbeitgeber vorzulegende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist im allgemeinen Arbeitsmarkt ein Nachweis dafür, dass der Arbeitnehmer gesundheitlich nicht in der Lage ist, eine Arbeitsleistung zu erbringen . Die Wegeunfähigkeitsbescheinigung ist dagegen ein sich aus dem Sozialrechtsverhältnis im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ergänzend angeforderter ärztlicher Beleg dafür, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen es dem Leistungsberechtigten unmöglich machen, einen (zeitlich begrenzten ) Termin im Jobcenter wahrzunehmen. Daher unterscheiden sich die den jeweiligen Bescheinigungen zugrunde liegenden Sachverhalte. Von einer Schlechterstellung kann daher nicht ausgegangen werden. Zu 4.: Nein, die Regelungen zwischen den Mitarbeiter/-innen der Jobcenter und deren Arbeitgebern, das heißt der Bundesagentur für Arbeit oder dem Landkreis beziehungsweise der kreisfreien Stadt sind arbeits- beziehungsweise dienstrechtlicher Natur. Mit der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit ist nachgewiesen, dass die Arbeitstätigkeit für einen bestimmten Zeitraum nicht ausgeübt werden kann. Zu 5.: Die Grundsicherung für Arbeitsuchende umfasst Leistungen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit und zur Sicherung des Lebensunterhalts. Im Rahmen der Umsetzung des gesetzlichen Auftrags ist die Wahrnehmung von Terminen und der persönliche Kontakt zu den Leistungsberechtigten unerlässlich. Die einzelfallbezogen angewandte Regelung zum gesonderten Nachweis der gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Hinblick auf eine Terminwahrnehmung dient der Sachverhaltsermittlung (§ 20 SGB X) und der Beurteilung sich daraus ergebender Rechtsfolgen. Zu 6.: Es ist seitens der Landesregierung nicht beabsichtigt, die spezifische Thematik des Umfangs des Nachweises von gesundheitlichen Beeinträchtigungen zum Gegenstand der Befassung des Bundesrats zu machen. Im Bundesratsverfahren hat sich die Landesregierung allerdings u. a. dafür eingesetzt, dass die Regelungen zur Sanktionierung von Leistungsberechtigten im Falle von Pflichtverletzungen oder Meldeversäumnissen im SGB II abgeschafft werden. Diesem Anliegen konnte sich die Mehrheit der Länder jedoch bedauerlicherweise nicht anschließen. In Vetretung Feierabend Staatssekretärin Wegeunfähigkeitsbescheinigungen bei Arbeitslosengeld-II-Empfängern Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: