08.04.2016 Drucksache 6/1982Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 26. April 2016 Antisemitische Überfälle, Leugnung des Holocaust und andere Straftaten im Jahr 2015 Die Kleine Anfrage 783 vom 13. Januar 2016 hat folgenden Wortlaut: Deutsche Rechtsextremisten verübten auch im Jahr 2015 antisemitische Straftaten, verschandelten jüdische Friedhöfe, schmierten antisemitische Parolen, bedrohten und überfielen jüdische Bürgerinnen und Bürger sowie jüdische Einrichtungen. Flankiert wird dies durch eine teilweise oder gänzliche Leugnung des Holocaust. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche antisemitischen Aktivitäten (Zusammenrottungen, Überfälle, Schmierereien, Pressedelikte, Leugnung des Holocaust und so weiter) sind der Landesregierung für das Jahr 2015 insgesamt in Thüringen bekannt geworden (bitte genaue Auflistung nach [Tat-]Ort, gegebenenfalls Bereich der Landespolizeiinspektion [LPI-Bereich], Datum, gegebenenfalls Kontext der Aktivitäten und Straftaten)? 2. Wie viele Tatverdächtige wurden wegen antisemitischer Delikte im Jahr 2015 festgenommen (bitte genaue Auflistung nach Tatvorwurf, Ort und Datum, auch vorläufige Festnahmen)? 3. Wie viele Ermittlungsverfahren beziehungsweise Gerichtsverfahren liefen wegen derartiger Delikte im Jahr 2015 (bitte genaue Auflistung nach Tatvorwurf beziehungsweise Tat, Datum, Ort, gegebenenfalls LPI-Bereich und gegebenenfalls Strafmaß)? 4. In wie vielen Fällen wurden die Ermittlungen aufgrund welcher Vorschrift eingestellt (bitte genaue Auflistung nach Tatvorwurf, Einstellungsvorschrift, Ort, gegebenenfalls LPI-Bereich und Datum)? 5. Wie viele Personen wurden 2015 insgesamt wegen antisemitischer Straftaten zu welchen Strafen verurteilt (bitte nach Datum, Straftat und Strafmaß aufschlüsseln)? 6. Wie viele Personen wurden im Jahr 2015 bei Überfällen mit antisemitischer oder zu vermutender antisemitischer Motivation leicht verletzt, schwer verletzt oder getötet (bitte aufschlüsseln nach Schwere, Datum und Ort, gegebenenfalls LPI-Bereich)? 7. Welcher materielle Schaden entstand nach Kenntnis der Landesregierung bei antisemitischen Straftaten im Jahr 2015 insgesamt? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten König (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1982 Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 7. April 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Insoweit wird für die einzelnen Quartale des Jahres 2015 zunächst verwiesen auf die Kleinen Anfragen - Nr. 320, beantwortet am 3. Juli 2015 (Drs. 6/853), - Nr. 376, beantwortet am 21. August 2015 (Drs. 6/952), - Nr. 617, beantwortet am 15. Dezember 2015 (Drs. 6/1521) und - Nr. 774, die zugleich mit der vorliegenden Kleinen Anfrage beantwortet wird. Unter Berücksichtigung von Korrekturen und Nachmeldungen sind der Thüringer Polizei im Jahr 2015 folgende zunächst als antisemitisch bewertete Straftaten bekannt geworden: Delikt Norm Anzahl LPI-Bereich Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen § 86a StGB 1 Erfurt 3 Gotha 1 Jena 2 Nordhausen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten § 126 StGB 1 Erfurt Volksverhetzung § 130 StGB 11 Erfurt 6 Gera 8 Gotha 17 Jena 4 Saalfeld 6 Suhl Beleidigung § 185 StGB 1 Gotha 1 Jena 1 Suhl Körperverletzung § 223 StGB 1 Saalfeld Gefährliche Körperverletzung § 224 StGB 1 Saalfeld Bedrohung § 241 StGB 1 Erfurt 1 Nordhausen Sachbeschädigung § 303 StGB 1 Erfurt 1 Suhl Gemeinschädliche Sachbeschädigung § 304 StGB 2 Gotha Zu 2.: Im Jahr 2015 wurden keine Personen wegen eines antisemitischen Deliktes festgenommen. Zu 3.: Rechtsextremistische/fremdenfeindliche Straftaten werden bei den Staatsanwaltschaften des Freistaates - quartalsweise - zahlenmäßig erfasst und statistisch ausgewertet. Antisemitische Straftaten werden nur insoweit gesondert erfasst, als die Anzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren, auch unterschieden nach Straftatengruppen, mitgeteilt wird. Bei den Staatsanwaltschaften Erfurt, Gera, Meiningen und Mühlhausen wurden im Jahr 2015 37 Ermittlungsverfahren wegen antisemitischer Bestrebungen eingeleitet und zwar 5 Verfahren nach § 86 oder § 86a StGB, 25 Verfahren nach § 130 oder § 131 StGB, 7 Verfahren wegen sonstiger Delikte (außer §§ 125, 125a, 211, 212, 223 ff., 306 ff., 340 StGB). 3 Drucksache 6/1982Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Die Einstufung einer Tat als antisemitisch durch die Staatsanwaltschaft muss wegen unterschiedlicher Erfassungskriterien und/oder des fortgeschrittenen Ermittlungsstandes nicht unbedingt mit der Bewertung durch die Polizei übereinstimmen. Zu 4. und 5.: Zahlenmaterial im Sinne der Fragestellungen steht nicht zur Verfügung, da bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten darüber keine Statistiken geführt werden. Die nachträgliche Feststellung dieser Zahlen würde angesichts des großen Aktenbestandes und der Möglichkeit, dass sich die rechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes sowohl im Ermittlungsverfahren als auch im Hauptverfahren ändert, zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Tätigkeit der Staatsanwaltschaften führen. Zu 6.: In zwei Fällen wurden insgesamt drei Personen leicht verletzt. Delikt Norm Anzahl LPI-Bereich Opfer Körperverletzung § 223 StGB 1 Saalfeld 2 Gefährliche Körperverletzung § 224 StGB 1 Saalfeld 1 Zu 7.: Im Zusammenhang mit den von der Polizei als antisemitisch eingestuften Straftaten wurde im Jahr 2015 ein materieller Schaden in Höhe von ca. 4.800 Euro bekannt. Lauinger Minister Antisemitische Überfälle, Leugnung des Holocaust und andere Straftaten im Jahr 2015 Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4. und 5.: Zu 6.: Zu 7.: