12.04.2016 Drucksache 6/1996Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 27. April 2016 Weisung von Ministerien zur Nichteinleitung und/oder Einstellung von Strafverfahren wegen Diebstahls gegen Asylbewerber? - nachgefragt Die Kleine Anfrage 915 vom 26. Februar 2016 hat folgenden Wortlaut: Insbesondere im Zusammenhang mit Medienberichten, wonach sich am 7. Oktober 2015 Polizei und Staatsanwaltschaft in Schleswig-Holstein darauf verständigt hätten, "Ersttäter bei einfachem Ladendiebstahl oder Sachbeschädigung nicht erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn die Identität des Flüchtlings nicht klar ist"1, stellen sich mehrere Fragen; der Regelung wurde zwar von der Generalstaatsanwaltschaft nicht zugestimmt , gleichwohl wurde dies der Polizei in Kiel erst verspätet mitgeteilt, sodass womöglich 20 Fälle unter die Regelung fielen. Zudem wird in der Antwort zu Frage 6 auf die Kleine Anfrage 545 (Drucksache 6/1351) angegeben, dass die Generalstaatsanwälte der Länder Thüringen, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern , Sachsen und Sachsen-Anhalt Hinweise "für die Prüfung eines Anfangsverdachts wegen illegaler Einreise bzw. des unerlaubten Aufenthalts nach § 95 Abs. 1, 5 AufenthG in Verbindung mit Artikel 31 Genfer Flüchtlingskonvention erarbeitet und abgestimmt" hätten. Ich frage die Landesregierung: 1. Gibt es in Thüringen Regelungen/Vereinbarungen oder Ähnliches zwischen den Strafverfolgungsbehörden (gegebenenfalls auch der Polizei), nach denen Flüchtlinge2 (zum Beispiel bei Bagatelldelikten) nicht erkennungsdienstlich behandelt werden? 2. Wenn ja: Seit wann existiert eine solche Regelung/Vereinbarung, bei welchen Tatverdächtigengruppen (zum Beispiel Flüchtlinge mit ungeklärter Identität) wird sie angewandt (bitte auch - beginnend ab dem 1. Januar 2015 - die Art und Fallzahl der Delikte nennen, die unter die Regelung/Vereinbarung fallen)? 3. Wenn nein: Ist solch eine Regelung/Vereinbarung geplant? Zu welchem Zeitpunkt soll sie gegebenenfalls in Kraft treten? 4. Was beinhalten die Hinweise für die Prüfung eines Anfangsverdachts wegen illegaler Einreise beziehungsweise unerlaubten Aufenthalts (siehe Einleitung)? 5. Welche rechtlichen oder sonstigen Konsequenzen für die Prüfung eines Anfangsverdachts wegen illegaler Einreise beziehungsweise unerlaubten Aufenthalts haben die Hinweise (siehe Einleitung)? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Brandner (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/1996 6. Wie beurteilt die Landesregierung die Hinweise (siehe Einleitung) im Kontext dessen, dass gemäß Artikel 31 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention die Straffreiheit für Flüchtlinge bei unrechtmäßiger Einreise oder unrechtmäßigem Aufenthalt nur für diejenigen gilt, die "unmittelbar aus einem Gebiet kommen , in dem ihr Leben oder ihre Freiheit" bedroht sind, während viele der nach Deutschland unerlaubt Eingereisten über sichere Drittstaaten gekommen sind und/oder aus Flüchtlingslagern in Staaten stammen , in denen keine Gefährdung für Leben oder Freiheit vorliegt? 7. Welche Informationen liegen der Landesregierung über Hinweise für die Prüfung eines Anfangsverdachts wegen illegaler Einreise beziehungsweise unerlaubten Aufenthalts (siehe Einleitung) vor, die von Generalstaatsanwälten anderer Bundesländer erarbeitet wurden? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 11. April 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: nein Zu 2.: Siehe Antwort zu Frage 1 Zu 3.: nein Zu 4.: Die in der Antwort zu Frage 6 der Kleinen Anfrage 545 (Drucksache 6/1351) angesprochenen "Hinweise für die Prüfung eines Anfangsverdachts wegen illegaler Einreise beziehungsweise des unerlaubten Aufenthalts nach § 95 Abs. 1 Nr. 3, Absatz 5 AufenthG in Verbindung mit Artikel 31 GFK ('Genfer Flüchtlingskonvention ')" lauten wie folgt: "Von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ist in der Regel mangels zureichender Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat gemäß § 152 Abs. 2 StPO abzusehen, wenn nach den vorliegenden Erkenntnissen , insbesondere der Abfrage sämtlicher technischer Informationsdateien der Polizeibehörden, folgende Voraussetzungen gegeben sind: - Herkunft aus einem Land, in dem das Leben des Flüchtlings im Sinne von Artikel 31 GFK bedroht ist (derzeit zum Beispiel in Syrien), - keine lückenhaften, widersprüchlichen oder unklaren Angaben bei einer Anhörung, - Einreise ohne längeren Aufenthalt in einem (sicheren) Drittstaat, - keine Anhaltspunkte für einen bereits längeren Aufenthalt in Deutschland, - keine Anhaltspunkte für gefälschte Personalpapiere, - keine Anhaltspunkte für Schleusung, - keine Anhaltspunkte für sonstige eigene Straftaten. Bereits eingeleitete Ermittlungsverfahren sind bei Vorliegen dieser Voraussetzungen nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellen." Diese "Hinweise" sind in Thüringen weder als Erlass noch als Rundverfügung an die Praxis gegeben worden. Zu 5.: Keine, vergleiche Antwort zu Frage 4 Zu 6.: Da in Thüringen eine Umsetzung der "Hinweise" nicht angeordnet wurde, sieht die Landesregierung von deren Beurteilung ab. 3 Drucksache 6/1996Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 7.: Die Thematik war Gegenstand der Erörterungen im Rahmen der Sitzung des Strafrechtsausschusses der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 19. bis 21. Oktober 2015 in Schleswig. Hierbei wurde bekannt, dass in einem Teil der anderen Länder von der jeweiligen Strafverfolgungspraxis Papiere erarbeitet wurden, die der Darstellung der für die Prüfung eines Anfangsverdachts relevanten Aspekte gewidmet sind. Ob und gegebenenfalls mit welcher Verbindlichkeit derartige Papiere an die Bediensteten der Strafverfolgungsbehörden kommuniziert wurden, ist der Landesregierung nicht im Einzelnen bekannt. Lauinger Minister Endnote: 1 Vergleiche http://www.n-tv.de/politik/Kieler-lnnenminister-betreibt-Medienschelte-article16893921.html. 2 Hier und im Folgenden wird der Begriff "Flüchtlinge" als Oberbegriff für Asylbewerber, anerkannte Asylberechtigte gemäß Artikel 16a Grundgesetz, Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention, subsidiär Schutzbedürftige, Ausländer, die unter ein Abschiebeverbot fallen sowie vollziehbar Ausreisepflichtige verwendet. Weisung von Ministerien zur Nichteinleitung und/oder Einstellung von Strafverfah-ren wegen Diebstahls gegen Asylbewerber? - nachgefragt Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Endnote: