14.04.2016 Drucksache 6/2021Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 28. April 2016 Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit in Thüringen, unterstützt durch die Bundesstiftung Aufarbeitung Die Kleine Anfrage 881 vom 10. Februar 2016 hat folgenden Wortlaut: Der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit kommt laut Koalitionsvertrag der Parteien DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein hoher Stellenwert zu. Unter anderem heißt es darin: "Wir vereinbarten deshalb engagierte, auf lange Sicht angelegte Projekte der politischen Bildung, in denen die Vergangenheit der DDR vielfältig und beispielhaft für die gesamte Bundesrepublik aufgearbeitet werden." Die DDR-Geschichte soll in Thüringen für alle Schulformen prüfungsrelevant werden. Demgegenüber war am 1. Februar 2016 im Freien Wort unter anderem zu lesen, dass das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport, geführt von Dr. Birgit Klaubert (DIE LINKE), nur ein geringes Interesse an der Aufarbeitung zeigt. So habe Thüringen von den Plakatausstellungen der Bundesstiftung Aufarbeitung - ein Angebot für Bildungseinrichtungen - im Jahr 2014 rund 100 Stück, im Jahr 2015 aber nur noch zehn Stück und im Jahr 2016 bislang noch gar kein Exemplar bestellt. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie schätzt die Landesregierung die Arbeit der Bundesstiftung Aufarbeitung im Allgemeinen und den Wert der genannten Plakatausstellungen im Besonderen für Thüringen ein? 2. Wie viele Exemplare der Plakatausstellungen der Bundesstiftung Aufarbeitung wurden im Jahr 2015 von der Landesregierung tatsächlich bestellt und welchen Einrichtungen wurden diese zur Verfügung gestellt beziehungsweise wo wurden diese ausgestellt? 3. Auf welche Weise können die Thüringer Schulen die Ausstellung nutzen und wie erklärt sich die Landesregierung , dass das Interesse im Jahr 2015 drastisch eingebrochen ist? 4. Wie viele Exemplare der Plakatausstellungen der Bundesstiftung Aufarbeitung sollen im Jahr 2016 von der Landesregierung angefordert werden und welchen Einrichtungen sollen sie gegebenenfalls zur Verfügung gestellt werden beziehungsweise wo sollen sie ausgestellt werden? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Wirkner (CDU) und A n t w o r t der Thüringer Staatskanzlei 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2021 5. Welche Kosten entstanden dem Freistaat Thüringen für die Plakatausstellungen der Bundesstiftung Aufarbeitung in den Jahren 2010 bis 2015 und welche Kosten werden für die Jahre 2016 und 2017 prognostiziert ? 6. Welche anderen beziehungsweise weiteren Angebote, die zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts in Bildungseinrichtungen dienen, nutzt die Landesregierung und in welchem Maße? 7. Ist vorgesehen, die Geschichte der DDR verbindlich im Stundenplan für alle Schulformen in Thüringen zu verankern? Wenn ja, wann wird dies umgesetzt und welche Schwerpunkte sollen bei der Aufarbeitung der DDR-Geschichte gesetzt werden? 8. Wird die Geschichte der DDR prüfungsrelevant für alle Schulformen in Thüringen, wie angekündigt? Wenn ja, wann wird dies umgesetzt und mit welchen Schwerpunkten? 9. Wie ist der Stand der Umsetzung der systematischen Verbesserung der Lehreraus- und -fortbildung zur deutschen Zeitgeschichte in Thüringen, wie es im Koalitionsvertrag festgehalten wurde? 10. Wie ist der Stand der Bündelung von Forschungspotenzialen zur Aufarbeitung von DDR-Geschichte an den Thüringer Hochschulen und der Stärkung der Zusammenarbeit von Thüringer Hochschulen mit zivilgesellschaftlichen Initiativen der Aufarbeitung der SED-Diktatur in der DDR, wie es im Koalitionsvertrag festgehalten wurde? Der Thüringer Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 12. April 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hat den gesetzlichen Auftrag, die umfassende Aufarbeitung der Ursachen, Geschichte und Folgen der Diktatur in SBZ und DDR zu befördern, den Prozess der Deutschen Einheit zu begleiten und an der Aufarbeitung von Diktaturen im internationalen Maßstab mitzuwirken . Dabei arbeitet die Stiftung mit zahlreichen Institutionen und Partnern im In- und Ausland zusammen . Die Stiftung Aufarbeitung hat sich seit ihrer Gründung im Jahre 1998 auch für die Thüringer Einrichtungen und zivilgesellschaftlichen Akteure der Aufarbeitung wie für die Thüringer Landesregierung zu einem wichtigen und anerkannten Partner der historisch-politischen, der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit entwickelt. Eine wirksame Form zur Vermittlung historisch-politischer Bildung sind die Plakatausstellungen der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Eigenverantwortlich nutzen das Thüringer Institut für Lehrplanentwicklung , Lehrerfortbildung und Medien (ThILLM), Thüringer Schulen, Institutionen der Aufarbeitung, zahlreiche kommunale und zivilgesellschaftliche Akteure diese Ausstellungsangebote. Zu 2.: Auf Grund der besonderen Bedeutung der sich im Jahr 2015 zum 25. Mal jährenden Wiedervereinigung Deutschlands hat das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport im Jahr 2014 die Ausstellung "Der Weg zur deutschen Einheit" der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und des Auswärtigen Amts in zehnfacher Ausfertigung (je 20 mehrfarbige Plakate im A 1-Format, einschließlich Alu-Klapprahmen und Klarsichtfläche) angekauft. Jeweils zwei dieser Ausstellungs-Sets wurden den fünf Thüringer Staatlichen Schulämtern mit der Maßgabe bereitgestellt, allen Schulen diese Wanderausstellung zur Nutzung anzubieten. Gymnasien und Regelschulen nutzten diese Wanderausstellung im Jahr 2015. Die Ausstellungs -Sets befinden sich in den Staatlichen Schulämtern und können weiterhin von allen Thüringer Schulen kostenlos ausgeliehen werden. Im Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport ist die Ausstellung "Der Weg zur deutschen Einheit" in der 3. Etage weiterhin öffentlich zugänglich. Zu 3.: Thüringer Schulen stehen zehn Ausstellungs-Sets der Exposition "Der Weg zur deutschen Einheit" nach Absprache mit dem jeweiligen Staatlichen Schulamt zur Verfügung. Ein rückläufiges Interesse von Thüringer Schulen bzw. Lehrkräften an dieser Ausstellung im Schuljahr 2015/2016 wurde dem Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport bisher durch die Staatlichen Schulämter nicht mitgeteilt. 3 Drucksache 6/2021Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 4.: Die aktuelle, ab dem 7. März 2016 lieferbare Ausstellung "Der Kalte Krieg. Ursachen – Geschichte – Folgen ", die das Berliner Kolleg Kalter Krieg gemeinsam mit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur erarbeitet haben, soll erneut vom Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport in zehnfacher Ausfertigung (je 22 DIN-A1-Plakate) angekauft werden. Auch diese zehn Ausstellungs-Sets sollen den fünf Staatlichen Schulämtern in Thüringen für das Schuljahr 2016/17 zur kostenlosen Nutzung durch alle Schulen für unterrichtsvertiefende Projekte zur Verfügung gestellt werden. Zu 5.: Im Haushaltsjahr 2014 wurden Landesmittel in Höhe von 14.467 Euro für den Erwerb der Ausstellung in zehnfacher Ausfertigung aufgewendet und 2015 Mittel in Höhe von 3.297 Euro für Honorare und Fahrtkosten von Referenten sowie für Fahrtkosten von Lehrkräften. Entsprechend diesen Angaben sind auch für die Haushaltsjahre 2016 und 2017 Mittel im Etat des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport vorgesehen. Zu 6.: Die Thüringer Landesregierung nutzt selbst keine Angebote, die der Aufarbeitung des DDR-Unrechts in Bildungseinrichtungen dienen. Sie unterstützt und fördert ein dichtes Angebot zur historisch-politischen Bildung im schulischen und außerschulischen Bereich. Sie fördert die Arbeit von Grenzlandmuseen, Gedenkstätten , Archiven, Geschichtsvereinen und Verbänden der Opfer der SED-Diktatur. Eine Form der Unterstützung kann auch in der Verbreitung und Vermittlung von an die Landesregierung herangetragenen Angeboten Dritter wie z.B. der Bundesstiftung für Aufarbeitung bestehen. Die Thüringer Bildungseinrichtungen und Gedenkstätten planen und gestalten ihre Programmangebote eigenverantwortlich. Zu 7.: Die Behandlung der DDR-Geschichte im Unterricht ist verbindlich verankert in den Thüringer Lehrplänen insbesondere von allgemein bildenden Schulen. Die Umsetzung dieser verbindlichen Vorgaben erfolgt durch die jeweilige Schule und die jeweiligen Fachkräfte vor Ort. Eine Schwerpunktsetzung von regionalen Themen bzw. die Fokussierung auf wirtschaftspolitische, sozialwissenschaftliche, kulturpolitische, konfliktzentrierte bzw. systemvergleichende Fragestellungen erfolgt eigenverantwortlich von der Fachlehrkraft auf der Grundlage des Lehrplans. Inwiefern und durch welche Instrumente diese Eigenverantwortung gestärkt und angeregt werden kann, ist Gegenstand der IMAG Aufarbeitung. Zu 8.: Derzeit laufen im Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport mit dem Blick auf das Schuljahr 2017/18 Vorbereitungen zur stärkeren Berücksichtigung von Themen der deutschen Zeitgeschichte nach 1945 und der Geschichte der deutschen Teilung bei Abschlussprüfungen in unterschiedlichen Schulformen. Fachdidaktische Schwerpunkte hierzu heute bereits festzulegen, ist verfrüht. Die weitere Beratung erfolgt auch in der IMAG Aufarbeitung. Zu 9.: Die Thüringer Hochschulen, Thüringer Studienseminare und das ThILLM ermöglichen eine hohe Qualität der Lehramtsstudiengänge und Lehreraus- und Fortbildung. Bereits aktuell bestehen zahlreiche fachwissenschaftliche und fachdidaktische Angebote, die in der ersten Phase der Lehrerbildung in Thüringen Handlungswissen zur SED-Diktatur an die angehenden Lehrerinnen und Lehrer vermitteln. Derzeit prüft die Landesregierung gemeinsam mit den maßgeblich für die erste Phase der Lehrerbildung in Thüringen zuständigen Universitäten, der Universität Erfurt und der Friedrich-Schiller-Universität Jena, welche Verbesserungen im Rahmen der vorhandenen rechtlichen Rahmenbedingungen erreicht werden können. Die in den Unterrichtsfächern Geschichte, Sozialkunde und Ethik tätigen Lehrkräfte erhalten fortlaufend aktuelle Fort- und Weiterbildungsangebote zur deutschen Zeitgeschichte durch die Thüringer Hochschulen sowie durch das Thüringer Institut für Lehrplanentwicklung, Lehrerfortbildung und Medien. Hierbei werden auch die Angebote der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Stiftung Ettersberg genutzt. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2021 Zu 10.: Seit den 1990er Jahren sind zahlreiche Forschungsaktivitäten an Thüringer Hochschulen zur SED-Diktatur durchgeführt worden, insbesondere an der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU Jena) und der Universität Erfurt. Zusätzlich zu laufenden Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet bereitet derzeit eine Steuerungsgruppe am Historischen Institut der FSU Jena ein Graduiertenkolleg vor, das sich der Erforschung europäischer Diktaturen im Zeitraum zwischen 1945 und 1989/1990 widmet. Durch Kooperation mit bestehenden Einrichtungen an der FSU Jena, aber auch hochschulübergreifend erfolgt eine Bündelung und Fokussierung relevanter Forschungsressourcen. Das in Aussicht genommene Graduiertenkolleg soll mit seiner interdisziplinären Ausrichtung eine vergleichende Analyse und Einordnung der Herrschaftsmechanismen der SED-Diktatur leisten. Das Graduiertenkolleg wird in Zusammenarbeit von FSU Jena und der Stiftung Ettersberg eingerichtet. Es ist vorgesehen, dass das Graduiertenkolleg im Herbst 2016 seine Arbeit aufnehmen wird. Im Kontext des Graduiertenkollegs wird eine noch intensivere Zusammenarbeit mit zivil-gesellschaftlichen Akteuren angestrebt. Darüber hinaus werden die bereits vorhandenen Kooperationen von Hochschulen und zivilgesellschaftlichen Gruppen auf dem Gebiet der Aufarbeitung der SED-Diktatur weiterentwickelt. Prof. Dr. Hoff Minister Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit in Thüringen, unterstützt durch die Bundes-stiftung Aufarbeitung Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: