19.04.2016 Drucksache 6/2058Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 3. Mai 2016 Betreuung anstatt Unterricht an der Staatlichen Regelschule "Friedrich Schiller" Rudolstadt Die Kleine Anfrage 935 vom 9. März 2016 hat folgenden Wortlaut: Laut eines Berichts von Eltern, deren Kinder an der Staatlichen Regelschule "Friedrich Schiller" in Rudolstadt unterrichtet werden, ist dort eine Fachlehrerin für Deutsch und Ethik erkrankt. Nach Aussage der Schule selbst hat die schulbezogene Jugendsozialarbeiterin in einigen Stunden projektbezogen mit den Schülern der Klassenstufe 5 am Programm "Lions Quest - Erwachsen werden" gearbeitet. Die Schule betont, die schulbezogene Jugendsozialarbeiterin habe nicht unterrichtet, sondern die Schüler betreut. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Stunden sind an der Staatlichen Regelschule "Friedrich Schiller" in Rudolstadt seit dem Jahr 2010 ausgefallen oder wurden fachfremd vertreten (bitte nach Jahresscheiben und Fächern aufteilen und jeweils den Anteil an zu erteilender Gesamtstundenzahl angeben)? 2. Welche Rechtsqualität haben Stunden, in denen Schüler betreut und nicht unterrichtet werden? Handelt es sich dabei um ersatzlosen Ausfall der Stunden oder um fachfremde Vertretung? 3. Besteht die Pflicht der Teilnahme an der Betreuung durch die Schüler? 4. Nach welchen Maßgaben werden Inhalte ausgewählt, an denen während der Betreuung gearbeitet wird? 5. Nach welchen Maßgaben wird ausgewählt, wer eine solche Betreuung durchführt? 6. Inwieweit und durch wen findet eine Überprüfung dieser Inhalte statt? 7. Wie beurteilt die Landesregierung, dass eine Hospitation durch die Eltern während der Betreuung mit dem Hinweis auf § 31 Thüringer Schulgesetz nicht gestattet wurde, da die schulbezogene Jugendsozialarbeiterin , die die Betreuung durchführt, keine Lehrerin ist? 8. Welche Möglichkeiten der Hospitation für Eltern sieht die Landesregierung bei der Betreuung durch beispielsweise Jugendsozialarbeiter? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Herold (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2058 Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 18. April 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Erhebung der Unterrichtsabsicherung erfolgt in Thüringen in drei Stichwochen verteilt über das Schuljahr , die den Schulen im Vorfeld nicht bekannt sind. Diese Vorgehensweise wurde gewählt, um benötigte Informationen als Steuerungswissen mit vertretbarem Aufwand und einen repräsentativen Überblick über den Unterrichtsausfall und dessen Gründe zu erhalten. Der erteilte Unterricht wird in den Klassenbüchern und in den Vertretungsplänen dokumentiert. Für die Statistik müssen diese Informationen zusammengetragen werden, was je nach Schulgröße ein beträchtlicher Aufwand ist. Aus diesem Grund wird von einer Vollerhebung über das gesamte Schuljahr schon seit jeher abgesehen. Eine Aufschlüsselung des Anteils nach Fächern ist nicht möglich, da durch die Flexibilisierungsmöglichkeiten der Stundentafeln eine Berechnung der Sollstunden für jedes Fach durch die Statistikstelle nicht möglich ist. Die nachfolgende Übersicht enthält den ersatzlosen Ausfall und fachfremde Vertretungen von Unterricht an der Staatlichen Regelschule "Friedrich Schiller" Rudolstadt in den Jahren 2010 bis 2016 insgesamt in den jeweils drei Stichwochen: Jahr Erhebung Sollstunden Ausfall Fachfremd vertreten Stunden Prozent Stunden Prozent 2010/2011 Unterrichtserfüllung Schuljahresbeginn 579,75 6 1 16 2,8 2010/2011 Unterrichtserfüllung Herbst 579,75 1 0,2 7 1,2 2010/2011 Unterrichtserfüllung Frühjahr 579,75 5 0,9 17 2,9 2011/2012 Unterrichtserfüllung Schuljahresbeginn 598,49 2 0,3 13 2,2 2011/2012 Unterrichtserfüllung Herbst 598,49 3 0,5 25 4,2 2011/2012 Unterrichtserfüllung Frühjahr 598,49 12 2 24 4 2012/2013 Unterrichtserfüllung Schuljahresbeginn 638,3 7 1,1 11 1,7 2012/2013 Unterrichtserfüllung Herbst 638,3 2 0,3 3 0,5 2012/2013 Unterrichtserfüllung Frühjahr 638,3 28 4,4 18 2,8 2013/2014 Unterrichtserfüllung Schuljahresbeginn 615,36 12 2 17 2,8 2013/1204 Unterrichtserfüllung Herbst 615,36 2 0,3 4 0,7 2013/1204 Unterrichtserfüllung Frühjahr 615,36 6 1 6 1 2014/2015 Unterrichtserfüllung Schuljahresbeginn 580,26 10 1,7 10 1,7 2014/2015 Unterrichtserfüllung Herbst 580,26 11 1,9 31 5,3 2014/2015 Unterrichtserfüllung Frühjahr 580,26 13 2,2 21 3,6 2015/2016 Unterrichtserfüllung Schuljahresbeginn 582,38 5 0,9 20 3,4 2015/2016 Unterrichtserfüllung Herbst 582,38 10 1,7 22 3,8 Zu 2.: Die Anfrage bezieht sich auf insgesamt drei Unterrichtsstunden, in denen die Jugendsozialarbeiterin allein ohne eine Lehrkraft in dieser Klasse projektbezogen zu Schwerpunktthemen des Programms "Lions Quest" in enger Abstimmung mit der Klassenlehrerin gearbeitet hat. Alle anderen für dieses Programm genutzten Unterrichtsstunden wurden und werden im Tandem von Klassenlehrerin und Jugendsozialarbeiterin durchgeführt. Bei diesen für das Programm "Lions Quest" genutzten Unterrichtsstunden handelt es sich im Sinne der Thüringer Lehrpläne um fächerübergreifendes Arbeiten zum Erwerb von Sozial- und Selbstkompetenzen in Form von fächerintegrierendem Unterricht, das heißt, Fächerstrukturen (hier Deutsch und Ethik) werden (zeitweilig) aufgehoben. Die Öffnung von Unterricht für Maßnahmen der schulbezogenen Jugendsozialarbeit erfolgt gemäß der fachlichen Empfehlungen schulbezogene Jugendsozialarbeit vom 8. Dezember 2014. Zu 3.: Ja, es handelt sich hier (siehe auch Antwort zu Frage 2) nicht um Betreuung, sondern um eine Form von fächerintegrierendem Unterricht. 3 Drucksache 6/2058Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 4.: Es handelt sich hier (siehe auch Antwort zu Frage 2) nicht um Betreuung, sondern um eine Form von fächerintegrierendem Unterricht. Die Inhalte gestaltet die Schule eigenverantwortlich. Im Rahmen der schulinternen Lehr- und Lernplanung, die die Besonderheiten der Schüler, der Lehrer sowie des Standortes und die konkreten Kooperationen mit außerschulischen Partnern angemessen berücksichtigt, ist das Programm "Lions Quest" ein an dieser Schule abgestimmter inhaltlicher Schwerpunkt seit dem Schuljahr 2014/2015. Aufgrund der positiven Wirkungen wird dieses Programm im Schuljahr 2015/2016 im Umfang einer Wochenstunde fortgesetzt. Zu 5.: Es handelt sich hier (siehe auch Antwort zu Frage 2) nicht um Betreuung, sondern um eine Form von fächerintegrierendem Unterricht. Der Schulleiter leitet den Einsatz in der Schule und setzt den Stundenplan fest. Der Unterricht kann vom Schulleiter fächerübergreifend, klassenübergreifend, klassenstufenübergreifend und zeitweise kursübergreifend eingerichtet werden. Er entscheidet, gegebenenfalls mit anderen Partnern, über Veranstaltungen nicht zur Schule gehöriger Personen in der Schule im Rahmen des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schule. Zu 6.: Grundlage der Maßnahme ist ein Rahmenkonzept für die Umsetzung schulbezogener Jugendsozialarbeit im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt von 2013 bis 2016, welches vom Jugendhilfeausschuss des Landkreises beschlossen wurde. Eine Kooperationsvereinbarung auf Basis des Schulentwicklungskonzepts der Schule enthält Festlegungen hinsichtlich der Ziel-, Aufgaben- und Verantwortungsbeschreibung zwischen der Schule und dem Leistungserbringer. Regelmäßige Gesprächstermine zwischen Jugendsozialarbeiterin und Schulleitung sowie Klassen- bzw. Beratungslehrer sichern die Erfüllung der fachlichen und persönlichen Anforderungen an die Jugendsozialarbeiterin sowie die Koordination zur Umsetzung der Konzeptionen . Die Schulaufsicht umfasst im Zusammenhang mit der schulbezogenen Jugendsozialarbeit auch die Erfüllung dieser Anforderungen. Zu 7.: Es handelt sich hier (siehe auch Antwort zu Frage 2) nicht um Betreuung, sondern um eine Form von fächerintegrierendem Unterricht. Die Ablehnung gemäß § 31 Abs. 6 Thüringer Schulgesetz war in diesem Fall begründet. Bei weiteren Ausführungen dazu könnten Rückschlüsse auf Einzelpersonen gezogen werden, die aus Datenschutzgründen nicht zulässig sind. Zu 8.: Die im § 31 Abs. 6 Thüringer Schulgesetz geregelte Möglichkeit der Eltern zum Besuch des Unterrichts ihres Kindes setzt die Zustimmung des jeweiligen Lehrers voraus. Im Rahmen des Programms "Lions Quest" oder bei anderen Maßnahmen der schulbezogenen Jugendsozialarbeit werden zum Teil individuelle Probleme zu allen Lebensfragen thematisiert, die sowohl innerhalb der Schule als auch im Umfeld des jungen Menschen ihre Ursache haben können. Es geht um die Unterstützung von Lerngruppen mit gruppenpädagogischen Methoden bei Problemlagen zwischen Schülerinnen und Schülern oder um die Beratung und Vermittlung bei Problemlagen zwischen den jungen Menschen und den im Schulkontext Tätigen. Daher muss die Anwesenheit von Eltern bzw. Sorgeberechtigten in Abstimmung mit dem jeweiligen Lehrer und dem Durchführenden der schulbezogenen Jugendsozialarbeit sehr sensibel geprüft werden. Dies ist stets im Einzelfall zu entscheiden. Dr. Klaubert Ministerin Betreuung anstatt Unterricht an der Staatlichen Regelschule "Friedrich Schiller" Rudolstadt Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: