20.04.2016 Drucksache 6/2068Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 4. Mai 2016 "Gleichstellung und Diversity" in der Leistungsvereinbarung des Landes mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena Die Kleine Anfrage 933 vom 9. März 2016 hat folgenden Wortlaut: In der Ziel- und Leistungsvereinbarung der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit dem Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft für die Jahre 2016 bis 2019 wird in den Vereinbarungen 7 und 8 auf die Themen "Gleichstellung und Diversity" und "Frauenanteil Professuren" eingegangen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie definiert die Landesregierung in diesem Zusammenhang den Begriff "Gendergerechtigkeit"? 2. Wie definiert die Landesregierung in diesem Zusammenhang den Begriff "Diversitystrategie"? 3. Wie definiert die Landesregierung "eine über die Gendergerechtigkeit hinausgehende ... Diversitystrategie "? 4. Durch welche Anwerbungsmethoden (in der Ziel- und Leistungsvereinbarung als "aktives Recruiting" bezeichnet ) soll der Frauenanteil erhöht werden? a) Werden überproportional viele Frauen beziehungsweise unterdurchschnittlich viele qualifizierte Männer angesprochen? b) Sieht die Landesregierung darin eine mögliche Verletzung des Zieles, Chancengleichheit anzustreben ? 5. Warum wird in Vereinbarung 8 ein Zielkorridor von 30 bis 50 Prozent Frauen angegeben, obwohl die Auszahlung des Leistungsbudgets an einen Frauenanteil von lediglich 25 Prozent gekoppelt ist? 6. Aus welchen Gründen hat die Landesregierung nicht darauf hingewirkt, dass in Vereinbarung 7 ein expliziter Aspekt zum Thema Familienfreundlichkeit eingefordert wird? Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 19. April 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Grundlage des Verständnisses von "Gendergerechtigkeit" bildet die grundgesetzliche Verankerung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen (Artikel 3 Abs. 2 Grundgesetz). Demnach fördert der Staat K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Muhsal (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2068 "die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin". Im Rahmen der hochschulischen Ausbildung und Arbeit bedeutet Gendergerechtigkeit , dass biologische und durch tradierte soziale Geschlechterrollenstereotypen bedingte Unterschiede in den Lebenswirklichkeiten von Frauen und Männern zu berücksichtigen sind. Im Falle einer festgestellten Benachteiligung eines Geschlechts sind kompensatorische Maßnahmen zugunsten gleicher Teilhabechancen beider Geschlechter zu ergreifen. Zu 2.: Den Anknüpfungspunkt für Diversitystrategien stellen das grundgesetzliche Diskriminierungsverbot, das eine Benachteiligung auf der Grundlage von Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben, religiöser oder politischer Anschauung und Behinderung ausdrücklich untersagt (Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz), sowie entsprechende Regelungen in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes dar. Im Rahmen der Umsetzung dieser (grund-)gesetzlichen Vorgaben soll an der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU Jena) eine Strategie erarbeitet werden, die Menschen unabhängig von ihren unterschiedlichen sozialen und sonstigen Merkmalen würdigt und Chancengleichheit gewährleistet. Ziel ist es, durch soziale Kategorienzugehörigkeit bedingte Unterschiede in den Lebenswirklichkeiten von Studierenden und Beschäftigten zu identifizieren und bei der Gestaltung der Zugangs-, Studien-, Qualifizierungs- und Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen, so dass allen gleiche Teilhabechancen eingeräumt werden. Gerade wissenschaftliches Arbeiten mit dem Ziel der Entwicklung innovativer Ergebnisse lebt von Kreativität, die durch die Zusammenarbeit von Menschen mit vielfältigen Erfahrungshintergründen begünstigt wird. Zu 3.: Wie aus den Antworten zu den Fragen 1 und 2 ersichtlich ist, geht das Konzept von "Diversity" über die Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern hinaus. Entsprechend berücksichtigt eine "Diversitystrategie" gegenüber einer Strategie zur Erreichung von "Gendergerechtigkeit" ein breiteres Spektrum an Verschiedenheitsmerkmalen. Zu 4.: In der Ziel- und Leistungsvereinbarung 2016 bis 2019 (ZLV) zwischen dem Thüringer Ministerium für Wirtschaft , Wissenschaft und Digitale Gesellschaft und der FSU Jena heißt es wörtlich: "Trotz eines deutlich niedrigeren Anteils von Bewerberinnen setzt sich die FSU zum Ziel, den Frauenanteil bei der Neubesetzung von Professuren zu erhöhen. Dazu wird weiterhin ein aktives Recruiting durchgeführt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass 30 bis 50 Prozent der zu besetzenden Professuren mit Frauen besetzt werden können." Mit einer aktiven Rekrutierung ist im Kontext der ZLV gemeint, dass seitens der FSU Jena frühzeitig das potenzielle Bewerberfeld nach geeigneten Kandidatinnen für zur Wiederbesetzung anstehende Professuren gesichtet wird. Geeignet erscheinende Kandidatinnen werden zudem ausdrücklich über die Ausschreibung informiert. Geeignete Bewerberinnen erhalten darüber hinaus umfassende Informationen zu den an der FSU Jena bestehenden familienfreundlichen Bedingungen und Angeboten. Da durch die Politik der aktiven Rekrutierung ein hoher Frauenanteil unter den Neuberufenen erreicht werden soll, richten sich die entsprechenden Maßnahmen ausschließlich an geeignete, das heißt in dem jeweiligen Fach wissenschaftlich herausragend qualifizierte Kandidatinnen. Übergeordnetes Ziel der aktiven Rekrutierung ist die Verbesserung der Chancengleichheit beim Zugang zur Professur. Die Landesregierung sieht darin keine Verletzung des Zieles, Chancengleichheit anzustreben. Zu 5.: In Vereinbarung 8 der ZLV ist ein Zielkorridor von 30 bis 50 Prozent für die Ernennung von Frauen bei der Neubesetzung von Professuren im Dreijahresschnitt vereinbart worden. Den maximalen Anteil des Leistungsbudgets erhält die FSU Jena dann, wenn dieser Zielkorridor erreicht wird. Wird der Zielkorridor in der Spanne zwischen 25 Prozent und 30 Prozent verfehlt, erfolgt eine anteilige Auszahlung des Leistungsbudgets . Erst bei Unterschreitung eines Frauenanteils von 25 Prozent unter den Neuernennungen entfällt die Prämierung gänzlich. Ziel dieser Vereinbarung ist es, die Bemühungen der FSU Jena zur Erhöhung des Professorinnenanteils auch dann (abgestuft) zu würdigen, wenn das Ziel nicht vollständig erreicht werden konnte. Bei der Würdigung der Zielzahlen können auch Sonderaspekte über die rechnerische Zielerreichung hinaus berücksichtigt werden, sofern die Universität begründete Sachverhalte, wie zum Beispiel die Bestenauslese, vorträgt. 3 Drucksache 6/2068Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Entsprechende Regelungen sind auch bei anderen Vereinbarungen mit der FSU Jena sowie in den Zielund Leistungsvereinbarungen mit den übrigen Thüringer Hochschulen getroffen worden. Zu 6.: Vereinbarung 7 sieht die Prämierung der Entwicklung und Umsetzung einer Diversitystrategie der FSU Jena vor. Wie aus der Antwort auf Frage 2 hervorgeht, verfolgt das Konzept der "Diversity" einen umfassenden Ansatz der Realisierung gleicher Teilhabechancen, der nicht allein auf einzelne Personengruppen, wie z.B. Mütter und/oder Väter mit Kindern unter 18 Jahren, abzielt. Das Abstellen nur auf das Merkmal "Familienfreundlichkeit " wäre daher hier nicht angebracht gewesen. Eine Diversitystrategie wird aber selbstverständlich auch die Lebenswirklichkeit von in Familien lebenden Studierenden und Beschäftigten zu berücksichtigen haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn die konkreten familiären Konstellationen, wie z.B. die Kindererziehung oder die Pflege chronisch kranker Familienangehöriger , eine gleichberechtigte Teilhabe erschweren. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass im Abschnitt 5.3 der ZLV die Entwicklung und Umsetzung familienfreundlicher Strukturen ausdrücklich als Ziel genannt und weiter untersetzt werden. In Vertretung Hoppe Staatssekretär "Gleichstellung und Diversity" in der Leistungsvereinbarung des Landes mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: