29.04.2016 Drucksache 6/2104Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 20. Mai 2016 Flüchtlingsversorgung bei den Tafeln in Thüringen Die Kleine Anfrage 894 vom 16. Februar 2016 hat folgenden Wortlaut: Von einem "Ansturm von Flüchtlingen bei der Saalfelder Tafel" berichtete im Januar die Ostthüringer Zeitung . Der Saalfelder Tafel e.V. stoße momentan an seine Grenzen. Die Gründe seien vielfältig: Ehrenamtliche Helfer werden weniger, die staatliche Unterstützung bleibe unzureichend und immer mehr Flüchtlinge müssten versorgt werden. Der Vorsitzende der Saalfelder Tafel e.V. hoffe auf eine verstärkte Mithilfe des Landes in Form einer Ehrenamtsförderung. Ich frage die Landesregierung: 1. Inwieweit unterstützt die Landesregierung die Arbeit der Tafeln? 2. Inwieweit wird insbesondere die Beschäftigung von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern der Tafeln durch die Landesregierung unterstützt? 3. Wie erfolgt nach Kenntnis der Landesregierung die Verteilung von Lebensmitteln durch die Tafeln in Thüringen an Bedürftige und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um einen Berechtigungsschein bei der Tafel zu erhalten? 4. Wie beurteilt die Landesregierung die Situation, dass die Inanspruchnahme der Tafeln vermehrt durch Flüchtlinge erfolgt? 5. Welche Unterschiede gibt es nach Kenntnis der Landesregierung bei den Voraussetzungen für den Erhalt eines Berechtigungsscheins bei den Thüringer Tafeln zwischen deutschen Beziehern und Flüchtlingen? 6. Inwieweit mussten nach Kenntnis der Landesregierung aufgrund der angespannten Lage bereits deutsche Bedürftige bei den Tafeln in Thüringen abgelehnt werden? 7. Wie beurteilt die Landesregierung die Situation, dass durch vermehrte Inanspruchnahme der Tafeln möglicherweise deutsche Bedürftige keine beziehungsweise weniger Unterstützung durch die Tafeln erhalten? 8. Inwieweit ist nach Einschätzung der Landesregierung mit einer Verschärfung der Situation aufgrund steigender Flüchtlingszahlen und eines vermehrten Familiennachzugs zu rechnen? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kowalleck (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2104 9. Welche Möglichkeiten der Unterstützung sieht die Landesregierung, um auf die aktuelle Entwicklung bei den Thüringer Tafeln zu reagieren? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 28. April 2016 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Tafelarbeit hat sich auch in Thüringen vielfältig entwickelt und ist regional sehr unterschiedlich ausgestaltet . Insgesamt 32 ortsgebundene Ausgabestellen werden durch weitere Ausgabestellen in Nachbarorten oder durch mobile Ausgabestandorte ergänzt. Darüber hinaus werden über (allerdings nicht überall realisierbare ) häusliche Bringedienste Personen erreicht, die aus gesundheitlichen Gründen die Ausgabestellen nicht aufsuchen können. Im Jahr 2014 konnten ausweislich der Angaben des Landesverbandes Thüringer Tafeln e.V. insgesamt circa 17.000 Personen an der Tafelausgabe teilnehmen. Nicht nur gespendete Lebensmittel sind über die Tafeln erhältlich. Auch Sozialkaufhäuser, spezielle Angebote für Kinder von so genannten "Kindertafeln" (z. B. in Gera, Mühlhausen, Suhl), warme Mittagstische oder Frühstücksangebote oder spezielle Angebote für ältere Menschen ergänzen das Angebot. Vor Ort sind die Tafeln Bestandteil des sozialen Netzes. Spendenaktionen von Schulen, Kindergärten, Autohäusern , öffentlichen Verwaltungen, Geldinstituten, örtlichen Service-Clubs und vielen anderen mehr helfen dabei, den Focus der öffentlichen und örtlichen Wahrnehmung auf die Bedürfnisse der Menschen zu richten, die von den Tafeln unterstützt werden. Zu 1.: Eine regelmäßige Förderung der Tafelarbeit in Thüringen ist nicht etabliert. Grundsätzlich aber ist eine Unterstützung beispielsweise des Landesverbandes der Thüringer Tafeln e.V. über die Thüringer Ehrenamtsstiftung möglich und auch bereits erfolgt. Ebenso ist eine Förderung aus Lottomitteln im Einzelfall nach Maßgabe des § 9 Abs. 3 Thüringer Glücksspielgesetz möglich und auch ausgereicht worden. Die regionale Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements erfolgt direkt vor Ort auf kommunaler Ebene. Auf die Beantwortung von Frage 9 (insbesondere Absatz 2) wird hingewiesen. Zu 2.: "Die Arbeit der Tafeln ist grundsätzlich ehrenamtlich. Sie kann - wenn möglich und notwendig - unterstützt werden durch unterschiedlich finanzierte und geförderte Mitarbeiter." - Grundsatz 2 der Tafelgrundsätze Spezielle Richtlinien oder Förderprogramme für die Tafelbeschäftigten gibt es nicht, es gelten dieselben Fördermöglichkeiten wie für andere Beschäftigte auch. Ob und inwieweit eine Unterstützung beispielsweise innerhalb des Landesprogramms "Öffentlich geförderte Beschäftigung und gemeinwohlorientierte Arbeit" in Betracht kommt, bedarf der individuellen Prüfung im Einzelfall. Förderung und Würdigung der ehrenamtlichen Mitarbeit ist über die Thüringer Ehrenamtsstiftung auf der Grundlage ihrer "Vergabegrundsätze zur Förderung des Ehrenamtes" bereits seit vielen Jahren etabliert. Zu 3.: Bei den Thüringer Tafeln erfolgt die Verteilung von Lebensmitteln in Form von Lebensmittelpaketen, deren Zusammenstellung in aller Regel von den anfragenden Personen mitbestimmt werden kann. Die Ermittlung der Bedürftigkeit/Tafelberechtigung orientiert sich an § 53 der Abgabenordnung unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten und wird von jeder Tafel individuell festgelegt. Auf die so genannten Tafelgrundsätze * sei an dieser Stelle ausdrücklich Bezug genommen. Soweit bekannt akzeptieren alle Thüringer Tafeln Leistungsbescheide nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, dem Wohngeldgesetz oder dem Bundesausbildungsförderungsgesetz sowie Rentenbescheide oder Lohnbescheinigungen in vergleichbarer Höhe. Zur Vereinfachung genügt einigen Tafeln ein von der Gemeinde ausgestellter Sozialpass (beispielsweise in Er- 3 Drucksache 6/2104Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode furt oder Gera) oder als Referenzgrenze gilt die gesetzlich festgelegte Pfändungsfreigrenze (beispielsweise Blankenhainer Tafel). Zur Vergabepraxis in Weimar hatte zuletzt die Thüringische Landeszeitung vom 24. Februar 2016 beispielhaft berichtet. Bei Befürchtungen oder konkreten Beschwerden, bei der Lebensmittelausgabe benachteiligt zu werden, reagieren die Tafeln dahin gehend, Systeme einzuführen, bei denen beispielsweise die Reihenfolge ausgelost wird oder Personen bestimmten Ausgabezeiten zugeteilt werden. Das ist aber nicht überall erforderlich , da sich nach Mitteilung des Landesverbandes der Thüringer Tafeln e.V. die Nachfragenden vor Ort verständnisvoll untereinander einigen. Zu 4.: "Die Tafeln helfen allen Menschen, die der Hilfe bedürfen." - Grundsatz 4 der Tafelgrundsätze Infolge der aktuellen Flüchtlingssituation kommen vermehrt auch geflüchtete Menschen zu den Tafelausgaben . Ihre Anspruchsberechtigung folgt aus der Leistungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz . Eine Tafelberechtigung ist - unabhängig von der Nationalität - grundsätzlich ausgeschlossen bei Personen mit Zugang zu einer Vollversorgung. Zu 5.: Der Unterschied folgt aus der Rechtsgrundlage nach dem Asylbewerberleistungsgesetz einerseits und den anderen in Frage 3 genannten Rechtsbereichen. Darüber hinaus gehende Unterschiede sind der Landesregierung nicht bekannt. Zu 6.: Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen wird auf die Beantwortung zu Frage 7 verwiesen. Zu 7.: Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Zu der Berichterstattung in den Medien teilt der Landesverband Thüringer Tafeln e.V. mit, Aufnahmestopps oder Wartelisten könnten lediglich vorübergehender Natur sein und sich auch nicht auf einzelne Personengruppen oder Nationalitäten beschränken. Darüber hinaus liegt es in der Natur der Tafelarbeit, dass nur verteilt werden kann, was gespendet wurde. Das Spendenvolumen ist Schwankungen unterworfen und allenfalls aus Erfahrungswerten kalkulierbar. Demgegenüber reduziert eine erhöhte Nachfrage das individuell mögliche Ausgabevolumen. Schließlich bleibt zu berücksichtigen, dass das Angebot der Tafeln das gesetzliche Regelleistungssystem ergänzt und damit ein zusätzliches Angebot darstellt für Bedarfe, die verfassungsrechtlich von Bund und Ländern in erster Linie über die Sozialgesetzgebung abzusichern sind. Zu 8.: Derzeit ist keine verlässliche Prognose darüber möglich, wie sich die Zugangssituation im Flüchtlingsbereich weiter entwickelt. Zudem bleibt abzuwarten, wie sich die zahlreichen Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingssituation auf nationaler und europäischer Ebene auswirken. Demzufolge lassen sich auch die Auswirkungen auf die Inanspruchnahme der Tafeln nicht einschätzen. Zu 9. Das Thüringer Sozialministerium steht in Kontakt mit dem Landesverband Thüringer Tafeln e.V. Vor allem die Logistik bei der Verteilung von Großspenden, die Sicherstellung von Lagerkapazitäten und die Gewinnung weiterer ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer sind als aktuelle Herausforderungen bekannt, für die Lösungsansätze gemeinsam erörtert und vermittelt werden können. Zudem sind im Thüringer Landeshaushalt 2016/2017 erstmals Haushaltsmittel in Höhe von 50.000 Euro für "Zuschüsse an Landesverbände im Sozialbereich" (Kapitel 08 20 Titel 684 02) eingestellt. Als Zuwendungsempfänger/-innen kommen nur Landesverbände in Betracht, die insbesondere von vorhande- 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2104 nen Förderprogrammen nicht erfasst werden, Querschnittsaufgaben für ihre Mitglieder erfüllen, überregional, das heißt thüringenweit agieren und eine qualifizierte (Beratungs-)Arbeit gewährleisten. Der Landesverband Thüringer Tafeln e.V. kommt hier grundsätzlich mit in Betracht. Der Kreis der Zuwendungsempfänger/-innen sowie Höhe und Inhalt der zuwendungsfähigen Ausgaben werden derzeit konkretisiert. Werner Ministerin Endnote: * http://www.tafel.de/die-tafeln/tafel-grundsaetze.html Flüchtlingsversorgung bei den Tafeln in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Vorbemerkung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9. Endnote: