02.05.2016 Drucksache 6/2107Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 23. Mai 2016 Gewerbesteuerrückforderungen durch kommunale Aufgabenträger der Wasserversor gung nachgefragt Die Kleine Anfrage 989 vom 23. März 2016 hat folgenden Wortlaut: Die Gewerbesteuerrückforderungen durch kommunale Aufgabenträger der Wasserversorgung waren bereits Gegenstand der Kleinen Anfrage 792, die die Landesregierung in Drucksache 6/1836 be antwortet hat. In der Antwort verweist die Landesregierung darauf, dass sie mit Verweis auf § 30 Abgaben ordnung (AO) keine Angaben dazu machen kann, welche kommunalen Aufgabenträger der Wasserversorgung Gewerbesteuerfestsetzungsbescheide in welcher Höhe erhalten und wel che dieser Aufgabenträger nunmehr in welcher Höhe Gewerbesteuerrückforderungen geltend gemacht haben. Sowohl die Gewerbesteuerfestsetzungsbeträge als auch mögliche Erstattungsbeträge sind Be standteil der Wirtschaftspläne, der Jahresrechnung und der Gebührenkalkulationen der be troffenen kommunalen Aufgabenträger . All diese Dokumente sind öffentlich zugänglich. Ge werbesteuerzahlungen beziehungsweise -rückerstattungen sind gebührenfähig, beeinflussen also unmit telbar die Höhe der Wassergebühren beziehungsweise -entgelte. Die kommunalen Aufgabenträger der Wasserversorgung sind im Regelfall Körperschaften des öffentlichen Rechts beziehungsweise kommunale Unternehmen in privatrechtlicher Form. Ich frage die Landesregierung: 1. Inwieweit gilt § 30 AO auch in den Fällen, in denen die entsprechenden Angaben in öffentlich zugänglichen Dokumenten, wie im Eingangstext beschrieben, enthalten sind? 2. In welcher Weise gilt § 30 AO auch uneingeschränkt für Körperschaften des öffentli chen Rechts beziehungsweise kommunale Unternehmen, unterliegen diese doch einer gesetzlichen demokratischen Kontrolle und Steuerung? Welche Bedeutung haben dabei die Aus nahmetatbestände nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO? 3. Welche Informationsrechte zu Gewerbesteuerzahlungen beziehungsweise -rückerstattungen haben Wassergebührenpflichtige gegenüber den kommunalen Aufgabenträgern der Wasser versorgung im Zusammenhang mit dem Einsichtsrecht in die Gebührenkalkulationen? Wie wird begründet, dass es derartige Informationsrechte möglicherweise nicht gibt? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kuschel (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Finanzministeriums 2 Thüringer Landtag 6. WahlperiodeDrucksache 6/2107 4. Welche Informationsrechte zu Gewerbesteuerzahlungen beziehungsweise -rückerstattungen haben Gemeinderäte , Verbandsräte beziehungsweise Aufsichtsräte gegenüber ihren kommunalen Aufga benträgern der Wasserversorgung im Rahmen ihrer Mandatsausübung? Wie wird be gründet, dass es derartige Informationsrechte möglicherweise nicht gibt? 5. Was spricht aus Sicht der Landesregierung dagegen, auf Grundlage von § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO durch gesetzliche Regelungen für kommunale Aufgabenträger der Wasser versorgung das sogenannte Steuergeheimnis aufzuheben? Welche gesetzgeberische Kompetenz kommt dabei dem Land zu? Das Thüringer Finanzministerium hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 2. Mai 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Dem Steuergeheimnis unterliegende Verhältnisse eines anderen dürfen einem Dritten trotz einer Veröffentlichung auch dann nicht offenbart werden, wenn sie dem Dritten nicht bekannt sind und sie trotz ihrer Veröffentlichung vom Dritten nicht jederzeit und ohne Schwierigkeiten (beispielsweise durch Recherche im Internet ) verschafft werden können. Sie sind dann nicht als bereits offenkundig anzusehen. So ist zum Beispiel gemäß § 25 Abs. 4 Thüringer Eigenbetriebsverordnung (ThürEBV) der Jahresabschluss an sieben Tagen öffentlich auszulegen. Nach Kenntnisstand der Landesregierung ist es außerhalb dieser Auslegungszeit nicht für jedermann jederzeit möglich, ohne Schwierigkeiten die im Jahresabschluss enthaltenen Zahlen und Informationen zu erlangen. Die aus dem Gewerbesteuermessbescheid unter Anwendung des Hebesatzes ermittelte Gewerbesteuer wird im Übrigen nicht vom Finanzamt, sondern von der jeweiligen hebeberechtigten Gemeinde festgesetzt und erhoben. Die Gemeinde unterliegt als Gewerbesteuerbehörde ebenfalls den oben genannten Grundsätzen des Steuergeheimnisses. Zu 2.: Das Steuergeheimnis erstreckt sich auf die gesamten persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Verhältnisse einer natürlichen oder juristischen Person. Eine Offenbarung der dem Steuergeheimnis unterliegenden Verhältnisse ist gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 5 Abgabenordnung zulässig, soweit für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. Eine Begriffsbestimmung für das zwingende öffentliche Interesse ist in der Abgabenordnung nicht enthalten. Es kann nach der Rechtsprechung angenommen werden, wenn im Fall des Unterbleibens der Auskunft die Gefahr besteht, dass schwere Nachteile für das allgemeine Wohl des Bundes, eines Landes oder einer anderen öffentlichrechtlichen Körperschaft eintreten. Eine Offenbarung kommt daher nur in Betracht, wenn es sich um den Schutz von gegenüber dem Steuergeheimnis als höherwertig anzusehenden Rechtsgütern handelt. § 30 Abs. 4 Nr. 5 Abgabenordnung enthält eine beispielhafte Aufzählung für Fälle, in denen ein zwingendes öffentliches Interesse zu bejahen ist. Aus der Gewichtigkeit der aufgezählten Beispielsfälle (Verfolgung von Verbrechen und vorsätzlichen schweren Vergehen gegen Leib und Leben, Verfolgung schwerer Wirtschaftsstraftaten und Erforderlichkeit der Offenbarung zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern) folgt, dass über sie hinaus nur in Ausnahmefällen von ähnlicher Gewichtung ein zwingendes öffentliches Interesse angenommen werden darf. Zu 3.: Gemäß § 13 Satz 6 Thüringer Kommunalabgabengesetz (ThürKAG) sind die Gebührenpflichtigen berechtigt , die Kosten- und Aufwandsrechnung einzusehen. Die Gebührenpflichtigen können sich demnach bei Einsichtnahme in die Gebührenkalkulation darüber informieren, in welcher Höhe der zuständige Wasserversorger mit Gewerbesteuerzahlungen oder auch Gewerbesteuerrückerstattungen innerhalb des jeweiligen Kalkulationszeitraums rechnet (bei Vorauskalkulationen) und in welcher Höhe Gewerbesteuer innerhalb eines bestimmten Kalkulationszeitraums angefallen ist beziehungsweisezurückerstattet wurde (bei Nachkalkulationen). 3 Drucksache 6/2107Thüringer Landtag 6. Wahlperiode Zu 4.: Zu Informationsrechten der Gemeinderats- und Kreistagsmitglieder wird auf die Antworten des Thüringer Innenministeriums zur Kleinen Anfrage 3859 (Drucksache 5/7760) verwiesen. Diese Ausführungen können entsprechend für Verbandsräte eines Zweckverbandes herangezogen werden. Informationsrechte der Mitglieder des Aufsichtsrates eines privatrechtlich kommunalen Unternehmens in einer Rechtsform des privaten Rechts, also insbesondere einer GmbH oder AG, richten sich nach dem für diese Unternehmen geltenden privatrechtlichen Gesellschaftsrecht sowie den konkreten Regelungen des einzelnen Gesellschaftsvertrages. Soweit nicht der Zugang zu Informationen speziell geregelt ist, haben Funktions-, Mandats- und Amtsträger , unabhängig von ihrer Stellung, Anspruch auf Informationszugang als "Jedermann" nach den Maßgaben des Thüringer Informationsfreiheitsgesetzes (ThürIFG). Im laufenden Verfahren wird nur nach dem anzuwendenden Verfahrensrecht Zugang zu Informationen gewährt. Außerhalb eines laufenden Verfahrens können dem Informationszugang nach dem Thüringer Informationsfreiheitsgesetz die in dem Gesetz genannten Ablehnungsgründe entgegenstehen. Insbesondere kommen hier über § 7 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b ThürIFG das Steuergeheimnis nach § 30 der Abgabenordnung, dessen entsprechende Anwendung durch § 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c ThürKAG angeordnet wird, sowie der Schutz privater Interessen nach § 9 Thür- IFG in Betracht. Zu 5.: Das Steuergeheimnis dient in bereichsspezifischem Sinne dem Schutz von personenbezogenen Daten. Es ist Gegenstück zu den umfassenden und weitreichenden Offenbarungs- und Mitwirkungspflichten, die den Steuerpflichtigen und anderen zur Mitwirkung verpflichteten Personen auferlegt sind. Bei der Schaffung einer gesetzlichen Norm zur Befugnis der Offenbarung vom Steuergeheimnis geschützter Verhältnisse ist jeweils eine Güterabwägung vorzunehmen. Die Frage, ob das Interesse an der Geheimhaltung, also der Schutz des Steuergeheimnisses oder ein anderes Interesse überwiegt, kann nur einheitlich für den Geltungsbereich der Abgabenordnung beantwortet werden. Bei § 30 Abgabenordnung handelt es sich um eine Regelung des steuerlichen Verfahrensrechts, für das der Bund das ihm nach Artikel 105 Abs. 2 in Verbindung mit Artikel 108 Abs. 5 Satz 2 Grundgesetz zustehende Gesetzgebungsrecht vollständig in Anspruch genommen hat. Eine Gesetzgebungsbefugnis der Länder besteht daher insoweit nicht mehr (Artikel 72 Abs. 1 Grundgesetz). Daher besteht keine Möglichkeit, durch Landesgesetz unter Berufung auf § 30 Abs. 4 Nr. 2 Abgabenordnung eine Durchbrechung des Steuergeheimnisses zu gestatten. Taubert Ministerin Gewerbesteuerrückforderungen durch kommunale Aufgabenträger der Wasserversorgung nachgefragt Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: