23.06.2016 Drucksache 6/2358Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 20. Juli 2016 Delegationsreise unter Leitung des Thüringer Ministers für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft vom 16. bis 20. Mai 2016 in den Iran Die Kleine Anfrage 1087 vom 4. Mai 2016 hat folgenden Wortlaut: Auf der Homepage der Industrie- und Handelskammer Ostthüringen zu Gera sowie der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen mbH wird derzeit für eine Delegationsreise unter Leitung von Minister Tiefensee in den Iran geworben, um unter der Schirmherrschaft des Ministers Wirtschaftskontakte zwischen iranischen und thüringischen Unternehmern zu knüpfen und zukünftige Zusammenarbeit zu forcieren. Das Programm (Stand: 8. April 2016) beinhaltet Gesprächstermine mit Vertretern der Wirtschaft, aber auch den Besuch zweier iranischer Ministerien. Die Delegation hat das Ansinnen, den iranischen Wirtschaftsmarkt nach offizieller Beendigung des Atomstreits für sich zu nutzen. Zugleich gibt es Meldungen über Besuche von Vertretern anderer Bundesländer (beispielsweise den des Niedersächsischen Ministerpräsidenten), die auch eine deutlich antiisraelische Haltung der potentiellen Gesprächspartner erwarten lassen könnten. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche konkreten Ziele verfolgt die Landesregierung mit der fünftägigen Wirtschaftsreise in den Iran? 2. Aus welchem Grund sieht die bisherige Planung der Delegationsreise auch politische Programmpunkte vor? Wer sind die geplanten Gesprächspartner vor Ort? 3. Welche Institution ist federführend für die Planung, Organisation und Durchführung der Delegationsreise zuständig? 4. Ist das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft über die kürzlich durchgeführten Raketenversuche der iranischen Regierung im Bilde? Wenn ja, wie bewertet die Landesregierung die antisemitischen Beschriftungen auf den Raketen? 5. Wie steht die Landesregierung, insbesondere der Thüringer Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft, zu den herrschenden politischen Verhältnissen im Iran bezüglich mangelnder freier Meinungsäußerung, der Einschränkung der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sowie praktizierter Folter? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dr. Voigt (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2358 6. Haben potenzielle wirtschaftliche Zusammenarbeiten mit dem Iran für die Landesregierung einen höheren Stellenwert als die politisch moralische Verantwortung gegenüber dem Staat Israel und der Tatsache diverser Verletzungen der Menschenrechte? 7. Insofern die Landesregierung über die Raketenversuche und die Verletzung von Menschenrechten durch den Iran unterrichtet ist, wie ist der Besuch der Landesregierung mit den in der Präambel des Koalitionsvertrags festgesetzten grundsätzlichen Zielstellung, wie zum Beispiel "Der Kampf gegen alte und neue Nazis, gegen Rassismus und Antisemitismus, muss entschlossen fortgesetzt werden." oder "Die Shoa mit sechs Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden …, sind ein einmaliges Verbrechen in der Menschheitsgeschichte , dessen Relativierung die Vertragspartner von keiner Seite hinnehmen werden. … Daraus erwächst auch für die Landesregierung eine besondere Verantwortung, die wir in konkretes Handeln umsetzen.", vereinbar? 8. Was plant die Landesregierung, um gegenüber den iranischen Gesprächspartnern auf die besondere Partnerschaft Israels mit Deutschland hinzuweisen? Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 22. Juni 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Nach der mit dem "Implementation Day" de facto einsetzenden Aufhebung der Internationalen Wirtschaftssanktionen gegen den Iran bestand das Ziel der Thüringer Delegationsreise in einer ersten Kontaktanbahnung zu iranischen Unternehmen und Hochschulen. Im Ergebnis konnten unter anderem erste Kontakte zu potentiellen iranischen Geschäftspartnern geknüpft, ein "Memorandum of Understanding" zwischen der Glatt Ingenieurtechnik GmbH aus Weimar und dem iranischen Gesundheitsministerium zur Modernisierung der iranischen Pharmaindustrie unterzeichnet und Kooperationsmöglichkeiten zwischen Thüringer und iranischen Hochschulen ausgelotet werden. Die Reise basierte nicht zuletzt auf dem Wunsch der Thüringer Wirtschaft und verband sich mit der Bitte um politische Flankierung. Sowohl die Bundesregierung als auch viele weitere Bundesländer haben bereits ähnliche Delegationsreisen durchgeführt oder planen entsprechende Aktivitäten. Zu 2.: In vielen Ländern, auch im Iran, ist eine politische Flankierung von Wirtschafts- und Wissenschaftskontakten erforderlich und wird protokollarisch erwartet. Die Koordinierung der politischen Termine erfolgte nach den üblichen protokollarischen Vorschriften und stets in enger Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt und den zuständigen Referaten der deutschen Botschaft in Teheran. Zu 3.: Die Reiseorganisation obliegt - im Auftrag und in enger Abstimmung mit dem Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft - dem Bereich "Thüringen International" der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen mbH (LEG). Die Organisation ergänzender oder darüber hinausgehender Programmpunkte des Ministers liegt direkt beim Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft. Zu 4.: Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft und die Thüringer Landesregierung insgesamt lehnen Antisemitismus jeglicher Art strikt ab und haben bzw. werden diese Position jederzeit gegenüber den iranischen Gesprächspartnern vertreten. Grundsätzlich bewegt sich die Delegationsreise im Rahmen der durch die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf den Iran vertretenen Positionen und Leitlinien. Die Bundesregierung unterstützt eine Öffnung der iranischen Gesellschaft, hat aber Antisemitismus und Menschenrechtsverletzungen mehrfach und entschieden verurteilt. Zu 5.: Die schwierige Menschenrechtslage im Iran muss thematisiert und Menschrechtsverletzungen müssen klar verurteilt werden. Die Landesregierung befürwortet hierzu einen Menschenrechtsdialog auf EU- bzw. nationaler Ebene. Im Iran gibt es nach Einschätzung vieler Beobachter gute Voraussetzungen für einen gesellschaftspolitischen Wandel durch Annäherung. Einer radikalen, orthodoxen Minderheit stehen dabei breite gemäßigte Bevölkerungsschichten gegenüber. Diesen Menschen helfen internationale Kontakte, eine Ver- 3 Drucksache 6/2358Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode besserung der wirtschaftlichen Situation und eine Öffnung zum Westen mehr als Abschottung. Selbst innerhalb der iranischen Regierung ist eine klare Trennung zwischen Befürwortern einer Öffnung und deren Gegnern erkennbar. Zu 6.: Nein - die Anerkennung des Existenzrechts Israels und die Verurteilung von Menschrechtsverletzungen jeder Art sind unverhandelbare Voraussetzung für dauerhaft gute Wirtschaftsbeziehungen zwischen Thüringen und dem Iran. Zu 7.: Die derzeitige Öffnung des Irans zum Westen sollte als Chance begriffen und genutzt werden, um einen Beitrag zu einem gesellschaftspolitischen Wandel zu leisten. Ein Widerspruch zu den Zielen des Koalitionsvertrags besteht nicht. Zu 8.: Die Landesregierung hat sich im Vorfeld und auch während der Reise wiederholt kritisch mit der Menschenrechtssituation im Land und dem Verhältnis des Iran zu Israel auseinandergesetzt und plant, dies selbst unter Inkaufnahme von politischen und wirtschaftlichen Restriktionen auch künftig zu tun. So hat die öffentlich geäußerte Kritik an einem "Holocaust-Karikaturenwettbewerb" an der Universität Isfahan zur Absage sämtlicher offizieller Termine für die Thüringer Delegation in Isfahan geführt. Die Landesregierung hält ihre Position unverändert aufrecht und wird Menschenrechtsverletzungen gegenüber der iranischen Seite auch weiterhin klar thematisieren. Siehe im Übrigen die Antworten zu den Fragen 4 und 5. Tiefensee Minister Delegationsreise unter Leitung des Thüringer Ministers für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft vom 16. bis 20. Mai 2016 in den Iran Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: