24.06.2016 Drucksache 6/2363Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 20. Juli 2016 Thüringer Geografie-Lehrbuch kontra Landwirtschaft? Die Kleine Anfrage 1096 vom 17. Mai 2016 hat folgenden Wortlaut: In einem Beitrag der Ostthüringer Zeitung, Lokalteil Saalfeld, vom 19. April 2016 kritisierte der Vorsitzende des Kreisbauernverbands Saalfeld-Rudolstadt, wie im Bereich Bildung mit dem Thema Landwirtschaft, beispielsweise in einem Lehrbuch für Schüler der Klassen 5 und 6 im Fach Geografie mit den Themen Massentierhaltung und Gülle, umgegangen wird. Ich frage die Landesregierung: 1. Welchen Stellenwert hat die Landwirtschaft in den Lehrplänen der Thüringer Schulen? In welchem Umfang erfolgt laut Lehrplänen die Wissensvermittlung zu welchen landwirtschaftlichen Themen in welchen Unterrichtsfächern? 2. Welche Werte sollen nach Ansicht der Landesregierung den Thüringer Schülern über die Landwirtschaft vermittelt werden? 3. Welche Maßnahmen werden von der Landesregierung ergriffen, um Kindern und Jugendlichen die Bedeutung der Landwirtschaft näher zu bringen? 4. Inwieweit unterstützt die Landesregierung die schriftlichen Aussagen und grafischen Darstellungen über die Landwirtschaft auf Seite 94/95 der ersten Ausgabe des neuen Lehrbuchs "Seydlitz/Diercke Geographie Thüringen 5/6" für Gymnasien? 5. Welche Bedeutung misst die Landesregierung der Wissensvermittlung über die einheimische thüringische Landwirtschaft zu? 6. Welche Beispiele aus der Thüringer Landwirtschaft sind aktuell in Thüringer Schulbüchern zu finden? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kowalleck (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2363 Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 23. Juni 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Eine Übersicht über landwirtschaftliche Themen in den Thüringer Lehrplänen (allgemein bildende Schulen) ist nachfolgend dargestellt: Lehrplan für die Grundschule Heimat- und Sachkunde Nutztiere • ausgewählte erkennen und benennen • ausgewählte beschreiben (Körpergliederung, Fortpflanzung, Ernährung) • Bedeutung für den Menschen erläutern • Maßnahmen verantwortungsvoller Haltung und Pflege beschreiben • Arten der Tierhaltung, Auswirkungen auf die Tiere beschreiben • Unterschiede zum Wildtier erkennen und beschreiben (Lebensweise, Aussehen , Lebensraum) Schulgarten Anbauen und Pflegen einheimischer Kulturpflanzen • nennen (Zier-, Heil-, Gewürz-, Feld- und Wildpflanzen) und ordnen (Bau und Funktion) • Wachstums- und Entwicklungsbedingungen untersuchen, gezielte Pflegemaßnahmen ableiten • für gesunde Ernährung auswählen • Weg vom Anbau bis zur Verarbeitung beschreiben und ausführen Lehrplan für den Erwerb des Hauptschul- und des Realschulabschlusses Mensch-Natur-Technik Nutzung, Haltung und Pflege von Pflanzen und Tieren • Nutzung durch den Menschen begründen • Maßnahmen artgerechter Haltung und Pflege ableiten, begründen, bewerten • Die Rolle des Menschen in der Natur • Eingriffe in die Natur bewerten Geografie Das wirtschaftliche Handeln im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie • ökologischen und konventionelle Land- und Forstwirtschaft beschreiben und vergleichen • sachgerechte Verwendung der fachspezifischen Begriffe Bioprodukte, Boden, Gewächshauskultur, landwirtschaftlicher Gunstraum, industrielle Tierhaltung Landwirtschaft und Ernährungssicherung • Formen landwirtschaftlicher Nutzung erläutern • Ursachen und Folgen nicht angepasster Nutzung beurteilen • alternative Nutzungs- und Schutzkonzepte erklären und begründen • landwirtschaftliche Produktion unter globalisierten Bedingungen erklären, Rolle der Nahrungsmittelkonzerne sowie -konsumenten diskutieren • sachgerechte Verwendung der fachspezifischen Begriffe Agrobusiness, agronomische Trocken- und Kältegrenze, Bewässerungsfeldbau, Brandrodung, Desertifikation, Fair Trade, Gentechnik, Grüne Revolution, Plantagenwirtschaft , Raubbau, Wanderfeldbau, Versalzung 3 Drucksache 6/2363Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Lehrplan für den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife Mensch-Natur-Technik Nutzung, Haltung und Pflege von Pflanzen und Tieren • Nutzung durch den Menschen begründen • Maßnahmen artgerechter Haltung und Pflege ableiten, begründen, bewerten • Die Rolle des Menschen in der Natur • Eingriffe in die Natur bewerten Geografie Das wirtschaftliche Handeln im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie • ökologische und konventionelle Land- und Forstwirtschaft beschreiben und vergleichen • sachgerechte Verwendung der fachspezifischen Begriffe Bioprodukte, Boden, Gewächshauskultur, landwirtschaftlicher Gunstraum, industrielle Tierhaltung • Landwirtschaft und Ernährungssicherung • Formen landwirtschaftlicher Nutzung erläutern • Ursachen und Folgen nicht angepasster Nutzung beurteilen • alternative Nutzungs- und Schutzkonzepte erklären und begründen • landwirtschaftliche Produktion unter globalisierten Bedingungen erklären, Rolle der Nahrungsmittelkonzerne sowie -konsumenten diskutieren • sachgerechte Verwendung der fachspezifischen Begriffe Agrobusiness, agronomische Trocken- und Kältegrenze, Bewässerungsfeldbau, • Brandrodung, Desertifikation, Fair Trade, Gentechnik, Grüne Revolution, Plantagenwirtschaft, Raubbau, Shifting Cultivation, Versalzung Biologie Struktur, Dynamik, Stabilität und Beeinflussbarkeit von Ökosystemen • Methoden der ökologischen Land- und Forstwirtschaft bewerten, Bedeutung von Biodiversität und nachhaltiger Bewirtschaftung begründen Weitere Themen in den genannten Fächern weisen zumindest Bezüge zu landwirtschaftlichen Themen aus, ebenso wie einige weitere Fächer: Regelschule, Gesamtschule: Wirtschaft-Recht-Technik, Wirtschaft-Umwelt-Europa (Wahlpflichtfach) und Natur und Technik (Wahlpflichtfach) Gemeinschaftsschule: Naturwissenschaft und Technik (Wahlpflichtfach) Gymnasium: Wirtschaft und Recht, Naturwissenschaften und Technik (Wahlpflichtfach) Zu 2. und 3.: In § 2 des Thüringer Schulgesetzes ist der Auftrag der Schule in Thüringen wie folgt beschrieben: "(1) … Die Schule erzieht zur Achtung vor dem menschlichen Leben, zur Verantwortung für die Gemeinschaft und zu einem verantwortlichen Umgang mit der Umwelt und der Natur. Sie pflegt die Verbundenheit mit der Heimat in Thüringen und in Deutschland, fördert die Offenheit gegenüber Europa und weckt das Verantwortungsgefühl für alle Menschen in der Welt." Umgesetzt wird dieser Auftrag u. a. dadurch, dass • sich bereits in den Lehrplänen der Grundschule landwirtschaftliche Themen in den Lehrplänen finden und • in Thüringen als einzigem Bundesland das Fach "Schulgarten" Fach der Stundentafel der Grundschule ist. Mit der Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) im Thüringer Bildungsplan bis 18 Jahre und den Lehrplänen bieten sich zahlreiche Anregungen für den schulischen Unterricht. In Schülerfirmen, den UNESCO- oder nelecom-Schulen, in Energiesparschulen; aber auch im bereits seit 20 Jahren laufenden Projekt Umweltschulen können Schülerinnen und Schüler praxisorientiert nachhaltiges Handeln lernen. Ebenso haben außerschulische Lernorte ihre Kompetenzen als Projektträger für BNE weiterentwickelt. Kinder und Jugendliche sind zunehmend eigenverantwortliche Akteure, beispielsweise im Jugendforum des Beirats zur Nachhaltigen Entwicklung in Thüringen oder im Freiwilligen Ökologischen Jahr. Diese Aktivitäten werden im Nachhaltigkeitszentrum Thüringen (Zukunftsfähiges Thüringen e. V.) gebündelt und durch eine Vielzahl von Partnern gefördert, zum Beispiel durch das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN), Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS), Thü- 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2363 ringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (TMASGFF), den Beirat zur Nachhaltigen Entwicklung Thüringen, den Rat für Nachhaltige Entwicklung, das Nachhaltigkeitsabkommen Thüringen (NAT), das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien sowie weitere regionale und überregionale Partner. Im schulischen und außerschulischen Bildungsbereich werden Schwerpunkte vor allem im Aufbau und Ausbau von Netzwerken und Aktivitäten für BNE durch Projekte der UN-DEKADE, dem Projekt "nelecom - Neue Lernkultur in Kommunen" und zum Beispiel "Lernen vor Ort” gesetzt, um die Entwicklung von Bildungslandschaften vor Ort voranzutreiben. Beispiele hierfür sind Vorhaben wie, Umweltschule Europa, Klimadetektive in Schulen, "fifty fifty"-Energiesparmodelle in Schulen und Kinder- und Jugendparlamente, Thüringer Umwelt- und Internationale Agenda 21-Schule. Ergänzt werden diese Bemühungen durch konkrete Unterstützung des Unterrichts in den Thüringer Schulen in den Fächern (siehe Antwort auf Frage 1). Im Thüringer Schulportal, dem Thüringer Bildungsserver, sind kostenfreie OER-Materialien für den Unterricht verfügbar, zum Beispiel für Geografie zum Thema Landund Forstwirtschaft, als Impulsbeispiele für die Lehrplanimplementation. Komplettiert werden diese Bemühungen durch Angebote regionaler und bundesweiter Wettbewerbe für Schüler , wie den National Geographic Wissen, an dem Thüringer Schülerinnen und Schüler erfolgreich teilnehmen. Wichtig ist auch unter dem Aspekt der demographischen Entwicklung die Ausbildung in den "Grünen Berufen ". Diese erfolgt entsprechend den Bestimmungen des Berufsbildungsgesetzes im "Dualen System". Partner sind die Berufsschule, in der Auszubildende die theoretischen Kenntnisse des Fachgebiets erlernen , und der Ausbildungsbetrieb, in dem praktische Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben werden. Das TMBJS bietet Schülerinnen und Schülern darüber hinaus verschiedene Maßnahmen an, um ihnen die Bedeutung der Landwirtschaft näher zu bringen. • Im Rahmen der praxisnahen Berufsorientierung werden Berufsfelderkundungen, Berufsfelderprobungen und Schülerbetriebspraktika auch im Bereich der Landwirtschaft angeboten. So erhalten Schülerinnen und Schüler einen konkreten Einblick in die Aufgaben/Anforderungen und die Bedeutung der Landwirtschaft in Thüringen. • Schülerinnen und Schülern wird in verschiedenen Veranstaltungen (zum Beispiel Berufsinformationsmessen ) ein realistisches Bild der modernen Landwirtschaft vermittelt. • Schulen können im Rahmen des Projektes "Umweltschule in Europa/Internationale Agenda 21-Schule (USE/INA)" mit Betrieben beziehungsweise Genossenschaften der Landwirtschaft kooperieren. Im Rahmen dieser Kooperationen erhalten Schülerinnen und Schüler ein reales Bild von der modernen Landwirtschaft in Thüringen. Publikationen des TMUEN werden als Arbeitsmaterialien an Schulen verteilt (Beispielsweise : Moderne Tierhaltung im ländlichen Raum). Nachhaltig wirtschaftende Schülerfirmen (vor allem im Bereich Catering) werden angehalten, sich regionale Zulieferer zu suchen. Dabei kommen die Schülerinnen und Schüler häufig auch mit Themen der Landwirtschaft in Thüringen in Berührung. Schülerinnen und Schüler der Grund- und Förderschulen werden unter anderem im Rahmen der Waldjugendspiele mit Themen der Land- und Forstwirtschaft in Thüringen konfrontiert. • Das TMBJS fördert regelmäßig Fahrten von Schulklassen zur Landesgartenschau. Hier wird Schülerinnen und Schülern ebenfalls die Bedeutung der Landwirtschaft näher gebracht. • Die Schulen werden regelmäßig über die "Grünen Tage Thüringen" informiert und animiert, diese zu besuchen . Dafür gibt es speziell einen Schülertag während der Messe. In der Mediothek des Thüringer Schulportals finden sich zahlreiche Materialien zum Thema Landwirtschaft.* Zu 4.: Im Zulassungsverfahren eines Schulbuches geht es um die Lehrplankonformität, d. h. spiegelt sich der Lehrplan des jeweiligen Schuljahres in dem Schulbuch wieder? Im Zulassungsverfahren kann es aber nicht um die Prüfung gehen, ob ein Schulbuch die konkreten Realitäten eines einzelnen Landes wiederspiegelt, da Schulbuchverlage ihre Werke für alle 16 Länder anbieten. Die in Rede stehenden Aussagen und grafischen Darstellungen stellen ein Beispiel für eine bestimmte Region in Deutschland dar. Verallgemeinerungen können aus diesem Beispiel jedoch nicht abgeleitet werden. 5 Drucksache 6/2363Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Mit der exemplarischen Darstellung der Situation in einem Landkreis (hier Vechta) ist keine Unterstützung der dort beschriebenen Situation verbunden. Darüber hinaus obliegt es im Rahmen der pädagogischen Einzelverantwortung jeder Lehrkraft, tagesaktuelle Ereignisse beziehungsweise regionale Bezüge in den Unterricht einfließen zu lassen. Zu 5.: Siehe Antwort auf die Fragen 2 und 3. Zu 6.: Thüringer Schulbücher werden anhand der geltenden Lehrpläne geprüft und durch das TMBJS zugelassen . Die Verlage müssen eine Versicherung mit folgendem Inhalt einreichen: "Die Verlage versichern, dass das zur Genehmigung beim Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport eingereichte Schulbuch die Anforderungen des § 3 Absätze 1 bis 3 der Thüringer Lehr- und Lernmittelverordnung - ThürLLVO erfüllt und insbesondere mit der Verfassung und sonstigen Rechtsvorschriften übereinstimmt sowie mit den Inhalten die bundesweit geltenden Bildungsstandards umgesetzt werden können." Eine inhaltliche Analyse beziehungsweise Synopse zu bestimmten Themen erfolgt nicht und liegt deshalb auch nicht vor. Siehe dazu auch Antwort zu Frage 4. Dr. Klaubert Ministerin Endnote * https://www.schulportal-thueringen.de/web/guest/media/ Thüringer Geografie-Lehrbuch kontra Landwirtschaft? Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2. und 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Endnote