04.07.2016 Drucksache 6/2391Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 26. Juli 2016 Wegeunfähigkeitsbescheinigungen bei Arbeitslosengeld-II-Empfängern - nachgefragt Die Kleine Anfrage 1063 vom 25. April 2016 hat folgenden Wortlaut: Mit der Kleinen Anfrage 855 vom 4. Februar 2016 bat ich die Landesregierung unter anderem um Auskunft beziehungsweise um ihre Auffassung zur Wegeunfähigkeitsbescheinigung bei Empfängern von Arbeitslosengeld II (ALG II). Ich wollte von der Landesregierung ihre Einschätzung wissen, warum bei ALG-II-Empfängern nicht eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausreicht. Aus privaten Kreisen weiß ich, dass es sich bei Wegeunfähigkeitsbescheinigungen nicht um Einzelfallentscheidungen handelt und diese gleich mit der ersten Einladung zu einem Gespräch bei einem Vermittler verlangt wird (bei Krankschreibung). Die Landesregierung beantwortete die Fragen mit Schreiben vom 4. April 2016 (vergleiche Drucksache 6/1959) dahin gehend, dass sie auf § 32 Zweites Buch Sozialgesetzbuch und auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (Az.: B 4 AS 27/10 R) verwiesen hat, jedoch wurden die Fragen der Kleinen Anfrage 855 nach meiner Auffassung nur unzureichend beantwortet. Hieraus ergeben sich folgende Nachfragen. Ich frage die Landesregierung: 1. Nach welcher Gesetzesgrundlage wird die Vorlage einer Wegeunfähigkeitsbescheinigung von den Thüringer Jobcentern verlangt? 2. Nach welcher Gesetzesgrundlage werden Vermittler in Jobcentern bevollmächtigt, eine Bewertung durchzuführen , um eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anzuzweifeln? 3. Werden ALG-II-Empfänger nicht dadurch schlechter gestellt oder diskriminiert, dass laut Antwort der Landesregierung auf die Frage 4 in Drucksache 6/1959 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter keine Wegeunfähigkeitsbescheinigung benötigen? 4. Warum wurde in der Antwort auf die Kleine Anfrage (Drucksache 6/1959) auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. November 2010 (Az.: B 4 AS 27/10 R) verwiesen, welches sich auf einen anderen Sachverhalt bezog? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 29. Juni 2016 (Eingang: 4. Juli 2016) wie folgt beantwortet: Zu 1.: In der Beantwortung der Kleinen Anfrage 855 (Drucksache 6/1959) wurde dargelegt, dass die Wegeunfähigkeitsbescheinigung dem Nachweis dient, dass ein wichtiger Grund für das Nichterscheinen zu einem K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Gentele (fraktionslos) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2391 Termin vorliegt. Nach § 32 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ist von einer Minderung des Arbeitslosengelds II oder des Sozialgelds abzusehen, wenn Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen. Gleiches gilt im Rahmen der Beurteilung von Pflichtverletzungen nach § 31 Abs. 1 und § 31a SGB II. Aus § 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I ergibt sich zudem die Pflicht, dass ein Antragsteller bzw. Sozialleistungsberechtigter auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen hat. Mit der Wegeunfähigkeitsbescheinigung wird ein nachweislicher Beleg dafür erbracht, dass es dem Antragsteller bzw. Leistungsberechtigten unmöglich ist, einer Meldeaufforderung nachzukommen. Im Übrigen bleibt zu berücksichtigen , dass Arbeitsunfähigkeit nicht zwangsläufig gleichzusetzen ist mit einer krankheitsbedingten Unfähigkeit, einen zeitlich begrenzten Termin wahrzunehmen. Zu 2.: Die Anzeige- und Bescheinigungspflicht bei Arbeitsunfähigkeit ergibt sich aus § 56 SGB II. Nach § 2 Abs. 3a der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V (Arbeitsunfähigkeits -Richtlinie) sind erwerbsfähige Leistungsberechtigte arbeitsunfähig, wenn sie krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten oder an einer Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen . Ausnahmen bestehen bei Erwerbstätigen, die aufstockend Arbeitslosengeld II erhalten, da bei diesem Personenkreis die Beurteilungskriterien für Beschäftigte (§ 2 Abs. 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie ) gelten. Im Hinblick auf Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit gelten die in § 56 Abs. 1 Satz 5 SGB II in Verbindung mit § 275 Abs. 1 Nr. 3b und Abs. 1a SGB V verankerten Regelungen. In § 275 Abs. 1a SGB V sind Fälle benannt , in denen Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit anzunehmen sind. Da es sich hierbei nicht um eine abschließende gesetzliche Aufzählung handelt, sind in den Fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit zu § 56 SGB II weitere Fälle beschrieben, in denen von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werden kann. Zu 3.: Arbeitsunfähigkeit liegt bei Beschäftigten vor, wenn die ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausgeführt werden kann (vergleiche § 2 Abs. 1 der Arbeitsunfähigkeits -Richtlinie). Mit der ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit ist hinreichend belegt, dass die oder der Beschäftigte der ausgeübten Tätigkeit für die in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bestimmte Dauer nicht nachgehen kann. Ein Bedarf an einer Wegeunfähigkeitsbescheinigung besteht in derartigen Fallkonstellationen nicht. Dies gilt auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter. Eine Schlechterstellung oder Diskriminierung der ALG-II-Empfänger kann schon aufgrund der unterschiedlich zugrunde liegenden Sachlagen nicht angenommen werden. Es ist zu unterscheiden zwischen erkrankten Beschäftigten und deren Meldepflichten gegenüber dem Arbeitgeber und Personen, die einen behördlichen Meldetermin wahrnehmen müssen. Die Jobcenter agieren vergleichbar anderer Behörden, die bei Meldeterminen oder Ladungen bei bestehender Erkrankung des bzw. der Betroffenen neben der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung weitere Nachweise fordern können. Bei gerichtlichen Terminen wird in diesem Fall von der sogenannten Terminfähigkeit gesprochen, die nicht zwangsläufig mit der Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen ist. Zu 4.: Gegenstand des oben genannten Urteils des Bundessozialgerichts war die Sanktionierung von Meldeversäumnissen . Das vorbezeichnete Urteil wurde angeführt, weil diesem unter anderem auch Ausführungen im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Vorlage einer besonderen Bescheinigung über die krankheitsbedingte Unfähigkeit zur Wahrnehmung eines Meldetermins - selbstverständlich bezogen auf den dort zugrunde liegenden Einzelfall - zu entnehmen sind. Grundsätzlich ist für Antragsteller oder Leistungsberechtigte die Überprüfung von konkreten Entscheidungen des Jobcenters im Einzelfall über den Rechtsweg möglich. In Vertretung Feierabend Staatssekretärin Wegeunfähigkeitsbescheinigungen bei Arbeitslosengeld-II-Empfängern - nachgefragt Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: