05.07.2016 Drucksache 6/2399Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 27. Juli 2016 Waldwildnis in Thüringen Die Kleine Anfrage 1077 vom 11. Mai 2016 hat folgenden Wortlaut: Gemäß Veröffentlichung in der Presse (Ostthüringer Zeitung, Geraer Zeitung vom 9. Mai 2016, Seite 1) plant die Thü ringer Landesregierung, künftig 25.000 Hektar Waldfläche ohne menschliche Eingriffe, also unberührt zu belassen und sogenannte Waldwildnisse zu entwickeln. In diesem Zusammenhang sprach Abgeordneter Dirk Adam von drei Gebieten (zwischen Wartburg und In selsberg, im Thüringer Wald sowie im Waldgebiet Hohe Schrecke), die dafür vorgesehen sein sollen. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Gebiete in den genannten drei Regionen sind für Waldwildnisse derzeit vorgesehen (bitte Mittei lung der Lage dieser Flächen in den jeweiligen Waldgebieten sowie deren avisierte Größe)? 2. Gibt es eine allgemeine verbindliche Definition für "Waldwildnis"? Wenn ja, wie lautet diese? Wenn nein, wie definiert die Landesregie rung diesen Begriff? 3. In welchem Zeitrahmen soll die Einrichtung von drei neuen Waldwildnissen vorgenommen wer den? 4. Welchen Nutzen beziehungsweise welche Effekte verspricht sich die Landesregierung von der Einrich tung von Waldwildnissen (Biodiversität, Naturschutz)? 5. Inwieweit können in ausgewiesenen Waldwildnissen trotzdem touristische Ziele umgesetzt beziehungs weise Baumaßnahmen (zum Beispiel Windräder) vorgenommen werden? 6. Kann der finanzielle Verlust durch unterbliebenen Holzeinschlag in Waldwildnissen beziffert werden? Wenn ja, wie hoch ist dieser? 7. Wird in den als Waldwildnissen ausgewiesenen Gebieten die Jagd beziehungsweise das Reiten erlaubt sein und wie soll bei Borkenkäfer- oder anderen Schadinsektenbefall sowie bei der Abstellung von Sicherheitsmängeln (Windbruch) reagiert werden? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Holbe (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2399 Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 30. Juni 2016 (Eingang: 5. Juli 2016) wie folgt beantwortet: Zu 1.: Im Koalitionsvertrag der Parteien DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die 6. Wahlperio de des Thüringer Landtags wurde das Ziel gesetzt, im Verlauf dieser Legislaturperiode aufbauend auf dem von der bisherigen Landesregierung verfolgten 25.000HektarZiel mindestens fünf Prozent des Waldes in Thüringen dauerhaft der forstwirtschaftlichen Nutzung zu entziehen. Zur qualitativ anspruchsvollen Absicherung dieses Ziels werden mindestens drei großflächige Gebiete (ins besondere der Bereich Vessertal, Bereich Wartburg-Inselsberg, Bereich Hainleite/Possen) aus der Nutzung genommen. Das dazu erforderliche Umsetzungskonzept und damit auch die Lage, die Ausdehnung und der Zeitrahmen für die Einrichtung von drei großflächigen Gebieten werden derzeit innerhalb der Landesregierung abgestimmt. Zu 2.: Eine allgemeine verbindliche Definition für Waldwildnis gibt es nicht. Im Rahmen der vom Bundeskabinett verabschiedeten Nationalen Biodiversitätsstrategie (NBS) wurden die Ziele aufgenommen, fünf Prozent der Wälder in Deutschland aus der Nutzung zu nehmen und auf zwei Prozent der Fläche von Deutschland Wildnis zu entwickeln. Der Ressortkonsens der Bundesregierung zur NBS von 2007 enthält ausdrücklich keine konkreten Mindestflächenanforderungen für Wildnisgebiete. Die beiden oben genannten Ziele der NBS sollen sich vielmehr gegenseitig ergänzen und integrieren. Zu 3.: Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Zu 4.: Die Umsetzung des Ziels der Landesregierung "mindestens fünf Prozent des Waldes in Thüringen dauer haft der forstwirtschaftlichen Nutzung zu entziehen", stellt einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Arten vielfalt und zur Entwicklung des Biotopverbunds dar. Zu 5.: Bislang sind keine Einschränkungen des allgemeinen Betretensrechts von Waldflächen, die dauerhaft der forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden, in der Diskussion. Generell nehmen in Wäldern, die dauerhaft der forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden, die Gefah ren für Waldbesucher zu. Da diese Gefahren als waldtypisch einzuordnen sind, bestehen infolgedessen hö here Anforderungen an die Umsicht der Waldbesucher. Im aktuellen Entwurf des Windenergieerlasses werden Waldflächen, die dauerhaft der forstlichen Nutzung entzogen werden, wegen ihrer naturschutzfachlichen Bedeutung als Tabuzonen für den Bau von Windener gieanlagen betrachtet. Zu 6.: Die Landesforstanstalt rechnet mit einer bilanzwirksamen Abschreibung von 7.400 Euro je Hektar Waldflä che, die dauerhaft der forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen wird. Die Holznutzung betrug in Thüringen im Zeitraum 2002 bis 2012 gemäß den Ergebnissen der Bundeswald inventur 2012 im Durchschnitt 6,9 Erntefestmeter je Hektar im Jahr. Unter Zugrundelegung dieses durch schnittlichen Nutzungssatzes und einem durchschnittlichen erntekostenfreien Erlös in Höhe von 37 Euro je Erntefestmeter (Geschäftsbericht ThüringenForst 2014) entspricht der Einnahmeverlust durch unterblie benen Holzeinschlag auf Waldflächen, die der forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden, 255 Euro je Hektar im Jahr. Zu 7.: In den dauerhaft der forstwirtschaftlichen Nutzung entzogenen Waldflächen sind bis dato grundsätzlich kei ne Einschränkungen der Jagd oder der Wegebenutzung zur Diskussion gestellt worden. Davon ausgenommen sind Flächen, die unter naturschutzrechtliche Schutzgebietsbestimmungen fallen. Schadinsektenbefall birgt infolge möglicher Massenvermehrungen Kalamitätsgefahren auch für benachbar te, nicht aus der Nutzung genommene Wälder. Sowohl überwachende, vorbeugende als auch bekämpfende Waldschutzmaßnahmen sind deshalb eine waldgesetzliche Grundpflicht für Waldbesitzer und Forstbehör 3 Drucksache 6/2399Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode den. Um Forstschutzrisiken zu minimieren, sollten vom Nadelholz dominierte Bereiche in einem angemes senen Zeitraum auf die Stilllegung vorbereitet werden. Je größer dauerhaft der forstwirtschaftlichen Nutzung entzogene Waldbereiche sind, desto häufiger muss von darin inbegriffenen forstschutzproblematischen Be ständen ausgegangen werden. Ein verbesserter Schutz vor abiotischen Gefahren wie Windwurf oder Windbruch ist in der Regel nur im Zuge langfristiger waldbaulicher Maßnahmen (z. B. Waldumbau) möglich. Inwieweit die klimatischen Veränderungen zu steigenden Waldschutzrisiken führen, lässt sich nicht ab schließend abschätzen. In Vertretung Dr. Sühl Staatssekretär Waldwildnis in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: