29.07.2016 Drucksache 6/2464Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 11. August 2016 Mitwirkung und Verfahrensbeteiligung in Kindschaftssachen Die Kleine Anfrage 1172 vom 9. Juni 2016 hat folgenden Wortlaut: Nach mir vorliegenden Erkenntnissen scheint es bei Familiengerichten Unklarheiten zu den Begriffen Mitwirkung und Verfahrensbeteiligung in Kindschaftssachen in der Form zu geben, dass zwischen der gesetzlichen Mitwirkungspflicht von Jugendämtern einerseits und der Verfahrensbeteiligung mit anders gelagerten Rechten und Pflichten für Jugendämter unterschieden wird. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ist das Jugendamt an einem Verfahren zu beteiligen, wenn es nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verhandeln ist. Im Übrigen ist das Jugendamt nach § 162 Abs. 2 Satz 2 FamFG auf seinen Antrag hin zu beteiligen. In einem mir bekannten Fall, wurde dem Jugendamt des Landratsamts Saalfeld-Rudolstadt ein Aktenbestandteil aus einem Verfahren in Kindschaftssachen übersandt, obwohl es sich nicht um ein Verfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 1 FamFG handelte. Ich frage die Landesregierung: 1. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte nach Kenntnis der Landesregierung in dem oben genannten Fall die Übersendung von Aktenbestandteilen durch das Verwaltungsgericht Gera aus Verfahren wegen Kindschaftssachen an das Jugendamt Saalfeld-Rudolstadt, auch wenn die Voraussetzungen nach § 162 Abs. 2 FamFG nicht vorlagen? 2. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zu der Anwesenheit von Vertretern des Jugendamts während einer nicht öffentlichen Verhandlung in einem Verfahren, an dem das Jugendamt nicht verfahrensbeteiligt ist? 3. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der am Verfahren Beteiligten, wenn Aktenbestandteile an nicht am Verfahren Beteiligte übersandt werden? 4. Wie viele Fälle wegen Kindschaftssachen sind in den Jahren 2014 und 2015 an den Familiengerichten Rudolstadt und Pößneck anhängig gewesen, zu denen dem Jugendamt des Landratsamts Saalfeld-Rudolstadt Aktenbestandteile übermittelt wurden, obwohl dieses nicht nach § 162 Abs. 2 Satz 1 FamFG am Verfahren beteiligt war? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kräuter (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2464 Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 27. Juli 2016 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung Es ist nicht bekannt, welcher konkrete Vorgang der Kleinen Anfrage zu Grunde liegt. Mangels entsprechender Erkenntnisse ist nur eine eingeschränkte und teilweise abstrakte Beantwortung der Fragen möglich. Zu 1.: Ein Verfahren des Verwaltungsgerichts Gera, in dem das Verwaltungsgericht Aktenbestandteile aus Verfahren wegen Kindschaftssachen an das Jugendamt Saalfeld-Rudolstadt übersandt hat, ist nicht bekannt. Grundsätzlich werden vor den Verwaltungsgerichten keine Verfahren auf der Grundlage des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) bearbeitet. Zu 2.: Die Landesregierung geht davon aus, dass in gerichtlichen Verfahren die Verhandlungen auf der Grundlage der geltenden gesetzlichen Bestimmungen durch die jeweils zuständigen Richter in Ausübung ihrer im Grundgesetz verankerten Unabhängigkeit geführt werden. Für die Stellung des Jugendamtes bestehen im Anwendungsbereich des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit besondere Regelungen, die von den Familiengerichten zu beachten sind. So sieht die Neufassung des § 162 Abs. 3 Satz 1 FamFG durch das "Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess" eine Benachrichtigungspflicht des Jugendamtes über Termine in den in § 162 Abs. 1 Satz 1 FamFG genannten Kindschaftssachen vor (Bundesratsdrucksache 308/12 S. 31). Sie betrifft somit alle grundsätzlich nicht öffentlichen Verfahren, die die Person des Kindes betreffen. Dadurch soll das Jugendamt noch besser als bislang in den gerichtlichen Entscheidungsfindungsprozess eingebunden werden. Die Benachrichtigungspflicht knüpft an die Mitwirkungspflicht des Jugendamtes im gerichtlichen Verfahren an. Sie soll es dem Jugendamt ermöglichen, sich über den Stand des Verfahrens zu informieren . Das Jugendamt hat dann im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob seine Anwesenheit im Termin erforderlich ist bzw. eine vorab übersandte schriftliche Stellungnahme gegebenenfalls ausreicht. Die Form der vorgeschriebenen Anhörung des Jugendamtes in den grundsätzlich nicht öffentlichen Kindschaftssachen ist nicht explizit geregelt. Sie unterliegt dem pflichtgemäßen Ermessen. Aus § 162 Abs. 3 Satz 1 FamFG folgt nach dem Willen des Gesetzgebers, dass das Jugendamt am gesamten Verfahren aktiv zu beteiligen ist, mithin auch seine Berechtigung auf Teilnahme an dem mündlichen Erörterungstermin (§ 155 Abs. 2 FamFG) - und zwar unabhängig von der förmlichen Beteiligtenstellung des Jugendamtes (vergleiche Schlemm in Bahrenfuss, FamFG, 2. Auslage 2013, § 162 Randziffer 1 und 4; Keidel , Kommentar zum FamFG, 18. Auflage 2014, § 162 Randziffer 17). Zu 3.: Die Landesregierung geht davon aus, dass in gerichtlichen Verfahren die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte, insbesondere die von nicht am Verfahren Beteiligten, beachtet werden. Zu 4.: Die Zahl der erfolgten Übermittlungsfälle des Familiengerichts Rudolstadt ist mangels einer entsprechenden statistischen Erhebung nicht bekannt. Durch das Familiengericht Pößneck wurden nach Mitteilung des Direktors des Amtsgerichts Pößneck keine Aktenbestandteile an das Jugendamt des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt übersandt. Für den Zuständigkeitsbereich des Familiengerichts Pößneck ist nicht das Jugendamt des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt, sondern grundsätzlich das Jugendamt des Saale-Orla-Kreises zuständig. Lauinger Minister Mitwirkung und Verfahrensbeteiligung in Kindschaftssachen Ich frage die Landesregierung: Vorbemerkung Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: