18.08.2016 Drucksache 6/2539Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 7. September 2016 Kriterien für national wertvolles Kulturgut und Standpunkt der Landesregierung Die Kleine Anfrage 1254 vom 11. Juli 2016 hat folgenden Wortlaut: Nicht zuletzt aufgrund der Diskussionen um das kürzlich vom Bundestag verab schiedete Gesetz zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts ist die Frage nach national wertvollem Kulturgut wieder in den Fokus gerückt. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Begriffe des national wertvollen Kulturguts und des identitätsstiftenden Kulturguts? 2. Nach welchen Kriterien und/oder Vereinbarungen auf welchen legislativen Ebenen wird mit der Neufassung des Kulturgutschutzgesetzes national wertvolles Kulturgut definiert und wie schätzt die Landesregierung diese Kriterien ein? 3. Hält die Landesregierung eine gesetzliche Verankerung von Kriterien für notwendig? Wenn ja, welche und warum und wenn nein, warum nicht? 4. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Land, Bund und EU zur Frage national wertvollen Kulturguts ? 5. Gibt es für Leihgaben zum Beispiel an Museen eine Verpflichtung, einen angestrebten Verkauf außer Landes frühzeitig bekanntzugeben, damit eine Eintragung in das benannte Verzeichnis erwogen werden kann und wie bewertet dies die Landesregierung? 6. Welche Schutzmechanismen greifen durch die Eintragung in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts und wie bewertet dies die Landesregierung? 7. Gibt es Regelungen für den Fall eines angestrebten Verkaufs von Kulturgut, welches bereits in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts aufgenommen wurde und wie bewertet dies die Landesregierung? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Mitteldorf (DIE LINKE) und A n t w o r t der Thüringer Staatskanzlei 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2539 Der Thüringer Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 15. August 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Das bisherige Recht von 1955 sah keine Definition von "national wertvollem Kulturgut" vor. Mit der Novellierung sind in § 6 und § 7 des Gesetzes erstmals eine Legaldefinition sowie ein einheitlicher Kulturgutbegriff enthalten. Dies sorgt für Rechtsklarheit und wird von der Landesregierung begrüßt. Das novellierte Kulturgutschutzgesetz (KGSG) kennt den Begriff des "identitätsstiftenden Kulturguts" nicht. Der Begriff "identitätsstiftend " wird in § 7 Abs. 1 KGSG als Kriterium für die Eintragungswürdigkeit eines Kulturguts verwendet . Diese identitätsstiftende Wirkung des Kulturguts kann sich beispielsweise ergeben aus: - einer engen Verknüpfung mit einer geschichtlichen Epoche oder Situation, - seiner Entstehung in oder Herkunft aus Deutschland, - der Einordnung des Werkes in die deutsche Kunst und Kultur, - seines kulturellen Wertes und/oder seiner Bedeutung für die deutsche kulturgeschichtliche Entwicklung. Zu 2.: Der bisher im Kulturgutschutzgesetz verwandte Begriff "national wertvolles Kulturgut" wird in § 6 KGSG durch den Oberbegriff "nationales Kulturgut" ersetzt und nur noch im Zusammenhang mit der Bezeichnung "Verzeichnisses national wertvollen Kulturguts" benutzt. Nach § 6 KGSG gilt Kulturgut als nationales Kulturgut, wenn es: 1. in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes eingetragen ist, 2. sich in öffentlichem Eigentum und im Bestand einer öffentlich-rechtlichen Kulturgut bewahrenden Einrichtung befindet, 3. sich im Eigentum und im Bestand einer Kulturgut bewahrenden Einrichtung befindet, die überwiegend durch Zuwendungen der öffentlichen Hand finanziert wird, oder 4. Teil einer Kunstsammlung des Bundes oder der Länder ist. In § 7 KGSG werden nun erstmals Kriterien benannt, welche für die Eintragung eines Kulturguts in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts vorliegen müssen. In § 7 Abs. 1 Nr. 1 KGSG werden als ein Kriterium die historischen Bezüge des Kulturguts und seine besondere Bedeutung für das kulturelle Erbe Deutschlands aufgegriffen. § 7 Abs. 1 Nr. 2 KGSG knüpft an das Kriterium an, ob die Abwanderung des Kulturguts einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde. Schließlich muss der Verbleib des Kulturguts im herausragenden öffentlichen Interesse liegen. Da diese abstrakten Kriterien Kulturgut unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Alters erfassen, sind sie als Maßstab zur Prüfung einer Eintragungswürdigkeit von Kulturgütern als national wertvoll bestens geeignet. Bereits das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil (BVerwGE 92, 288) klargestellt, dass aufgrund der Vielfältigkeit des in Betracht kommenden Kulturguts, die den Begriff des national wertvollen Kulturgutes prägenden Merkmale nicht abschließend bestimmbar und nur im Rahmen einer Einzelfallprüfung ermittelbar sind. Die nun im Gesetz enthaltenen gesetzlichen Regelungen sorgen zukünftig für Rechtsklarheit über das geschützte Kulturgut selbst und die anzuwendenden Kriterien der Eintragungswürdigkeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 KGSG. Zu 3.: Die gesetzliche Verankerung der nun in § 7 KGSG genannten Kriterien war zur Rechtsklarheit und Harmonisierung der Verfahren der Länder notwendig. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Zu 4.: Der "Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland" ist gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 5a GG dem Bund als Gesetzgebungskompetenz zugewiesen. Weiterhin verpflichten internationale Abkommen den Bund, zum Schutz eigenen Kulturguts und des Kulturguts anderer Staaten beizutragen. Im Rahmen des Kulturgutschutzgesetzes ist der Bund zuständig für die Genehmigung der dauerhaften Ausfuhr von im Verzeichnis national wertvollen Kulturguts eingetragenen Kulturgütern, § 23 Abs. 4 KGSG. Weiterhin beteiligt sich der Bund am Ankauf national wertvollen Kulturgutes, § 23 Abs. 6 KGSG. Im Hinblick auf den föderalistischen Aufbau der Bundesrepublik und der Kulturhoheit der Länder liegt es in der Zuständigkeit der Länder, die Auswahl der zu schützenden Kulturgüter zu treffen, § 7 KGSG. Jedes Bundesland stellt ein eigenes Verzeichnis national wertvollen Kulturguts auf. Um die Anwendung gleichwertiger 3 Drucksache 6/2539Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Maßstäbe zu sichern, wurden bisher gemeinsame Verhandlungen geführt und Absprachen zwischen dem Bund und den Ländern getroffen, wie beispielsweise die "Empfehlung der Kultusministerkonferenz für Eintragungen in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes und das Verzeichnis national wertvoller Archive nach dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung" vom 29. April 2010. Diese sind jedoch nicht rechtsverbindlich. Mit dem Kulturgutschutzgesetz werden mittels gesetzlicher Regelungen zum Eintragungsverfahren (§ 7 KGSG) oder der Aufnahme einer Legaldefinition sowie eines einheitlichen Kulturgutbegriffs die Verfahren der Länder weiter harmonisiert. Es wird sichergestellt, dass die Länder noch stärker als bisher einheitliche Entscheidungsmaßstäbe anlegen. Die EU dagegen verfolgt eine andere Zielrichtung und regelt nicht den Abwanderungsschutz. Die EU trifft Regelungen zur Ausfuhr aus dem Binnenmarkt und zur Rückgabe "unrechtmäßig verbrachten" Kulturgutes. Aus diesem Grunde gibt es zur Frage national wertvollen Kulturgutes keine Zusammenarbeit mit der EU. Zu 5.: Eine derartige Verpflichtung gibt es nicht. Zu 6.: Die Eintragung eines Kulturguts in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts bewirkt, dass dieses dem Abwanderungsschutz im Sinne eines Ausfuhrverbots mit Ausfuhrgenehmigungsvorbehalt unterliegt. Die Landesregierung hält dieses Mittel der gesetzlich geregelten Ausfuhrbestimmungen für geeignet, um eine unkontrollierte Verbringung der Kulturgüter ins Ausland zu verhindern. Zu 7.: Entsprechende Regelungen für den Fall eines angestrebten Verkaufs gibt es nicht. Ziel des Kulturgutschutzes ist insbesondere die Bewahrung des Kulturerbes, um dieses für die nachfolgenden Generationen zu erhalten und der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Deshalb stellt das Gesetz das Kulturgut unter einen Abwanderungsschutz . Das bedeutet, dass mittels gesetzlich geregelter Ausfuhrbestimmungen eine unkontrollierte Verbringung der Kulturgüter ins Ausland verhindert wird bzw. dass deren Rückgabe erwirkt werden kann. Demnach ist mit der Eintragung eines Kulturguts in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts lediglich eine Ausfuhrbeschränkung und kein Verkaufs-/Verfügungsverbot bzw. eine Entziehung der Verfügungsbefugnis verbunden. Der Eigentümer ist deshalb frei, über sein Eigentum im Inland zu verfügen bzw. dieses wirtschaftlich zu nutzen, es bis zu fünf Jahre ins Ausland zu verbringen oder es im Inland, auch an Käufer im Ausland, zu veräußern, sofern das Kulturgut dauerhaft im Bundesgebiet verbleibt. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese seit 1955 bestehende Eintragungspraxis, die auch weiterhin mit dem novellierten Kulturgutschutzgesetz Bestand haben wird, in einem Urteil von 1993 (BVerwGE 92, 288) ausdrücklich bestätigt. Es hat u. a. festgestellt, dass die Eintragung in das Verzeichnis keine am Kulturgut bestehenden Rechte entziehe, sondern einzig die Ausfuhr einem Genehmigungsvorbehalt unterstelle. Diese Ausfuhrbeschränkungen stellen eine verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Artikel 14 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes dar. Unabhängig von einer Verkaufsabsicht des Eigentümers sieht § 23 Abs. 6 KGSG für den Fall einer beantragten und abgelehnten dauerhaften Ausfuhrgenehmigung eines im Verzeichnis national wertvollen Kulturguts eingetragenen Kulturguts eine Ankaufsregelung vor. Mit dieser Regelung wird die schon geübte Ankaufspraxis von national wertvollem Kulturgut über die Kulturstiftung der Länder (KSL) in das Gesetz übernommen und ausdrücklich geregelt. Der Bund wird in diesem Zusammenhang jährlich zusätzliche Bundesmittel für den Ankaufsetat der KSL zur Verfügung stellen. Prof. Dr. Hoff Minister Kriterien für national wertvolles Kulturgut und Standpunkt der Landesregierung Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: