29.08.2016 Drucksache 6/2600Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 14. September 2016 Touristische Entwicklung der Talsperren im Landkreis Gotha Die Kleine Anfrage 1270 vom 18. Juli 2016 hat folgenden Wortlaut: Dem Thüringer Wassertourismuskonzept vom Mai 2014 ist zu entnehmen, dass im Ausbau des Wassertourismus großes Potenzial liegt. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Talsperren im Landkreis Gotha dienen der Trinkwassergewinnung, welche erfüllen andere Aufgaben ? 2. Welche Kosten entstehen für die Bewirtschaftung für jede dieser Talsperren und welche Einnahmen werden erzielt? 3. Für welche dieser Talsperren ist prinzipiell eine touristische Nutzung denkbar? 4. Welche Hindernisse stehen einer touristischen Nutzung dieser Talsperren entgegen? 5. Welche Voraussetzungen sind nötig, um diese Talsperre(n) für die touristische Nutzung zu erschließen? Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 23. August 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Aufgaben der Talsperren gemäß § 42 Thüringer Wassergesetz (ThürWG) des Landkreises Gotha sowie der jeweils zuständige Unterhaltungspflichtige, die Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie (TLUG), die Thüringer Fernwasserversorgung (TFW) und das Bundeswehr-Dienstleistungszentrum Erfurt (BwDLZ), sind der folgenden Tabelle zu entnehmen. K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Dr. Pidde (SPD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2600 Lfd. Nr. Talsperre Aufgaben/Nutzung Unterhaltungspflichtiger 1 Cumbach I Keine Aufgaben/Nutzung: gewerbliche Fischzucht TLUG 2 Cumbach II Keine Aufgaben/Nutzung: gewerbliche Fischzucht TLUG 3 Tambach-Dietharz öffentliche Wasserversorgung, Wasserkraftgewinnung TFW 4 Reinhardsbrunn Keine Aufgaben/Nutzung: gewerbliche Fischzucht TLUG 5 Ohra öffentliche Wasserversorgung, Hochwasserschutz, Wasserkraftgewinnung , Angelfischerei TFW 6 Friemar Angelfischerei, Naherholung, Naturschutz TFW 7 Dachwig Brauchwasserversorgung, Angelfischerei, Naturschutz TFW 8 Tüngeda/Wangenheim Niedrigwasseraufhöhung, Angelfischerei, Naherholung TFW 9 Wechmar Teichwirtschaft, Angelfischerei TFW 10 Schmalwasser öffentliche Wasserversorgung, Hochwasserschutz, Wasserkraftgewinnung , Naturschutz, Angelfischerei TFW 11 Collerstädter Grund/ Schwabhausen Keine Aufgaben/Nutzung: Naturschutz BwDLZ Zu 2.: Die Kostenstruktur sowie die Einnahmensituation der Talsperren gemäß Antwort 1 stellen sich sehr unterschiedlich dar. Während bei den Talsperren, betrieben von der TFW, eine umfassende Kostenrechnung nach handelsrechtlichen Vorschriften beziehungsweise dem sogenannten "Ressourcenverbrauchskonzept" erfolgt (laufende Aufwendungen und Abschreibungen), werden an den von der TLUG betriebenen Talsperren die Kosten im Rahmen der kameralistischen Haushaltsführung "so beglichen, wie sie anfallen" (Betriebskosten und Investitionskosten ). Weiterhin können eine Reihe von Kostenarten und Einnahmearten den einzelnen Talsperren direkt zugeordnet werden, einzelne Einnahme- beziehungsweise Ausgabenanteile entfallen jedoch auf übergeordnete Kostenstellen. Als Beispiele können hier die Einnahmen aus den jeweiligen Fischereirechten direkt einer Talsperre zugeordnet werden, die Einnahmen aus dem Verkauf von Trink- hier Fernwasser jedoch nicht, da sie als Gesamteinnahmen anfallen. Weiterhin ist an den Talsperren der TFW, die nicht der öffentlichen Wasserversorgung dienen ("hoheitlicher" Bereich), eine Erstattung der nicht durch eigene Einnahmen gedeckten laufenden Kosten (Aufwandsentschädigung ) sowie der vorgenommenen Investitionen (Zuschüsse zu Investitionen) nach den Vorgaben des § 17 Abs. 2 Thüringer Gesetz über die Fernwasserversorgung (ThürFWG) zu beachten. Diese Art der Kostenerstattung für Investitionen lässt bei der Kostenrechnung keinen Raum für den Ansatz von Abschreibungen . Dies trifft anteilig auch auf die gemischt genutzten Stauanlagen zu, hierunter fallen die oben genannten Trinkwassertalsperren, da sie regelmäßig neben "gewerblichen Zwecken" auch anteilig den weiteren "hoheitlichen" Zwecken (zum Beispiel Hochwasserschutz, Niedrigwasseraufhöhung) dienen. Im Folgenden werden die zurechenbaren Kosten- beziehungsweise Einnahmeanteile berichtet. Kosten für Investitionen sowie ggf. auch der korrespondierende Zuschuss zu Investitionen des Freistaates für hoheitliche Aufgaben können hier nicht berichtet werden, da sie in jedem Jahr anders anfallen. In diesem Sinne belaufen sich die jährlichen Kosten und Einnahmen für die drei Trinkwassertalsperren der TFW auf folgende Beträge [in Tausend Euro]: 3 Drucksache 6/2600Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Talsperre Kosten Einnahmen Gewerblicher Anteil (Wasserversorgung , Energiegewinnung ) Hoheitlicher Anteil (Hochwasse r - schutz, Niedrigw a s s e r a u f h ö - hung) Gewerblicher Anteil (Wasserversorgung , Energiegewinnung ) Hoheitlicher Anteil (Hochwasse r - schutz, Niedrigw a s s e r a u f h ö - hung) Hoheitlicher Anteil (Hochwasse r - schutz, Niedrigw a s s e r a u f h ö - hung) laufende Aufwendungen + Abschreibungen nur laufende Kosten 1 zuzuordnende Einnahmen (von Dritten) nur direkt zuzuordnende Einnahmen (von Dritten) nur Aufwandsentschädigung (durch Freistaat)1 Tambach- Dietharz2 118,8 13,9 89,2 1,6 12,3 Ohra 1.984,2 64,7 1.984,2 25,8 38,9 Schmalwasser 2 470,7 58,5 246,1 20,4 38,1 Sowie für die vier übrigen Talsperren der TFW: Talsperre Kosten Laufende Kosten3 Einnahmen aus Vermietung , Verpachtung, Fischerei usw. Aufwandsentschädigung (durch Freistaat)3 Friemar 67,0 3,3 63,7 Dachwig 42,3 6,0 36,3 Tüngeda/Wangenheim 47,6 3,5 44,1 Wechmar 37,3 1,0 36,3 Sowie für die drei von der TLUG unterhaltenen Talsperren: Nach Mitteilung der TLUG fallen für die Unterhaltung (u. a. Regelüberwachung, Grasmahd, Schädlingsbekämpfung ) pro Anlage rd. 15.000,00 Euro pro Jahr an. Einnahmen werden nicht erzielt. Möglicherweise ergeben sich Zahlungen aufgrund von Grundeigentumsrechten (zum Beispiel Fischereipacht), die seitens der Landesregierung nicht ermittelt werden können. Sowie für die zur Bundeswehrverwaltung gehörende Talsperre Collerstädter Grund: Das für den Betrieb zuständige BwDLZ teilt mit, dass eine konkrete Aussage zu den Unterhaltungskosten nicht möglich ist. Einnahmen werden nicht erzielt. Zu 3.: Die Chancen für eine touristische Nutzung der Talsperren in der Unterhaltungspflicht der TLUG werden aufgrund der gewerblichen fischereilichen Nutzung, der geringen Staufläche sowie der örtlichen Lage - inmitten landwirtschaftlicher Nutzfläche (Cumbach I und Cumbach II) sowie eingezwängt zwischen Waldrand und Straßenkörper (Reinhardsbrunn) - als kaum entwickelbar eingeschätzt. Eine touristische Nutzung der Talsperre Collerstädter Grund ist wegen ihrer Lage im militärischen Sicherheitsbereich , den dortigen Ausbildungsmaßnahmen, der Belastung mit Altmunition sowie der naturschutzfachlichen Betroffenheit infolge ihrer Lage im FFH- und Vogelschutzgebiet nicht denkbar. Eine öffentliche touristische Nutzung des Wasserkörpers von Trinkwassertalsperren ist regelmäßig durch die Wasserschutzgebietsverordnung ausgeschlossen und wegen des erforderlichen Gewässerschutzes auch nicht entwickelbar. Gleichwohl können Trinkwassertalsperren touristisch in Form von Wander- und Radwegen oder Führungen genutzt werden. Nach Mitteilung der TFW haben sich bereits die folgenden touristischen Nutzungen an ihren Talsperren etabliert: 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2600 Talsperre touristische Nutzungen Tambach-Dietharz wöchentliche Führungen, Wildwasserrafting, Kulisse für Veranstaltungen (zum Beispiel Tag des Wassers, Talsperrenkonzert) Ohra Rund- u. Radwanderweg, Führungen, Gastronomie Friemar Naherholung (Baden, Liegewiese, Camping, Wandern) Gastronomie, Angelfischerei Dachwig Angelfischerei, Naturbeobachtungen Tüngeda/ Wangenheim Naherholung (u. a. Baden, Liegewiese, Camping, Wandern), Angelfischerei Wechmar Angelfischerei, Wandern, Naturbeobachtungen Schmalwasser Rundwanderweg, "Kletterfelsen Falkenstein", Naturbeobachtungen, Wildwasserrafting Zu 4.: Die kleineren Talsperren im Thüringer Becken dienen aus touristischer Sicht eher der Naherholung der Einheimischen und haben keine touristische Relevanz. Ob eine touristische Nutzung einer Talsperre konfliktfrei erfolgen kann, hängt im Wesentlichen von der Art der touristischen Nutzung und dem Konfliktpotential mit bestehenden Rechten und Nutzungen ab. Nach Mitteilung der TFW ist zu den Talsperren Tüngeda/Wangenheim, Friemar und Dachwig aktuell das Flurbereinigungsverfahren angeordnet, um die Nutzungs- und Eigentumskonflikte zur Wasserfläche und zum Umfeld zu lösen. Im Rahmen der Verfahren werden Wege- und Gewässerpläne aufgestellt, deren Umsetzung auch eine angemessene Nutzung durch vorwiegend Naherholungssuchende an diesen Stauanlagen fördert. Die angelegten Rad- und Wanderwege um die Stauanlagen führen an attraktive Orte und Beobachtungsstellen sowie angrenzende Gastronomie- und Begegnungseinrichtungen (Spielplatz, Festplatz, Camping). An den Talsperren Friemar und Tüngeda/Wangenheim sind Nutzungsmöglichkeiten vorrangig für Naherholung in Form von Liegewiesen, Campingplatz Wangenheim oder Bademöglichkeiten bereits etabliert. Die ungünstige Wasserqualität durch die intensive Flächennutzung im Einzugsgebiet und die Morphologie der Gewässer schränkt diese Nutzungsmöglichkeiten jedoch ein. Eine Intensivierung oder zusätzliche Nutzungen , wie zum Beispiel Bootsverleih oder andere Wassersportmöglichkeiten, können zu Konflikten mit Fischereiausübungsberechtigten und naturschutzfachlichen Anforderungen führen. An den Talsperren Dachwig und Wechmar überwiegen die naturschutzfachlichen und fischereilichen Interessen stark, so dass eine Intensivierung der touristischen Nutzung des Wasserkörpers dieser Talsperren voraussichtlich zu Konflikten führen würde. Für diese Stauanlagen wären Nutzungskonzepte deshalb vorab mit den vorhandenen Nutzungsrechten abzugleichen. Darüber hinaus weisen beide Stauanlagen eine eher ungünstige Wasserqualität auf, die zum Beispiel das Baden nur begrenzt ermöglicht. Möglicherweise ergeben sich zukünftig Chancen, die Talsperren Schmalwasser und Tambach-Dietharz im Thüringer Wald touristisch intensiver zu nutzen. Die Ufer der Wasserkörper beider Talsperren sind jedoch durch extrem steile und hohe Felsen geprägt. Zufahrts- oder Zugangsstellen gibt es nur vereinzelt, die in der Regel nicht über öffentliche Wege erreichbar sind. Eine eventuelle Erschließung geeigneter Uferbereiche wäre deshalb voraussichtlich mit hohem Aufwand verbunden. Zur Talsperre Tambach-Dietharz läuft diesbezüglich derzeit gemeinsam mit der TFW eine Prüfung. Zu 5.: Im Rahmen der Konzeption "Wassertourismus in Thüringen" (TMWWDG, 2014) wurden die Potenziale und Marktchancen für den Wassertourismus in Thüringen untersucht. Darin wird festgestellt, dass Thüringen keine Wassertourismusdestination im eigentlichen Sinne darstellt. Viele der kleineren Gewässer sind vorrangig für die Naherholung von Bedeutung, aber nicht für den Thüringer Tourismus. Über touristisches Potenzial im Bereich Wassertourismus verfügen die großen Talsperren der Saale sowie die Talsperre Zeulenroda. 5 Drucksache 6/2600Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Im Weiteren wird auf die Antworten zu den Fragen 3 und 4 verwiesen. Tiefensee Minister Endnote 1 Da die Kosten für Investitionen sowie der korrespondierende "Zuschuss zu Investitionen" des Freistaates für hoheitliche Aufgaben in jedem Jahr anders anfallen, können sie hier nicht berichtet werden. 2 Da diese Trinkwassertalsperren weder aktuell noch absehbar Rohwasser zur Trinkwasseraufbereitung für die öffentliche Wasserversorgung liefern, wurde 2003 eine außerplanmäßige Abschreibung vorgenommen, so dass Abschreibungen als Kostenposition hier weitgehend entfallen. 3 Da die Kosten für Investitionen sowie der korrespondierende "Zuschuss zu Investitionen" des Freistaates für hoheitliche Aufgaben in jedem Jahr anders anfallen, können sie hier nicht berichtet werden. Touristische Entwicklung der Talsperren im Landkreis Gotha Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Endnote