01.09.2016 Drucksache 6/2622Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 20. September 2016 Zustand und Schutzmaßnahmen der Avifauna in Thüringen - Beachtung des Vogelschutzes beim Ausbau der Erneuerbaren Energien - Teil 1 Die Kleine Anfrage 1229 vom 6. Juli 2016 hat folgenden Wortlaut: Der aktuelle Zustand der Vogelwelt in Thüringen und die Ermittlung von Bedrohungspotentialen rücken den Vogelschutz und insbesondere Fragen des Bestandsschutzes bedrohter Vogelarten in den Fokus des öffentlichen Interesses. Im Rahmen von Klima- und Naturschutz in Thüringen spielt auch die Beobachtung und Bewertung des Zustands der heimischen Vogelwelt als sensibler Indikator für Klimaveränderungen, Schadstoffeinwirkungen und den allgemeinen Zustand der Ökosysteme eine wachsende und weitreichende Rolle. Auch die Auswirkungen von immer mehr Windkraftanlagen in Thüringen auf die regionale Avifauna müssen intensiver untersucht, bewertet und beachtet werden. Ich frage die Landesregierung: 1. Inwieweit wurde der zum 13. August 2015 von der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie erstellte avifaunistische Fachbeitrag zur Fortschreibung der Regionalpläne 2015 - 2018 "Empfehlungen zur Berücksichtigung des Vogelschutzes bei der Abgrenzung von Vorranggebieten für die Windenergienutzung" bei der Neuerstellung der Teilpläne "Windenergie" der Regionalpläne Mittelthüringen und Ostthüringen beachtet und berücksichtigt, die in den Jahren 2014 und 2015 vom Thüringer Oberverwaltungsgericht (ThürOVG 1 N 318/12 beziehungsweise ThürOVG 1 N 676/12) und vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG 4 BN 35.15 beziehungsweise BVerwG 4 BN 20.14) für nichtig erklärt wurden? 2. Sind in den beiden Teilplänen "Windenergie" in den Regionalplänen Mittelthüringen und Ostthüringen die vorhandenen EG-Vogelschutzgebiete dargestellt worden? 3. Gibt es Überlegungen, eine Rangliste bedeutsamer Vogelarten in Thüringen zu erstellen, die durch Windenergieanlagen in ihrem Bestand oder während ihres Durchzugs negativ beeinträchtigt werden und daher besonders zu schützen sind? 4. Welche Datenbasis liegt den Dichtezentren zugrunde, die im in Frage 1 genannten avifaunistischen Fachbeitrag der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie benannt sind? Aus welchen Jahren stammen diese Daten und wie wird eine Evaluierung sichergestellt, damit gegebenenfalls eine Anpassung der Dichtezentren erreicht wird? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Tasch (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2622 5. Welche reale Betroffenheit in der Fläche und welche tatsächliche Genauigkeit wird durch die Berechnung der Dichtezentren mit Hilfe einer geoinformationssystemgestützten Kerndichteschätzung tatsächlich erzielt? Welche Fehlerquote wird hierbei eingerechnet? 6. Wie wurde durch die Planungsgemeinschaften sichergestellt, dass eine avifaunistische Schutzprognose auch mit den realen örtlichen Bedingungen korreliert? Schlägt sich diese Prüfung der Betroffenheit von Vogelarten in einer verbindlichen Karte oder in restriktiven Aussagen nieder? 7. Weshalb gibt es in Thüringen nur vier kleinräumige Dichtezentren für den Rotmilan angesichts dessen, dass dieser Vogel deutschlandweit wie kaum eine andere Vogelart im Fokus bei der Zulassung oder Ablehnung von Windenergieanlagen steht? 8. Weshalb wird das Biosphärenreservat Rhön nicht als Dichtezentrum ausgewiesen? 9. Weshalb sind beim Schwarzmilan trotz ausreichender Brutpaardichte im nordöstlichen Landkreis Gotha und nordwestlichen Landkreis Weimarer Land keine weiteren Dichtezentren ausgewiesen worden? 10. Weshalb sind bei der Rohrweihe nicht die Werra-Aue und die Unstrut-Helme-Aue als wichtige Flusslandschaften und somit als Dichtezentren ausgewiesen worden? Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 31. August 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Der Fachbeitrag wurde berücksichtigt und bildete eine Grundlage für die Auswahl der Vorranggebiete "Windenergie " in den Regionalplänen Mittel- und Ostthüringen. Im Wesentlichen werden sechs Empfehlungen ausgesprochen: • Bei Brutvorkommen von Vogelarten, für die Dichtezentren ermittelt wurden, sollen innerhalb dieser Dichtezentren die artspezifischen Abstandsempfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten angewendet werden (Bsp.: 1.500 Meter um Rotmilanhorste). • Bei Vorkommen seltener, windenergieanlagensensibler (WEA-sensibler) Vogelarten, für die die Abgrenzung von Dichtezentren nicht sinnvoll ist, sollen die artspezifischen Abstandsempfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten im gesamten Planungsraum eingehalten werden. • Vogelschutzgebiete sollen von Windenergieanlagen freigehalten werden. • Wiesenbrütergebiete sollen von Windenergieanlagen freigehalten werden. • Den avifaunistisch bedeutsamen Gebieten (ABG) soll beim Abwägungsprozess ein hoher Stellenwert eingeräumt werden - insbesondere wenn es sich um national oder international bedeutsame Gebiete handelt. Bei regionalen ABG, die ausschließlich Wasserflächen und Uferbereiche enthalten, wird empfohlen , einen angemessenen Pufferbereich in die Abwägung mit einzubeziehen. • Den Zugkorridoren soll in der Abwägung ein hoher Stellenwert eingeräumt werden. Dies wurde in den Planentwürfen für Mittel- und Ostthüringen folgendermaßen umgesetzt: • Natura 2000-Gebiete (darunter fallen auch die EG-Vogelschutzgebiete) werden als weiche Tabuzonen von der Windenergienutzung freigehalten. • Wiesenbrütergebiete werden als weiche Tabuzonen von der Windenergienutzung freigehalten. • Dichtezentren von Vogelarten werden im Einzelfall geprüft. • Brutvorkommen seltener WEA-sensibler Vogelarten werden im Einzelfall geprüft. • Vogelzugkorridore und ABG werden im Einzelfall geprüft. (vergleiche Kleine Anfrage 1228, Frage 1) Zu 2.: In beiden Planentwürfen werden die EG-Vogelschutzgebiete als weiche Tabuzonen von der Windenergienutzung freigehalten. Im Entwurf Mittelthüringen ist eine kartographische Darstellung der EG-Vogelschutzgebiete erfolgt, im Entwurf Ostthüringen nicht. 3 Drucksache 6/2622Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 3.: Im durch die Vogelschutzwarte Seebach erarbeiteten avifaunistischen Fachbeitrag werden bestimmte Vogelarten betrachtet, die als besonders WEA-sensibel gelten. Zu den WEA-sensiblen Vogelarten gehören alle in den Abstandsempfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten genannten Vogelarten , soweit sie in Thüringen regelmäßig brüten. Darüber hinaus sind entsprechend § 7 Abs. 2 Nr. 12 und Nr. 13 des Bundesnaturschutzgesetzes i.V. Art. 1 der Vogelschutzrichtlinie alle heimischen Brut- und Zugvogelarten besonders geschützt. Darüber hinaus erscheint eine Rangliste nicht erforderlich. Zu 4.: Die Datenbasis zur Berechnung der Dichtenzentren einschließlich der Erfassungsjahre wird in oben genannten Fachbeitrag auf Seite 5 ff. erklärt. Die Datenbasis bezieht sich auf Erfassungen zur Reviertreue der besonders WEA-sensiblen Arten aus den Jahren seit 2010 (Wachtelkönig, Schwarzmilan, Rotmilan, Rohrweihe und Uhu), seit 2011 (Baumfalke) bzw. seit 2013 (Schwarzstorch) und seit 2014 (Wanderfalke). Der Fachbeitrag steht auch als Download zur Verfügung*. Der Fachbeitrag ist für die aktuelle Fortschreibung der Regionalpläne entwickelt. Selbstverständlich wird die Landesregierung weiterhin die Auswirkungen von Windenergieanlagen auf die Vogelwelt beobachten. Bei späterem Bedarf, zum Beispiel für eine erneute Fortschreibung der Regionalpläne, kann eine Überarbeitung erfolgen. Zu 5.: Die im oben genannten Fachbeitrag verwendete Kerndichteschätzung ist ein geostatistisches Verfahren, das die räumliche Verteilung einer Zufallsvariablen in einem fest definierten Raster auf Basis von Nachbarschaftsbeziehungen analysiert. Das Ergebnis ist abhängig von der Parametrisierung des hinterlegten Rechenmodells sowie der Stratifizierung der Ergebnisse. Beides ist wiederum abhängig von der Ausgangsfragestellung (Planansatz) des Plangebers und vom populationsökologischen Ansatz, den die Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie/Vogelschutzwarte zugrunde gelegt hat (Fachbeitrag S. 5 ff.). Eine "Fehlerquote" im Hinblick auf die Genauigkeit der räumlichen Abgrenzung der Dichtenzentren ergibt sich durch ggf. unzureichende oder fehlerhafte Daten und die anschließend vorgenommene Anpassung des Rasters an landschaftsmorphologische Merkmale bzw. Leitlinien der Siedlungs- und Verkehrsinfrastruktur (Fachbeitrag, S. 6). Es wird eingeschätzt, dass das Ausmaß dieser "Fehlerquote" in der artspezifischen Flächenbilanzierung unterhalb von ein Prozent liegt. Zu 6.: Eine Prüfung der Korrelation der avifaunistischen Schutzprognose mit den realen örtlichen Gegebenheiten in diesem Sinne erfolgt nicht. Grundsätzlich wird die Korrelation der avifaunistischen Schutzprognose mit den realen örtlichen Bedingungen unterstellt. Es findet eine Plausibilitätsprüfung statt, bei der die unteren Naturschutzbehörden einbezogen werden und darauf geachtet wird, dass deren Erkenntnisse in die avifaunistische Schutzprognose eingeflossen sind. Außerdem dient auch die Beteiligung der Öffentlichkeit und der in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen gemäß § 3 Thüringer Landesplanungsgesetz und § 10 Raumordnungsgesetz der Prüfung der oben genannten Korrelation. Zu 7.: Dichtezentren sind ein Beurteilungsmaßstab, der für die (vorgelagerte) Regionalplanung entwickelt wurde . Für die Anlagenzulassung im nachgelagerten Genehmigungsverfahren sind sie ohne Bedeutung. Hier werden einzelfallbezogen die arten- und gebietsschutzrechtlichen Vorgaben zur Entscheidungsfindung herangezogen . Insgesamt umfassen die für den Rotmilan errechneten Dichtezentren eine Landesfläche von 11,1 Prozent. Sie sollen den Fokus der Regionalplanung auf weniger dicht besiedelte Bereiche lenken und somit zum Erhalt der landesweiten Bestände beitragen, ohne dem geplanten Ausbau der Windenergie substanziell entgegenzustehen . Zu 8.: Die Anzahl der für dieses Gebiet gemeldeten Brutvorkommen ist zu gering gewesen. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2622 Zu 9.: Die Anzahl der für diese Gebiete gemeldeten Brutvorkommen ist zu gering gewesen. Zu 10.: Bei der Rohrweihe sind in den vergangenen Jahrzehnten eine deutliche Zunahme von Getreidebruten und damit eine zunehmende "Unabhängigkeit" von Flusslandschaften und anderen Feuchtgebieten zu beobachten . Nicht zuletzt deswegen ist die Anzahl der für diese Gebiete gemeldeten Brutvorkommen zu gering gewesen. Siegesmund Ministerin Endnote * http://www.thueringen.de/mam/th8/tlug/content/abt_1/download/avifaunistischer_fachbeitrag_regionalplaene _2015_18.pdf Zustand und Schutzmaßnahmen der Avifauna in Thüringen - Beachtung des Vogel-schutzes beim Ausbau der Erneuerbaren Energien - Teil 1 Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: Endnote