02.09.2016 Drucksache 6/2630Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 20. September 2016 Veröffentlichungen der Thüringer Polizei und Staatsanwaltschaften - Kleine Anfrage 1060 - nachgefragt Die Kleine Anfrage 1216 vom 1. Juli 2016 hat folgenden Wortlaut: Wie der Antwort der Landesregierung in Drucksache 6/2326 auf meine Kleine Anfrage 1060 (Vorfall am 28. April in der Vollersdorfer Straße in Gera) zu entnehmen ist, wurde am 28. April dieses Jahres ein 14-jähriger afghanischer Jugendlicher von zwei 18-jährigen afghanischen Jugendlichen vergewaltigt. Öffentlich wurde die Tat erst durch die Kleine Anfrage. Eine vorherige Erwähnung der Tat im Polizeibericht der Landespolizeiinspektion Gera fand offenbar nicht statt. Ich frage die Landesregierung: 1. Wer ist für die Erstellung der Presseaussendungen der Landespolizeiinspektion Gera, der Landespolizei und der Staatsanwaltschaften jeweils zuständig (bitte Amtsbezeichnung mitteilen)? Wie erfolgt die Auswahl des jeweiligen Inhalts und Umfangs der Presseaussendungen? 2. Wer war für die Entscheidung zuständig, die eingangs erwähnte Straftat nicht im Polizeibericht zu erwähnen beziehungsweise durch Presseaussendung nicht bekanntzumachen? 3. Warum fand die oben erwähnte Straftat keine Erwähnung in den Presseaussendungen der Landespolizeiinspektion Gera beziehungsweise anderer Stellen der Thüringer Polizei oder der Staatsanwaltschaft? 4. Nach welchen Kriterien richtet sich die Veröffentlichung beziehungsweise die Nichtveröffentlichung von Vorfällen, insbesondere Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, in den Presseaussendungen der Thüringer Polizei und den Staatsanwaltschaften? Gibt es hierfür Vorgaben seitens des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales, des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbaucherschutz oder anderer Behörden? Wenn ja, welche jeweils? 5. Welche weiteren Straftaten (Verbrechen und Vergehen gemäß § 12 Strafgesetzbuch) wurden seit dem 1. Januar 2015 nicht bei Presseaussendungen der Thüringer Polizei, der Staatsanwaltschaften oder anderer Behörden berücksichtigt (bitte aufschlüsseln nach Tatbestand, Ort und Datum)? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Brandner (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2630 Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 1. September 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Für die Erstellung von Medieninformationen in den Landespolizeiinspektionen ist der "Sachbearbeiter Öffentlichkeitsarbeit , zugleich Pressesprecher" verantwortlich. Dieser Dienstposten ist laut Organisationsund Dienstpostenplan ein Sachbearbeiter gehobener Polizeivollzugsdienst A 11 (Polizeihauptkommissar). In der Landespolizeidirektion ist hierfür der "Sachbearbeiter Öffentlichkeitsarbeit, zugleich Pressesprecher" verantwortlich. Dieser Dienstposten ist laut Organisations- und Dienstpostenplan ein Sachbearbeiter gehobener Polizeivollzugsdienst A 13 (Erster Polizeihauptkommissar). Die Auswahl der zu veröffentlichenden Sachverhalte und deren Umfang richtet sich in erster Linie nach den Vorgaben des Thüringer Pressegesetzes (GVBl. 1991, 271), der Handlungsanweisung des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales über die Zusammenarbeit der Thüringer Polizei mit den Medien und der Dienstanweisung der Landespolizeidirektion zur Öffentlichkeitsarbeit und weiterer einschlägiger Vorschriften. Bei den Staatsanwaltschaften und der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft ist die jeweilige Behördenleiterin oder der jeweilige Behördenleiter für die Pressearbeit verantwortlich. Von diesen wurde die Pressearbeit jeweils einer Pressesprecherin oder einem Pressesprecher und ihrer/m/seiner/m Stellvertreterin oder Stellvertreter übertragen. Es handelt sich um (Ober-) Staatsanwältinnen oder (Ober-) Staatsanwälte. Diese sind für die Erstellung von Pressemitteilungen, auch hinsichtlich ihres Inhalts und Umfangs, zuständig. Zu 2.: Die Entscheidung wurde in Zuständigkeit der Landespolizeiinspektion Gera getroffen. Zu 3.: Nach dem Thüringer Pressegesetz (TPG) ist die Thüringer Polizei verpflichtet, den Vertretern der Presse "… die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen." Das Auskunftsrecht der Presse ist dabei nicht schrankenlos, sondern wird durch die Bestimmungen des § 4 Abs. 2 TPG eingeschränkt. Im Übrigen ist nach Nummer 23 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit zu prüfen, ob deren Interesse an einer vollständigen Berichterstattung gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Beschuldigten oder anderer Beteiligter, insbesondere auch des Verletzten, überwiegt. Die Gemeinsame Verwaltungsvorschrift von Thüringer Justiz- und Innenministerium über die Zuständigkeiten bei der Erteilung von Presseauskünften bei der Strafverfolgung bestimmt darüber hinausgehend, dass bei "… der Auskunftserteilung … der durch die Grundrechtsnormen gebotene Persönlichkeitsschutz der Betroffenen (der Beschuldigten, Zeugen und anderen Beteiligten) berücksichtigt werden" muss. "Andere Personen als Tatverdächtige (z.B. Zeugen) können durch eine öffentliche Erörterung des Verfahrens … ebenfalls schwer benachteiligt werden (etwa Tatopfer bei Sittlichkeitsdelikten)." Diesen Grundsätzen folgend verzichtet die Thüringer Polizei bereits seit Jahren über eine Berichterstattung bei Sexualdelikten, wenn die Opfer solcher Taten Kinder bzw. Jugendliche sind. Zu 4.: Miteilungen an die Medien richten sich in erster Linie nach dem Thüringer Pressegesetz (TPG). Nach § 4 Abs. 1 TPG sind die Behörden des Landes verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen. Besondere Beachtung finden die Vorgaben des vom Deutschen Presserat erlassenen Pressekodex. Für den Bereich der Staatsanwaltschaften wird diese Regelung insbesondere durch die Nummern 23 und 191 Abs. 6 der bundeseinheitlichen Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) sowie Nummer VI der Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Thüringer Justizministeriums (jetzt Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz) und des Thüringer Innenministeriums (jetzt Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales) vom 29. November 1991 (JMBl. 1992 Nr. 1, S. 7), geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 5. Juni 1996 (JMBl. 1997 Nr. 1 S. 5) sowie Gemeinsame Verwaltungsvorschriften vom 1./3. Juli 2008 (JMBl. Nr.4, S. 38) und 18./29. Oktober 2013 (JMBl. Nr. 6, S. 93) konkretisiert. 3 Drucksache 6/2630Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Nach Nummer 23 Abs. 1 RiStBV ist bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit mit Presse, Hörfunk und Fernsehen unter Berücksichtigung ihrer besonderen Aufgaben und ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung zusammenzuarbeiten. Diese Unterrichtung darf weder den Untersuchungszweck gefährden noch dem Ergebnis der Hauptverhandlung vorgreifen; der Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren darf nicht beeinträchtigt werden. Auch ist im Einzelfall zu prüfen, ob das Interesse der Öffentlichkeit an einer vollständigen Berichterstattung gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Beschuldigten oder anderer Beteiligter, insbesondere auch des Verletzten, überwiegt. Eine unnötige Bloßstellung dieser Person ist zu vermeiden. Dem allgemeinen Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird in der Regel ohne Namensnennung entsprochen werden können. Nach Nummer 191 Abs. 6 Satz 1 RiStBV ist zudem bei Verfahren gegen Abgeordnete in jedem Stadium des Verfahrens bei Auskünften gegenüber Presse, Hörfunk und Fernsehen der Funktionsfähigkeit und dem Ansehen der betreffenden gesetzgebenden Körperschaft Rechnung zu tragen. Nach den vorgenannten Maßstäben wird eine Medienauskunft durch die Staatsanwaltschaften von Amts wegen nur ausnahmsweise und zurückhaltend erteilt. Zu 5.: Ausweislich der Polizeilichen Kriminalstatistik für den Freistaat Thüringen wurden durch die Thüringer Polizei im Jahr 2015 140.240 Straftaten (Verbrechen und Vergehen) erfasst. Neben den eingeschränkten rechtlichen Möglichkeiten ist es weder erforderlich noch praktisch möglich, jede dieser Straftaten über eine Medieninformation der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Welche Straftaten veröffentlicht werden (auf Nachfrage oder über vorherige Pressemitteilung), wird nicht in einer Statistik erfasst. Dr. Poppenhäger Minister Veröffentlichungen der Thüringer Polizei und Staatsanwaltschaften - Kleine Anfra-ge 1060 - nachgefragt Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: