24.10.2016 Drucksache 6/2860Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 8. November 2016 Entwicklung von Flächenversiegelung in Thüringen Die Kleine Anfrage 1450 vom 8. September 2016 hat folgenden Wortlaut: Flächennutzung durch den siedelnden und wirtschaftenden Menschen hat zwangsläufig Überbauung von Flächen zur Folge. Mit dem Flächenverbrauch geht die Flächenversiegelung einher. Die gravierenden ne gativen Wirkungen im Ökosystem kennzeichnen die Flächenversiegelung als eine vordringliche Umwelt problematik. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse und Daten liegen der Landesregierung über die Entwicklung der versiegelten Flä che im Freistaat Thüringen seit dem Jahr 2006 vor? 2. Liegen der Landesregierung begründete Prognosen für die zu erwartende Entwicklung der Flächenver siegelung im Freistaat Thüringen vor? Wenn ja, wie lauten diese Prognosen? 3. Wie hat sich die durch Photovoltaikanlagen und Windkraftanlagen im Freistaat Thüringen genutzte Flä che seit dem Jahr 2006 entwickelt und liegen der Landesregierung begründete Prognosen für die wei tere Entwicklung vor? 4. Warum werden nicht genutzte Industriebrachen und weitere nicht nutzbare Flächen zur Betreibung von Photovoltaikanlagen genutzt? Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 21. Okotber 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Nach den durch das Thüringer Landesamt für Statistik erhobenen Daten beträgt die Siedlungs und Ver kehrsfläche für den Zeitraum von 2006 bis 2015 (Berichtszeitraum 31. Dezember des jeweiligen Jahres): • 2006: 30.454 Hektar • 2007: 30.614 Hektar • 2008: 30.759 Hektar • 2009: 30.905 Hektar • 2010: 31.153 Hektar K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Henke (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2860 • 2011: 31.419 Hektar • 2012: 31.770 Hektar • 2013: 32.151 Hektar • 2014: 33.131 Hektar • 2015: 33.450 Hektar Die Siedlungs- und Verkehrsfläche setzt sich zusammen aus der Gebäude- und Freifläche, der Betriebsflä che (ohne Abbauland), der Erholungsfläche, der Verkehrsfläche und der Fläche für Friedhöfe. Die Angaben resultieren aus den Daten des Liegenschaftskatasters und sind aus den in der Antwort zur Frage 2 darge legten Gründen derzeit noch mit Unsicherheiten behaftet. Zu 2.: Um eine genaue Aussage über den Grad der Versiegelung und deren Entwicklung treffen zu können, sind verlässlichere Datengrundlagen als bisher (vgl. Antwort zu Frage 1) notwendig. Hierzu werden derzeit die Geobasisdaten des Landes geometrisch und inhaltlich unter anderem mit dem Ziel weiterentwickelt, dass zukünftig verlässlichere Aussagen zum Monitoring des Flächenverbrauchs getroffen werden können. Bislang wurden die im Liegenschaftskataster nachgewiesenen tatsächlichen Nutzungen der Flurstücke jähr lich an das Landesamt für Statistik gemeldet und dort für das Monitoring des Flächenverbrauchs verwen det. Da die Erfassung und Fortführung der tatsächlichen Nutzungen der Flurstücke jedoch bis Mitte 2016 anlassbezogen im Zusammenhang mit Liegenschaftsvermessungen erfolgte, ist bisher beispielsweise eine neue Straße oder Bahntrasse erst dann als Verkehrsfläche im Liegenschaftskataster nachgewiesen, wenn die Straßenschlussvermessung abgeschlossen ist, das heißt mitunter erst Jahre nach dem Bau. Zukünftig werden in einem zweijährigen Turnus die tatsächlichen Nutzungen der Flurstücke aktualisiert, so dass in definierten Zeiträumen Aussagen zu Veränderungen der im Liegenschaftskataster geführten Nut zungsartenbereiche Siedlung, Verkehr, Vegetation und Gewässer getroffen werden können. Diese dann zur Verfügung stehenden Datengrundlagen werden hinreichend genaue Aussagen zum Monitoring des Flächen verbrauchs zulassen, auch wenn die Nutzungsartenbereiche Siedlung und Verkehr bebaute und nicht be baute Flächen beinhalten und im Liegenschaftskataster keine konkrete Flächenversiegelung geführt wird. Zuverlässige Prognosen im Sinne der Fragestellung können nach der abschließenden Ersterfassung der tatsächlichen Nutzung voraussichtlich ab dem Jahr 2020 abgegeben werden. Langfristiges Ziel der Thüringer Landesregierung ist es, den Flächenverbrauch bezogen auf die Fläche Thü ringens auf "nettoNull" zu senken. Zu 3.: In Thüringen wird seit dem Jahr 1996 das Eingriffs-Kompensations-Informa tionssystem (EKIS) auf der Grundlage des § 8 Abs. 8 des Thüringer Gesetzes für Natur und Landschaft geführt. In den Jahren 1990 bis 2011 wurde dort für die Kategorie "Verfahren nach Immissionsschutzrecht wie z. B. Biogas, Windkraft und größere Stallanlagen" eine Eingriffsfläche von 305 Hektar ausgewiesen (siehe auch Landtags-Druck sachen 5/4859, 5/4644). Weitere kumulierte Angaben liegen gegenwärtig nicht vor. Sofern der Grad der Versiegelung unberücksichtigt bleibt, ist auf die Faustformel zu verweisen, nach der pro Megawatt-Peak (MWp) Freiflächen-Photovoltaik anlagen ungefähr 2,5 Hektar Fläche benötigt werden. Legt man die Anlagenstammdaten der Bundesnetzagentur bis zum Jahr 2014 zugrunde, wurden bis Ende 2014 insgesamt 190 Freiflächenanlagen (Filter ab einer Größe von 300 kWp) mit einer Leistung von 416 MW in Thüringen gemeldet, was einer genutzten Fläche von circa 1.000 Hektar entspräche. Es wird jedoch darauf verwiesen, dass eine Versiegelung bei größeren Photovoltaik-Freiflächenanlagen in der Regel nicht stattfindet, da die Module aufgeständert sind. Bezüglich der entstehenden Eingriffe in Zusammenhang mit Windenergieanlagen lässt sich auf der Basis von Daten der Oberen Naturschutzbehörde im Thüringer Landesverwaltungsamt aus dem Jahr 2012 ein Mit telwert von 1.654 Quadratmeter versiegelte Fläche pro Anlage benennen (betrachtet man allerdings Wind kraftanlagen ab 2 MW Nennleistung, steigt der Wert auf 1.883 Quadratmeter je Anlage), wonach die rund 3 Drucksache 6/2860Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode 700 im Jahr 2013 in Thüringen bestehenden Windenergieanlagen hochgerechnet insgesamt circa 188 Hek tar versiegelte Fläche belegen würden. Die Anzahl der Windenergieanlagen hat sich in Thüringen seit 2006 wie folgt entwickelt: Jahr Anzahl 2006 512 2007 536 2008 545 2009 557 2010 581 2011 597 2012 641 2013 681 2014 723 2015 739 Prognosen hinsichtlich der weiteren Entwicklung liegen der Landesregierung nicht vor, da die zu erwarten de Anzahl von neuen Windenergieanlagen oder Freiflächen-Photovoltaikanlagen aufgrund des Einflusses diverser regulatorischen Rahmenbedingungen nicht abgeschätzt werden kann. Hinzu kommt insbesonde re bei Windenergieanlagen deren stetige technologische Fortentwicklung zu höheren spezifischen Leistun gen, wodurch zukünftig pro Raumeinheit weniger Anlagen für gleiche Leistungen notwendig sein könnten. Auch ermöglicht die Standortspezifik von Windvorranggebieten oftmals keine 100 Prozentige Auslastung und hat natürlich auch Auswirkungen auf mögliche Größenklassen und Leistungskonfigurationen der je weiligen Windenergieanlage. Ungeachtet dessen ist die Ausweisung eines zur Abdeckung der energiepoli tischen Erfordernisse hinreichenden Anteils der Landesfläche von einem Prozent zur Erzeugung erneuer barer Energien durch Windkraft wesentliche Grundlage für einen künftigen Ausbau. Zu 4.: Von 2012 bis 2014 gab es in Thüringen ein SolarFlächenPortal, welches diese Thematik aufgegriffen und die in Thüringen vorhandenen Flächen solcher Art auf Tauglichkeit für Photovoltaikanlagen überprüft und katalogisiert hat. Das Brachflächenkataster umfasste rund 350 Hektar (Militärflächen, Deponien und sons tige nichtgenutzte Flächen). Im Ergebnis wurde etwa ein Drittel der Flächen einer Nutzung zugeführt. Auf den verbleibenden Flächen erfolgte aus verschiedenen Gründen keine Belegung (z. B. zu geringe Erdüber deckung bei geschlossenen Deponien, zu hohe Abbruchkosten im Verhältnis zum Grundstückswert, zu gro ße Entfernung des Einspeisepunktes, ungelöste Eigentumsfragen, Einwände Dritter). Die Landesregierung und das Thüringer Bündnis für Fläche, unter anderem bestehend aus obersten Lan desbehörden, Verbänden und Hochschulen, betrachten aus flächenpolitischer Sicht die weitere Installation von Photovoltaikanlagen vor allem auf Dächern und Fassaden als sinnvoll, wobei geeignete Brachflächen in die Betrachtung einzubeziehen sind. Dies gilt ebenso für die energetische Nutzung von Biomasse und die Installation weiterer Windkraftanlagen. In Vertretung Dr. Sühl Staatssekretär Entwicklung von Flächenversiegelung in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: