07.11.2016 Drucksache 6/2878Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 28. November 2016 Teilnahme an Leseprojekten als Sanktion im Jugendstrafrecht in Thüringen Die Kleine Anfrage 1496 vom 23. September 2016 hat folgenden Wortlaut: In einem Gerichtsbericht informierte die Ostthüringer Zeitung am 19. August 2016 über einen Fall von unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in geringen Mengen. Eine Jugendgerichtshelferin habe vor Gericht als Strafe eine Leseweisung vorgeschlagen. Bei dieser Form der Strafe würde der Betroffene an einem Leseprojekt teilnehmen. Ich frage die Landesregierung: 1. Was ist unter einer Leseweisung als Sanktion im Jugendstrafrecht zu verstehen? 2. In welchen Fällen wurden und werden in Thüringen Leseprojekte als Sanktion im Jugendstrafrecht angewendet ? 3. Seit wann gibt es diese Sanktion im Jugendstrafrecht in Thüringen? 4. Wie oft wurde diese Sanktion im Jugendstrafrecht in Thüringen verhängt? 5. Wie bewertet die Landesregierung das Konzept dieser Leseprojekte und die Wirkung auf die zur Teilnahme Verurteilten? 6. Welche Träger organisieren und begleiten diese Art von Leseprojekten? 7. Vor welchem Publikum werden die Leseprojekte durchgeführt? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 4. November 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Leseweisung ist keine Strafe. Sie kann im Jugendstrafverfahren insbesondere als Weisung, mithin als eine Form der Erziehungsmaßregel, verhängt werden. Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen (§ 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 JGG). Die Leseweisung ist auch als erzieherische Maßnahme im Rahmen des Diversionsverfahrens, nach deren Durchführung die Staatsanwaltschaft oder das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft das Er- K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kowalleck (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2878 mittlungs- bzw. Strafverfahren einstellen kann (§ 45 Abs. 2, § 47 Abs. 1 JGG), oder als Bewährungsauflage (z. B. nach § 23 Abs. 1 JGG) denkbar. Sie richtet sich somit an zur Zeit der Tat 14- bis 20-jährige Jugendliche und Heranwachsende und ermöglicht diesen jungen Menschen den Kontakt zu altersgerechter Literatur, die sich mit jugendspezifischen Problemen , verschiedenen Lebenswelten und Straftaten auseinandersetzt. Das Lesen der Bücher, die Bearbeitung begleitender Aufgaben und das Gespräch eines Sozialpädagogen mit dem Verurteilten zum Buch sollen die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Tat und eigenen Erfahrungen unterstützen. Bei der Auswahl der Literatur soll ein enger thematischer Zusammenhang zwischen der Straftat und/oder den Lebensbedingungen des Betroffenen bestehen. Themen der Bücher sind unter anderem: • Alkohol, Drogen, Prostitution • Aggression, Gewalt, Konflikt, Kriminalität • Straßenkinder, Heim, Psychiatrie, Gefängnis • Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Rechtsradikalismus • Gefühle, Freundschaft, Familie, Lebensgeschichte • Schule, Mobbing, Ausgrenzung, Anerkennung • sexuelle Gewalt, Essstörungen, psychische Probleme • Computer, Internet. Zur vertiefenden Reflexion bekommen die Jugendlichen oder Heranwachsen die Aufgaben gestellt, welche sie bearbeiten sollen. Während der Buchbesprechungen werden die begleitenden Aufgaben gemeinsam ausgewertet, Verständnisfragen geklärt und ein Bezug zur eigenen Lebenssituation des jungen Menschen hergestellt. Zu 2.: Die Anwendung der Leseweisung ist nicht auf bestimmte Straftaten beschränkt. Besonders häufig findet sie bei Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit, Eigentumsdelikten und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz Anwendung. Zu 3.: Nach Erarbeitung eines Konzepts zur Leseweisung im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt im Mai 2014 wird die Leseweisung im Landgerichtsbezirk Gera seit Ende 2014/Anfang 2015 durch das Jugendamt der Stadt Gera (innerhalb der Jugendstation Gera) und des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt angeboten. Zu 4.: Seit Juni 2014 in bislang 34 Fällen. Zu 5.: Nach übereinstimmender Ansicht des Jugendgerichts, der zuständigen Staatsanwaltschaft und der Jugendgerichtshilfe der Stadt Gera und des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt hat sich das zunächst als Modellprojekt begriffene Leseprojekt bewährt. Die Maßnahme erscheint grundsätzlich geeignet, bei Jugendlichen Denkanstöße auszulösen, um eigenes strafrechtlich relevantes Verhalten zu hinterfragen. Gesicherte Erkenntnisse zur Wirkung auf die Probanden liegen der Landesregierung jedoch nicht vor. Zu 6.: Die Weisung wird in der Stadt Gera durch die Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe des Jugendamts selbst, im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt im Auftrag des Jugendamts durch Mitarbeiter des Jugendfördervereins Saalfeld-Rudolstadt e. V., einem anerkannten Träger der öffentlichen Jugendhilfe, ausgestaltet. Zu 7.: Die Leseweisung wird nicht vor Publikum, sondern unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt. An dem Gespräch nehmen lediglich der sozialpädagogische Mentor sowie der Jugendliche oder ihm gleichgestellte Heranwachsende teil. Lauinger Minister Teilnahme an Leseprojekten als Sanktion im Jugendstrafrecht in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: