27.10.2016 Drucksache 6/2903Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 22. November 2016 Sportunterricht und Bewegungsförderung an Thüringer Schulen - Entwicklungstendenzen Die Kleine Anfrage 1338 vom 17. August 2016 hat folgenden Wortlaut: Bereits in seinem Beschluss "Stärkung des Sports in Thüringer Kindergärten und Schulen" vom 22. Juni 2007 (vergleiche Drucksache 4/3136) hat der Thüringer Landtag zu Recht festgestellt: "Sportunterricht und Bewegungserziehung in den Bildungsinstitutionen leisten einen wichti gen Beitrag für die Bildung und Erziehung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Wegen der durch Bewegungsmangel , Fehlbelastungen und falsche Ernährung gekennzeichne ten Alltagsabläufe kommen dem Sportunterricht und allen weiteren bewegungsorientierten Angeboten an Bildungseinrichtungen immer größere Bedeutung zu. Im Kindes- und Jugendal ter soll neben der unmittelbaren Wirkung auch eine lebenslange positive Einstellung zum Sporttreiben anerzogen werden." Wie unterschiedliche empirische Studien aus den vergangenen Jahren, eine kontinuierliche Medienberichterstattung zum Thema und Rückmeldungen aus der Schulpraxis sowie aus dem organisierten Sport zeigen, hat diese Einschätzung nach wie vor nichts an Aktualität einge büßt. Es erscheint daher angebracht, zu Beginn des neuen Schuljahres 2016/2017 den aktuellen Stand des Sportunterrichts und der Bewegungsförderung an den Thüringer Schulen detailliert zu hinterfragen. Ich frage die Landesregierung: 1. Inwieweit ist die Landesregierung der Bitte des Thüringer Landtags in Punkt 3 h seines Beschlusses "Stärkung des Sports in Thüringer Kindergärten und Schulen" vom 22. Juni 2007 (vergleiche Drucksache 4/3136) nachgekommen, "zu prüfen, ob mittelfristig die Datenbasis zum Thüringer Schulsport durch wissenschaftliche Untersuchungen oder Kompetenztests verbreitert werden kann"? Falls eine derartige Prüfung erfolgt ist: Zu welchen Ergebnissen hat sie geführt? 2. Welche konkreten Maßnahmen sind seit dem Landtagsbeschluss von dem Jahr 2007 ergriffen worden, um die Datenbasis zum Thüringer Schulsport zu erweitern? Welche konkreten Maßnahmen sind in diesem Bereich künftig geplant, insbesondere im Hinblick auf die Durchführung und wissenschaftliche Auswertung des von der Sportministerkonferenz empfohlenen "Deutschen Motorik-Tests 6-18 (DMT 6-18)"? 3. An wie vielen Thüringer Schulen wird derzeit Sportförderunterricht erteilt (bitte Auf stellung nach Schularten und Schulämtern)? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Rosin (SPD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2903 4. Auf welcher Grundlage und anhand welcher Kriterien wird einer Schülerin oder einem Schüler Sportförderunterricht empfohlen? 5. Wie erfolgt die Bedarfsermittlung für Sportförderunterricht in Thüringen konkret? In wieweit könnte durch einen Kompetenztest wie dem genannten "Deutschen Motorik-Test 6-18 (DMT 6-18)" der Bedarf an Sportförderunterricht ermittelt werden? 6. Benötigen Sportlehrerinnen und Sportlehrer in Thüringen eine Zusatzqualifikation, um Sportförderunterricht erteilen zu können? Falls ja, wie ist diese Zusatzqualifikation konkret definiert und wie viele Sportlehrerinnen und Sportlehrer besitzen sie bereits? 7. Welche konkreten Maßnahmen plant die Landesregierung zum Ausbau des Sportför derunterrichts? 8. Für wie viele Schülerinnen und Schüler wird aufgrund ihrer körperlichen, koordinativen oder konditionellen Voraussetzungen derzeit ein Nachteilsausgleich im Fach Sport ge währt (bitte Aufstellung nach Schularten und Klassenstufen)? 9. Wie bewertet die Landesregierung die zahlreich vorliegenden wissenschaftlichen Stu dien zur nötigen Implementation einer "Täglichen Sportstunde" an Schulen sowie den entsprechenden Schulversuch im damaligen Schulamtsbezirk Schmalkalden-Meiningen (im Jahr 2005)? 10. An wie vielen Thüringer Schulen wird die "Tägliche Sportstunde" bereits praktiziert (bit te Aufstellung nach Schularten, Schulämtern und Schulen)? Mit welchen konkreten Maßnahmen unterstützt die Landesregierung diese Schulen? 11. Verfügt das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport über ein Konzept zur flächendeckenden Einführung der "Täglichen Sportstunde" an den Thüringer Schulen? Falls nein, warum nicht? Falls ja, welche konkreten Schritte wären für dessen Umsetzung notwendig? Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1. und 2.: Im Ergebnis des Beschlusses des Thüringer Landtages vom 22. Juni 2007 hat die Thüringer Landesregierung geprüft, welche Bereiche des Sports in den Thüringer Kindergärten und Schulen besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Neben der Stärkung des Sportförderunterrichts für Schüler/-innen mit Haltungs-, Organleistungs- und Koordinationsschwächen sowie für wenig motivierte, leistungsschwache oder bewegungsgehemmte Kinder und Jugendliche war und ist dies die Erlangung der Schwimmfähigkeit. Die Erfahrungswerte des Thüringer Schulsports, die im Sportunterricht vorgenommene Bewertung der Schülerleistungen sowie die in den schulsportlichen Wettbewerben nachgewiesenen Resultate belegen, dass die Fitness beziehungsweise das motorische Leistungsniveau der Schüler/-innen sich dem Trend in allen Ländern nicht entziehen kann und dem Niveau groß angelegter Studien entspricht. Der prinzipielle Thüringer Ansatz war und ist, nicht immer wieder die bereits bekannte Situation durch weitere Testreihen zu belegen, sondern zusätzlich zum Sportunterricht vielfältige außerunterrichtliche schulsportliche Aktivitäten und Wettbewerbe anzubieten, um noch mehr Kinder und Jugendliche für Bewegung und Sport in den Thüringer Sportvereinen und in der Freizeit zu begeistern. In diesem Prozess ist der Landessportbund (LSB) Thüringen e.V. ein bewährter Partner. Zudem sind das Verständnis und die Mitwirkung der Erziehungsberechtigten unentbehrlich. Gleichzeitig ist festzustellen, dass für die Landesregierung nach Prüfung ihrer umfangreichen Kernaufgaben eine zusätzliche Erhebung, Pflege und Erhaltung sowie Auswertung einer Datenbasis finanziell und personell nicht leistbar ist. Die Empfehlungen der KMK und auch die Diskussionen im Thüringer Landtag 2006 bis 2007 gaben und geben zu bedenken, dass wissenschaftliche Erhebungen nur im Rahmen der finanziellen und personellen Möglichkeiten der Länder/des Landes realisiert werden können. Derzeit wird gemeinsam mit dem LSB geprüft, das Projekt "Bewegte Kinder = gesündere Kinder" in Verbindung mit einem Motoriktest erproben und durchführen zu können. Dieses Vorhaben hat als vorrangiges 3 Drucksache 6/2903Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Ziel, motorisch benachteiligte Kinder zu identifizieren und ihnen maßgeschneiderte Bewegungsmöglichkeiten zur Verbesserung ihrer individuellen motorischen Leistungsfähigkeit anzubieten. Zu 3.: Sportförderunterricht sollte laut Thüringer Schulordnung § 47 Abs. 7 für Schüler/innen, die der sportlichen Förderung bedürfen, eingerichtet werden. Es handelt sich hierbei um ein fakultatives Angebot der Schule und kann nur dann durchgeführt werden, wenn die entsprechenden personellen und räumlichen Voraussetzungen das zulassen. Die nachfolgende Übersicht zeigt die Anzahl der Schulen mit Sportförderunterricht auf. Anzahl der Schulen mit Sportförderunterricht nach Staatlichen Schulämtern (SSÄ) und Schularten SSA GS RS GY TGS FÖZ bbS Mitte 13 8 2 0 1 0 Nord 24 5 1 0 3 0 Ost 13 2 4 0 0 0 Süd 20 6 1 2 4 1 West 16 4 1 2 0 0 Gesamt 86 25 9 4 8 1 Zu 4.: Sportförderunterricht umfasst Fördermaßnahmen für Schülerinnen und Schüler mit Haltungs-, Organleistungs - und Koordinationsschwächen sowie Fördermaßnahmen für wenig motivierte, leistungsschwache oder bewegungsgehemmte Kinder und Jugendliche. Der Vorschlag zur Teilnahme am Sportförderunterricht wird vom Sportlehrer beziehungsweise in Abstimmung mit der Fachschaft Sport der Schule getroffen, die endgültige Entscheidung über die Teilnahme liegt im Verantwortungsbereich der Erziehungsberechtigten. Zu 5.: Es erfolgt keine zentrale Bedarfsermittlung für Sportförderunterricht. Hier handelt es sich vielmehr um die Möglichkeit einer individuellen und zusätzlichen Förderung von Schüler(inne)n, die eines oder mehrere der in Antwort zu Frage 4 aufgeführten Kriterien erfüllen. Durch einen landesweit einheitlichen Bewegungscheck könnte erfasst werden, wie viele Schüler/-innen motorische Defizite aufweisen. Damit wären Schüler/-innen, die wenig motiviert, leistungsschwach oder bewegungsgehemmt sind, jedoch auch nicht insgesamt erfasst. Zu 6. und 7.: Im Rahmen der Sportlehrerausbildung an den Thüringer Universitäten gehört das Modul Sportförderunterricht als Pflichtmodul seit mehreren Jahren für alle Studierenden zur Ausbildung dazu. Für Sportlehrer/-innen, die ihre Ausbildung noch vor 1989 abgeschlossen haben, wurde in den neunziger Jahren über das ThILLM einmalig eine Zusatzqualifikation für den Sportförderunterricht angeboten. Wie viele Lehrkräfte an dieser Qualifizierung teilnahmen und wie viele von ihnen sich derzeit noch im Schuldienst befinden, ist dem TMBJS nicht bekannt. Alle ausgebildeten Sportlehrer/-innen verfügen unabhängig von einer Zusatzqualifikation für den Sportförderunterricht über ausreichende Kompetenzen, einen Fachunterricht zu gestalten, der auf die Heterogenität von Klassen zugeschnitten ist. Es wird deshalb vorausgesetzt, dass neben Kindern im Gemeinsamen Unterricht auch solche mit Förderbedarf im sportlichen Bereich entsprechend spezialisierte Bewegungsangebote erhalten. Eine Zusatzqualifikation für den Sportförderunterricht ist daher nicht mehr zwingend notwendig , um diesen ergänzenden Unterricht anzubieten. Mit Stand letztes Schuljahr wurde eine Ist-Standsanalyse zur Durchführung von Sportförderunterricht vorgenommen. Im Rahmen der Durchsetzung des inklusiven Unterrichts - auch für das Fach Sport - und in Absprache mit den für Schulsport Verantwortlichen unterschiedlicher Gremien wurde eingeschätzt, dass jede/r ausgebildete/r Sportlehrer/-in in der Lage ist, qualitativ hochwertigen Sportförderunterricht unter Beachtung der hier notwendigen methodischen Differenzierungen anzubieten. An einer langfristigen Konzeption zum Sportförderunterricht wird derzeit gearbeitet. Die Umsetzung einer solchen Konzeption ist nur im Kontext der Unterrichtsabsicherung in allen Fächern zu sehen. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2903 Zu 8.: Dazu liegen keine Angaben vor. Zu 9. und 10.: Eine "Tägliche Sportstunde" ist fachlich sinnvoll und empfehlungswert. Mindestens täglich eine Stunde Bewegung und Sport ist eine Zielstellung, die vom TMBJS und auch vom Partner LSB angestrebt und empfohlen wird. Dies umfasst neben dem Sportunterricht allerdings auch Arbeitsgemeinschaften Sport, Kooperationsmaßnahmen Kita/Schule - Sportverein, Sportförderunterricht, Sportfeste, -lager, -projekttage mit Bewegung und Sport, die Vielzahl der schulsportlichen Wettbewerbe, Aktivitäten im Rahmen der "Bewegungsfreundlichen Schule", eine Rhythmisierung des Schulalltages sowie natürlich Bewegung und Sport in den Thüringer Sportvereinen und in der Freizeit. Das TMBJS erhebt keine statistischen Daten, wie viele Schulen eine "Tägliche Sportstunde" praktizieren, da der Planungsprozess der Absicherung für alle Unterrichtsfächer in dem in der Stundentafel vorgegebenen Umfang an den Schulen direkt vorgenommen wird und permanenter Abstimmung vor Ort bedarf. Die Entwicklung von Thüringer Schulen zu "Bewegungsfreundlichen Schulen" wird durch das TMBJS, den LSB und weitere Partner unterstützt. Dies beinhaltet Bewegung und Sport als pädagogisches Prinzip der Schulprofilierung. Die konkrete Einführung und Durchführung der "Täglichen Sportstunde" ist in hohem Maße abhängig vom Engagement der Schulleitung, der Lehrkräfte, der Schulkonferenz, der verinnerlichten Position von Entscheidungsträgern vor Ort zum hohen Stellenwert von Bewegung und Sport für die ganzheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. In konkreten Fällen werden an "Bewegungsfreundlichen Schulen" Ergänzungsund Klassenleiterstunden für die Durchführung der "Täglichen Sportstunde" genutzt oder Stunden auf der Grundlage von Schulentwicklungskonzepten beim Staatlichen Schulamt beantragt. Zur Unterstützung der Einrichtung beziehungsweise Aufrechterhaltung der "Täglichen Sportstunde" kann jede interessierte Schule an den für die Region zuständigen Schulsportkoordinator herantreten, der die Schule beratend unterstützt. Zu 11.: Nein, da die flächendeckende Einführung der "Täglichen Sportstunde" mit der derzeitigen Personal- und Finanzausstattung der Thüringer Schulen nicht umsetzbar ist. Deshalb ist auch ein Konzept zur flächendeckenden Einführung der "Täglichen Sportstunde" für das TMBJS nicht realisierbar. Es wäre auch in der praktischen Umsetzung nicht durchsetzbar, da die konkreten Rahmenbedingungen der Schulen und ihrer von den Schulleitungen verfolgten Entwicklungskonzepte sowie Profilbildungen unterschiedlich sind. Eine Änderung der Stundentafel mit einer Erhöhung der wöchentlichen Sportstunden könnte nur zu Lasten anderer Unterrichtsfächer erfolgen und ist politisch und praktisch, auch im Kontext des Engagements zur Absicherung des Unterrichts in allen Fächern, nicht durchsetzbar. Dies hat auch der Bildungsausschuss des Thüringer Landtags in den Vorbereitungen zur Anhörung "Stärkung des Sports in Thüringer Kindergärten und Schulen" im Jahr 2006 so vermerkt. Dr. Klaubert Ministerin Sportunterricht und Bewegungsförderung an Thüringer Schulen - Entwicklungsten-denzen Ich frage die Landesregierung: Zu 1. und 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6. und 7.: Zu 8.: Zu 9. und 10.: Zu 11.: