01.11.2016 Drucksache 6/2937Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 25. November 2016 Integration von Flüchtlingen in den Thüringer Ausbildungs- und Arbeitsmarkt Die Kleine Anfrage 1473 vom 14. September 2016 hat folgenden Wortlaut: Aus dem aktuellen Thüringer Arbeitsmarktreport vom August 2016 geht hervor, dass der Anteil an arbeitslosen Ausländern im Vergleich zum Vorjahresmonat August 2015 um fast 50 Prozent ge stiegen ist. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie begründet die Landesregierung den Anstieg von arbeitslosen Ausländern um 46,4 Pro zent im Vergleich zum Vorjahresmonat August 2015? 2. Wie viele anerkannte Flüchtlinge in Thüringen befinden sich seit August 2015 in Integrationskursen (bitte getrennt nach Monaten aufschlüsseln)? 3. Wie viele der Teilnehmer haben den Integrationskurs seit August 2015 erfolgreich abgeschlossen (bitte in absoluten und relativen Zahlen angeben)? 4. Welche Anschlussmöglichkeiten bietet Thüringen den Absolventen eines Integrationskurses an? 5. Wie viele der Integrationskursabsolventen, gemessen an der Gesamtabsolventenanzahl, haben im Anschluss eine Ausbildung oder eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen (bitte nach Branchen auflisten)? 6. Werden die Integrationskursteilnehmer in der Arbeitslosenstatistik aufgeführt? Wenn nicht, wie begründet dies die Landesregierung? 7. Welche Möglichkeiten und Maßnahmen werden von der Landesregierung ergriffen, um ei ne optimale Integration von Flüchtlingen in den Thüringer Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu gewährleisten? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 28. Oktober 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Im Berichtsmonat August 2016 waren im Land Thüringen 5.871 Ausländer arbeitslos gemeldet, darunter 894 Personen im Rechtskreis des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB III) und 4.977 Personen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB II). Der K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Holzapfel (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2937 Anteil der arbeitslosen Ausländer am Gesamtbestand der Arbeitslosen lag damit bei 8,0 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahresmonat (August 2015) ist die Zahl der Arbeitslosen Ausländer um +1.793 Personen gestiegen . Der größte Teil der arbeitslosen Ausländer wird von Personen aus den nichteuropäischen Asylherkunftsländern (d.h. Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien) gestellt. Deren Anteil betrug 2.650 Personen mit einem Aufwuchs im Vergleich zum Vorjahresmonat (August 2015) von +1.890 Personen. Der Anstieg von arbeitslosen Ausländern ist damit insbesondere auf die Flüchtlingsbewegung aus dem Jahr 2015 zurückzuführen. Sobald das Asylverfahren abgeschlossen und der Asylantrag anerkannt wird, findet ein Rechtskreiswechsel vom Asylbewerberleistungsgesetz ins SGB II statt. Die beschleunigte Bearbeitung der Asylverfahren durch das Integrierte Flüchtlingsmanagement und die Aufstockungen der Personalkapazitäten im Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) führen zu steigenden Zahlen von arbeitsuchenden und arbeitslosen Geflüchteten in der Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA). Der Erwerb der deutschen Sprache ist für die berufliche Integration von wesentlicher Bedeutung, so dass die Vermittlungsfachkräfte der BA und Jobcenter Geflüchtete vorrangig zur Teilnahme an Integrationskursen verpflichten. Zu 2.: Die Berechtigung zur Teilnahme an einem Integrationskurs ist in § 44 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in Verbindung mit § 4 Integrationskursverordnung (IntV) geregelt. Die Teilnahmeberechtigung betrifft den Personenkreis der Neuzuwanderer (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 IntV), Spätaussiedler (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 IntV), Altzuwanderer/ EU-Bürger/Deutsche (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 IntV), ALG-II-Bezieher (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 IntV) und Altzuwanderer (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 IntV). In der Statistik des BAMF werden nach derzeitigem Stand "anerkannte Flüchtlinge" nicht als eigene Personengruppe erfasst. Durch die Ausgabe einer Berechtigung, einer Verpflichtung oder einer Zulassung zur Teilnahme an Integrationskursen, erhalten die Berechtigten den Zugang zur Maßnahme. Laut der Integrationskursgeschäftsstatistik des BAMF vom 8. April 2016 nahmen im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2015 insgesamt 2.103 (1,2 Prozent) neue Teilnehmer an Integrationskursen in Thüringen teil. Im ersten Quartal des Jahres 2016 nahmen laut Integrationsgeschäftsstatistik des BAMF vom 3. Juli 2016 1.069 (1,7 Prozent) neue Integrationskursteilnehmer an Integrationskursen in Thüringen teil. Aktuellere Informationen sind nicht erfasst. Zu 3.: Insgesamt haben 1.277 (1,3 Prozent) Personen den Integrationskurs in Thüringen im Jahr 2015 absolviert. Für das Jahr 2016 haben bis zum 31. März 2016 377 Teilnehmer (1,4 Prozent) den Kurs abgeschlossen. Laut Fußnote der Integrationskursgeschäftsstatistik des BAMF sind Integrationskursabsolventen Personen , die den Integrationskurs durch Teilnahme an einem Orientierungskurs abgeschlossen haben. Zur Frage nach der Anzahl der Integrationskursteilnehmer, die den Kurs erfolgreich abgeschlossen haben, liegen dem Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz (TMMJV) keine Erkenntnisse vor. Die Datenquellen sind die Integrationskursgeschäftsstatistiken des BAMF für die Jahre 2015 und das erste Quartal 2016. Zu 4.: Welche Möglichkeiten im Anschluss an eine erfolgreiche Teilnahme am Integrationskurs bestehen, ist vom Einzelfall abhängig. Wesentlich sind dabei die individuellen Voraussetzungen, zum Beispiel tatsächliches Sprachvermögen, schulischer und beruflicher Werdegang und nachweisbare Qualifikationen sowie auch die Vorstellungen der Personen, zum Beispiel ob sie eine Ausbildung, Arbeit oder ein Studium aufnehmen möchten. In enger Kooperation mit der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen (RD SAT) der BA fördert das Land seit Oktober 2015 auch Projekte für die Zielgruppe der Geflüchteten und Migranten aus Mitteln des Landesprogramms "Arbeit für Thüringen". Zum aktuellen Stand wurden 35 Projekte in vielen Regionen Thüringens bewilligt. Inhaltliche Schwerpunkte der Projekte bilden Maßnahmen der Berufsorientierung, Berufsvorbereitung , Kompetenzerfassung und -erprobung, Unterstützung und Vermittlung in Berufsausbildung mit begleitender berufsbezogenen Sprachförderung. Diese ergänzen im Wesentlichen das Angebot an Ausbildungs - und Arbeitsförderinstrumenten des SGBII/III und schaffen keine Doppelstrukturen, sondern werden zunehmend zu geschlossenen Bildungs- und Förderketten verzahnt. 3 Drucksache 6/2937Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Anzumerken ist, dass die Projekte des Landes unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus sind und somit auch Personen offen stehen, welche häufig keinen Zugang zu den Angeboten der BA, des BAMF und des Bundes aufgrund der fehlenden "sicheren Bleibeperspektive" haben, jedoch faktisch länger in Thüringen verweilen werden. Zu 5.: Der Großteil der Geflüchteten wanderte erst im 2.Halbjahr 2015 nach Thüringen zu. Aufgrund der hohen Zuwanderungszahlen und den engen Personalkapazitäten des BAMF konnte in den meisten Fällen erst mit zeitlicher Verzögerung ein Antrag auf Asyl gestellt werden. Während der Zeit der Bearbeitung eines Asylantrags durch das BAMF beziehen die Schutzsuchenden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), sie sind somit nicht verpflichtet, sich bei einer Arbeitsagentur bzw. Jobcenter zu melden, obgleich das Land gemeinsam mit der RD SAT frühzeitig die Initiative ergriffen hat und bereits seit Oktober 2015 Angebote zur beruflichen Erstberatung und Kompetenzerfassung in Büros der BA in den Erstaufnahmeeinrichtungen bereitgestellt hat. Zudem wurde der Zugang zu Integrationskursen für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive erst in Reaktion auf die Fluchtzuwanderung Ende des Jahres 2015 geöffnet und entsprechende Maßnahmen getroffen , um Sprachkursträgern einen Anreiz zu bieten ihre Kurskapazitäten aufzustocken. Die geschilderte Situation erklärt, warum sich der größte Teil der Geflüchteten erst jetzt in Sprachkursen (zum Beispiel in Integrationskursen, ESF-BAMF-Kursen, Berufsbezogene Deutschsprachförderung oder dem Projekt "Start Deutsch" des Landes) sowie in Maßnahmen der beruflichen Integration (zum Beispiel in LAT- Projekten, Maßnahmen des SGBII/III oder des Bundes) befindet oder noch in diese Einmünden wird. Die Zulassung von Trägern und Aufstockung der Kurskapazitäten hält bis heute an, nach Aussage des BAMF Regionalkoordinators für Thüringen wurden die Kapazitäten entsprechend aufgestockt, dass nun entsprechende Kapazitäten nahezu flächendeckend vorhanden sind, um der gestiegenen Nachfrage gerecht zu werden. Integrationskurse bilden Expertenmeinungen zufolge durch den zertifizierten Nachweis des Spracherwerbs bis zum Niveau B1 den Grundstein für weitere Wege der beruflichen Integration, obgleich auch immer das tatsächliche Sprachvermögen von Relevanz ist. Der direkte Übergang von Integrationskursen in Ausbildung, Arbeit oder Maßnahmen der Arbeits- und Ausbildungsförderung wird nicht statistisch erfasst. Laut Daten der Bundesagentur für Arbeit wurden von Januar bis Mai 2016 (letzter Datenstand) 1.620 Personen in Maßnahmen der Aktivierung und beruflichen Eingliederung , 34 Personen in Maßnahmen der Berufswahl und Berufsausbildung sowie 41 in Maßnahmen der Beruflichen Weiterbildung vermittelt. Laut Beschäftigungsstatistik betrug die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ausländer aus den nicht-europäischen Asylherkunftsländern im März 2016 (letzter Datenstand) 910 Personen. Das entspricht einem Anstieg gegenüber dem Vorjahresmonat (März 2015) von 373 Personen. Laut Aussage der BA erfolgten die ersten Einmündungen in den Arbeitsmarkt im Gastgewerbe , Gesundheitswesen, Erziehung und Unterricht, KFZ-Gewerbe, öffentliche Verwaltung sowie in der Arbeitnehmerüberlassung. Detailliertere Daten wurden nicht mitgeteilt. Zu 6.: Die Status "Arbeitsuche" und "Arbeitslosigkeit" werden nach den im Sozialgesetzbuch festgelegten Kriterien vergeben. Danach werden Personen als Arbeitsuchende geführt, wenn sie eine Beschäftigung als Arbeitnehmer suchen, und als Arbeitslose, wenn sie darüber hinaus keine Beschäftigung haben, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und nicht an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme teilnehmen. Arbeitslose bilden deshalb eine Teilmenge der Arbeitsuchenden. Ist ein Ausländer im Leistungsbezug des SGB II und nimmt an einem Integrationskurs teil, wird er mit dem Status "Arbeitsuchend" geführt (analoge Anwendung zum Beispiel auch bei anderen Weiterbildungsmaßnahmen). Zu 7.: Die nötigen Maßnahmen zur Integration von Geflüchteten in Arbeit und Ausbildung sowie auftretende Probleme und Handlungsfelder werden insbesondere in der Arbeitsgruppe III "Integration in Arbeit und Ausbildung " des Landesintegrationsbeirates besprochen. Die Arbeitsgruppe wurde nach dem Flüchtlingsgipfel im April 2015 gegründet und tagt seitdem circa alle sechs Wochen. In dieser Arbeitsgruppe befinden sich neben Vertreterinnen und Vertretern des Landes auch Beauftragte der Arbeitsagenturen und Jobcenter inklusive der Landesarbeitsagentur RD SAT, der Kammern, 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/2937 der Wirtschafts- und Sozialverbände, der Gewerkschaften, der Gesellschaft für Arbeits- und Wirtschaftsförderung (GFAW) des Landes sowie weitere am beruflichen Integrationsprozess beteiligte Institutionen. Die Abstimmung erleichtert ein bedarfsgerechtes Angebot an Maßnahmen der beruflichen Integration sowie eine enge Verzahnung von Angeboten des Bundes, des Landes und der BA, um Doppelstrukturen und unnötige lange Integrationswege zu vermeiden. Folgende Maßnahmen des Landes werden beispielhaft aufgeführt: - Frühzeitige Berufsorientierung und -beratung in Einzel- und Gruppeninformationen sowie Erfassung schulischer , beruflicher und sprachlicher Qualifikationen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes durch Büros der BA und Erstgespräche in den Jobcentern mittels eines eigens entwickelten Kompetenzerfassungsbogens in sechs Sprachen - Zentrale Informationsplattform "www.thüringen-hilft.de" mit einfachen mehrsprachigen Informationen und Unterstützungsangeboten,unter anderem im Bereich Arbeit und Ausbildung - Informationsangebote vor Ort in den Regionalstellen für Arbeitsmarktpolitik der GFAW mit direktem Bezug zu den jeweils verfügbaren Förderprogrammen - Thüringer Agentur Für Fachkräftegewinnung (ThAFF) mit dem Welcome Center Thuringia als Ansprechpartner , Netzwerkpartner und Multiplikator für Migrantinnen und Migranten und Unternehmen sowie zahlreichen Informations- und Unterstützungsangeboten - Im Rahmen des Landesprogrammes "Arbeit für Thüringen" geförderte Träger mit Projekten zur Berufsorientierung , Berufsvorbereitung, Kompetenzerfassung und -erprobung, Unterstützung und Vermittlung in Berufsausbildung etc. - Im Rahmen der "Richtlinie zur Gewährung von Zuwendungen des Freistaats Thüringen für die Förderung der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund" des TMMJV geförderte Projekte zur Verbesserung von schulischen und beruflichen Qualifikationen durch Kompetenzfeststellungen, Vorqualifizierungsangebote vor Aufnahme einer Berufsausbildung bzw. sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung - Berufsvorbereitendes Jahr Sprache (BVJ-S) im schulischen Kontext zum Erwerb von Kenntnissen in Berufsfeldern , Spracherwerb und der Erlangung eines Hauptschulabschlusses - Im Rahmen der Ausbildungsrichtlinie des ESF und des Landes "Ziff. 2.1 Betriebliche Ausbildungsvorbereitung und -begleitung" geförderte Projekte (Finanzierung aus dem Europäischen Sozialfonds) - Im Rahmen der Schulförderrichtlinie "Ziff. 2.2.1 Berufsorientierung und Ausbildung" geförderte Projekte zur Berufsorientierung (Finanzierung aus dem Europäischen Sozialfonds) - Förderangebote für Existenzgründer im Thüringer Zentrum für Existenzgründungen und Unternehmertum (ThEx). ThEx ist mit 18 starken Partnern in allen Regionen Thüringens erreichbar und aktiv. Im Rahmen von "ThEx Enterprise" besteht das Angebot "Migration und interkulturelles Unternehmertum", welches speziell auf Migranten ausgerichtet ist. - "Thüringer Allianz für Berufsbildung und Fachkräfteentwicklung" als Zusammenschluss sämtlicher Ausbildungsmarktakteure zur gemeinsamen Verfolgung ausbildungsrelevanter Ziele Werner Ministerin Integration von Flüchtlingen in den Thüringer Ausbildungs- und Arbeitsmarkt Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: