10.11.2016 Drucksache 6/3010Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 5. Dezember 2016 Erbschaftssteuerreform 2016 und ihre Auswirkungen auf Thüringen Die Kleine Anfrage 1498 vom 27. September 2016 hat folgenden Wortlaut: Im Jahr 2014 hat das Bundesverfassungsgericht die geltende Erbschaftssteuer in Teilen gekippt. Bundeswirtschaftsminister Gabriel soll Medienberichten zufolge durch die Neuregelung mit Mehreinnahmen von 235 Millionen Euroo rechnen. Der vom Bundestag Ende Juni 2016 verabschiedete Gesetzentwurf hat nun den Vermittlungsausschuss passiert. Es wäre wichtig zu wissen, welchen Anteil das Land an diesen Einnahmen hat und inwiefern Arbeitsplätze und der Wirtschaftsstandort - gerade mit Blick auf kleine und mittlere Unternehmen - gefährdet sind. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie umfänglich schätzt die Landesregierung die Einnahmen in Thüringen aus der Erbschaftssteuer für die Jahre 2017 und 2018 (bitte einzeln aufführen)? 2. Wie viel Personal muss in der Thüringer Finanzverwaltung dafür eingesetzt werden? 3. Wie hoch sind die Ausgaben für den Mitteleinsatz der Steuererhebung und -eintreibung im Vergleich zu den Einnahmen in Thüringen? 4. Wie viele Thüringer Ausbildungs- und Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft sieht die Landesregierung durch die Reform der Erbschaftssteuer in Gefahr? 5. Wie stuft die Landesregierung die fiskalwirtschaftliche Bedeutung des Erbschaftssteueraufkommens generell ein? 6. Mit welchen Auswirkungen rechnet die Landesregierung für Privatpersonen und für den Mittelstand in Thüringen? 7. Wie soll mit Steuerschuldnern in Thüringen verfahren werden, die die festgesetzte Steuer in den veranschlagten Fristen nicht zahlen können? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kießling (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Finanzministerium 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3010 Das Thüringer Finanzministerium hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 10. November 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Erbschaft- und Schenkungsteuer zählt zu den Steuerarten, deren Aufkommen starken Schwankungen unterliegt, weil ihre Entstehung an wenig planbare Parameter (Zahl der Todesfälle und Schenkungen, Art und Umfang des übertragenen Vermögens) anknüpft. In den Jahren 2010 bis 2015 bewegte sich das Aufkommen zwischen circa zwölf und circa 26 Millionen pro Jahr. Entsprechend der Veranschlagung im Doppelhaushalt 2016/2017 wird für das Jahr 2017 ein Erbschaftsteueraufkommen in Thüringen in Höhe von 14 Millionen Euro erwartet, welches nach aktueller Einschätzung auch für das Jahr 2018 realistisch ist. Die Prognose für die Jahre 2017 und 2018 ist jedoch aufgrund der sowohl qualitativ als auch quantitativ schwer planbaren Fallgestaltung mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Zu 2.: Ebenso wie bei der Entwicklung des Steueraufkommens in Thüringen kann auch hinsichtlich des Personalbedarfs keine konkrete Aussage getroffen werden, da sich der Personalbedarf wesentlich an der Entwicklung der Fallzahlen orientiert. Derzeit sind in dem für Erbschaft- und Schenkungsteuer zentral zuständigen Finanzamt Gotha ein Sachgebietsleiter und sechs Sachbearbeiter des gehobenen Dienstes sowie zehn Mitarbeiter des mittleren Dienstes mit der Bearbeitung von Erb- und Schenkungsfällen beschäftigt. Ferner werden auch Bedienstete aus anderen Arbeitsbereichen der Finanzämter, insbesondere der Bewertungsstellen , für Zwecke der Erbschaftsteuer tätig, um Bemessungsgrundlagen zu ermitteln. Der Personalbedarf und die tatsächliche Ausstattung der Arbeitsbereiche wird auf der Grundlage statistischer Erhebungen regelmäßig angepasst. Zu 3.: Die Kosten für die Steuererhebung und -beitreibung werden nicht nach einzelnen Arbeitsbereichen der Finanzämter erfasst. Insofern ist eine Beantwortung der Frage nicht möglich. Zu 4.: Die Landesregierung erwartet nicht, dass die Neuregelung der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu einer Gefährdung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen in Thüringen führen wird. Zu 5.: Die Erbschaftsteuer war im Jahr 2015 nach der Grunderwerbsteuer und der Lotteriesteuer die drittstärkste Ländersteuer im Thüringer Landeshaushalt. Daher ist sie als Landeseinnahme durchaus von Bedeutung. Im bundesweiten Vergleich hingegen ist die fiskalwirtschaftliche Bedeutung der Erbschaftsteuer in Thüringen eher als gering anzusehen. Der Anteil des Aufkommens in Thüringen zum bundesweiten Aufkommen betrug im aufkommensstarken Jahr 2015 gerade einmal 0,4 Prozent (zum Vergleich: Einwohneranteil 2015 2,6 Prozent). Wesentlich bedeutender für den Thüringer Landeshaushalt sind hingegen die finanziellen Auswirkungen des bundesweiten Erbschaftsteueraufkommens in Höhe von 6.289,8 Millionen Euro im Jahr 2015 aus dem bundesstaatlichen Finanzausgleich. Hieraus ergaben sich rechnerisch bei der Umsatzsteuer, dem Länderfinanzausgleich und den allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen Einnahmen in Höhe von 126,1 Millionen Euro für Thüringen. Auch im Hinblick auf die erwarteten Aufkommenszuwächse aus der Erbschaftsteuerreform wird es zu geringfügigen Zuwächsen aus dem bundesstaatlichen Finanzausgleich für Thüringen kommen. Zu 6.: Die bisherigen Verschonungsregeln bei der Weitergabe von Betriebsvermögen werden in ihrer Substanz unverändert fortgeführt. Die Landesregierung erwartet nicht, dass die Neuregelung der Erbschaft- und Schen- 3 Drucksache 6/3010Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode kungsteuer grundlegende Auswirkungen auf die Entwicklung des Mittelstandes in Thüringen haben wird. Eine wesentliche und für Thüringen angesichts der kleinbetrieblichen Struktur der Wirtschaft relevante Änderung ist, dass auch Betriebe, die 6 bis 20 Mitarbeiter beschäftigen, als Voraussetzung für die weitgehende bzw. vollständige Verschonung zukünftig die Betriebsfortführung durch Einhaltung nach Betriebsgröße gestaffelter Vorgaben für die Entwicklung der Lohnsumme nachweisen müssen. Bisher galten diese Vorgaben erst für Unternehmen mit 20 und mehr Beschäftigten. Für Privatpersonen hat die Erbschaftsteuerreform 2016 keine Auswirkungen. Zu 7.: Die neue gesetzliche Regelung sieht außer den Verschonungsregelungen auch Regelungen zum Erlass und zur Stundung der Steuer in persönlichen Härtefällen vor, in denen verfügbares Vermögen nicht bzw. zum Fälligkeitstag nicht in fungibler Form zur Verfügung steht. Die bereits im § 28 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz vorhandene Stundungsregelung wird in modifizierter Form für die Stundung der Erbschaftssteuer in Jahresraten bis zu einer Dauer von sieben Jahren weitergeführt. Darüber hinaus sind - wie bisher - Stundungs- und Erlassanträge in Härtefällen nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 222, 227 Abgabenordnung möglich. Durch diese gesetzlichen Instrumentarien sind Steuerpflichtige vor unbilligen Härten bei der Entstehung und Erhebung der Steuer geschützt. Das aus Verfassungsrecht abgeleitete Gebot der gleichmäßigen Erhebung von Steuern (§ 85 Abgabenordnung ) erfordert jedoch auch, dass festgesetzte Steuern fälligkeitsgerecht entrichtet werden. Diese Entrichtungspflicht erfährt durch die neue gesetzliche Regelung keine Änderung. Das bedeutet, dass rückständige Erbschaftsteuer nach den allgemein geltenden Regeln der Abgabenordnung wie jede andere rückständige Steuer beigetrieben werden muss, wenn sie nicht gezahlt und auch keine Stundungsvereinbarung getroffen worden ist. Taubert Ministerin