11.11.2016 Drucksache 6/3018Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 8. Dezember 2016 Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle und Intersexuelle haben es oft schwer im Beruf! Die Kleine Anfrage 1505 vom 27. September 2016 hat folgenden Wortlaut: Die Gleichbehandlungsrichtlinie der Europäischen Union aus dem Jahr 2000 verbietet ausdrücklich die Benachteiligung wegen der sexuellen Orientierung im Beruf. Erkenntnissen zufolge hat das Geheimhalten der sexuellen Identität am Arbeitsplatz negative Auswirkungen auf Arbeitszufriedenheit und Engagement der Beschäftigten. Laut der Sechsten Europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen im Jahr 2015 findet sich Deutschland mit 74 Prozent im oberen Bereich des Mittelfelds in Bezug auf die Frage: "Mit schwulen , lesbischen oder bisexuellen Kollegen zusammenarbeiten wäre kein Problem?" Ich frage die Landesregierung: 1. Gibt es Beschwerden, Anzeigen bei der Antidiskriminierungsstelle des Landes wegen Diskriminierung und/oder Mobbing am Arbeitsplatz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Intersexuellen? Wenn ja, welcher Art und wo? 2. Wie wird mit den Meldungen/Beschwerden umgegangen? 3. Gibt es aufgrund von Maßnahmen Verbesserungen für die Betroffenen? Welche Maßnahmen haben welche positive Verbesserung im Einzelnen bewirkt? 4. Gibt es Programme gegen die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen und Intersexuellen am Arbeitsplatz in Thüringen? Wenn ja, welche? 5. Sind Maßnahmen/Kampagnen zur Durchsetzung der EU-Gleichstellungsrichtlinie in Thüringen vorgesehen ? Wenn ja, welche? 6. Hat die Landesregierung Erkenntnisse über die Einstellungen der Thüringerinnen und Thüringer zu Menschen mit nicht heterosexuellen Orientierungen, zu Transgender und Intersexualität? Welche Schlussfolgerungen zieht die Landesregierung aus diesen Erkenntnissen? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Stange (DIE LINKE) und A n t w o r t der Thüringer Staatskanzlei 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3018 Die Thüringer Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 10. November 2016 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Mit der Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) am 14. August 2006 wurde das Recht europäischer Richtlinien in Bundesrecht umgesetzt. Dies waren die Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (Antirassismusrichtlinie), die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie oder Rahmenrichtlinie Beschäftigung genannt), die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (Gender-Richtlinie) sowie die Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Die Richtlinie 2002/73/EG wurde durch die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Gleichbehandlungsrichtlinie) aufgehoben. Zu 1.: Beschwerden oder Anzeigen im Themenbereich der Antidiskriminierung beziehen sich in der Regel auf die Verletzung von Bestimmungen des AGG. Rechtlich geregelt wurden Bereiche des Arbeits- sowie des Zivilrechts. Die jeweiligen Bestimmungen sind von dessen Anwendern unmittelbar zu beachten, um diesbezügliche Konflikte möglichst zu vermeiden oder unverzüglich zu lösen. Verstöße sind ggf. vor den jeweils zuständigen Gerichten zu verhandeln. Es ist daher davon auszugehen, dass nur ein Anteil der tatsächlichen Konfliktfälle der Antidiskriminierungsstelle des Landes zur Kenntnis gelangt, indem sie öffentlich werden oder sich die Betroffenen direkt an sie wenden. Als Beispiel für einen solchen Konflikt sei hier auf das Abweisen von Kopftücher tragenden indonesischen Studentinnen durch Türsteher eines Clubs verwiesen. Konkrete Beschwerden oder Anzeigen im eingegrenzten Bereich der Fragestellung sind an die Antidiskriminierungsstelle des Landes bisher nicht herangetragen worden. Auch eine Ressortabfrage bei den personalführenden Stellen zu entsprechenden Ereignissen in den letzten drei Jahren ergab keine diesbezüglichen Erkenntnisse. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Informationsarbeit noch am Anfang steht (vgl. Antwort auf Fragen 3 bis 5). Ein im politischen Raum zunehmendes Maß an Intoleranz bis hin zu homophoben Verbalinjurien macht die diesbezügliche Arbeit nicht leichter, aber umso wichtiger. Zu 2.: An die Antidiskriminierungsstelle herangetragene Einzelfälle werden anlassbezogen im Team besprochen und weitere Maßnahmen festgelegt. Hierzu gehört auch die Einbeziehung der jeweilig unmittelbar zuständigen Stellen der mittelbaren oder unmittelbaren Landesverwaltung und deren Einrichtungen sowie ggf. von Beauftragten und Personalvertretungen. Ein schematisches Vorgehen ist auf Grund der Spezifik der differenten Sachverhalte nicht möglich, zumal auch der Kontakt mit weiteren Beratungsstellen erforderlich werden kann. Zu 3. bis 5.: Die Organisationseinheit, die als Antidiskriminierungsstelle des Landes fungiert, ist neben anderen Aufgaben die zuständige Stelle der Landesregierung für LSBTTIQ und damit auch für den Erarbeitungsprozess des Landesprogramms Akzeptanz und Vielfalt. (Hierzu wird auf die Antworten der Landesregierung auf Kleine Anfragen in den Drucksachen 6/1191 und 6/2679 verwiesen.) Somit steht die Organisationseinheit in engem und regelmäßigem Kontakt mit den Verbänden, Vereinigungen , zivilgesellschaftlichen Akteuren und Einzelpersonen, welche im LSBTTIQ-Bereich aktiv sind. In diesem Zusammenhang ist sie selbstverständlich mit der Problematik der Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung am Arbeitsplatz vertraut, diesbezügliche Beschwerden oder Anzeigen sind bisher allerdings nicht unmittelbar an sie herangetragen worden. Unabhängig davon, wird die Thematik jedoch in den Erarbeitungsprozess des genannten Landesprogramms einbezogen. Daraus wird sich auch ableiten, welche Maßnahmen zur Verbesserung der Betroffenen vor- 3 Drucksache 6/3018Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode geschlagen und im Anschluss an die Verabschiedung des Landesprogramms Akzeptanz und Vielfalt umzusetzen sein werden. Darüber hinaus ist es Anliegen, die Belange von LSBTTIQ auch in angemessener Weise im Integrationskonzept der Thüringer Landesregierung zu verankern, um LSBTTIQ-Geflüchteten den erforderlichen Schutz und gute Integrationsmöglichkeiten zu bieten. Zu 6.: Mit dem Instrument des Thüringen Monitors wurden im Zusammenhang mit dem Konzept der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in den letzten Jahren auch homophobe Einstellungen in der Bevölkerung ermittelt. Der Thüringen Monitor des Jahres 2015 ergab eine Zustimmung von 24 Prozent zu der Aussage, eine Beziehung zwischen Personen desselben Geschlechts sei unnatürlich (primäre Homophobie). Eine völlige rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe (sekundäre Homophobie) lehnten 26 Prozent der Befragten ab. In der Studie „Queeres Deutschland 2015. Zwischen Wertschätzung und Vorbehalten“ der Change Centre Foundation wurden deutschlandweit 2.026 Personen repräsentativ befragt. Für Thüringen werden folgende Zustimmungsraten zu den nachstehenden Aussagen ausgewiesen: „Wenn ich von einem neuen Bekannten oder Kollegen für schwul/lesbisch gehalten würde, wäre mir das irgendwie unangenehm.“ 59,3 Prozent (1. Rang), „Wenn bei mir nebenan ein schwules / lesbisches Paar einziehen würde, würde ich das begrüßen .“ 52,9 Prozent (16. Rang) und „Homosexualität sollte einen größeren Platz in der deutschen Kultur haben .“ 42,4 Prozent (15. Rang). Die Autorin der Studie fast zusammen, dass der Handlungsbedarf hin zu mehr Gleichstellung und Wertschätzung von LSBTTIQ je nach Bundesland deutlich differiert und Sachsen und Thüringen bei mehreren Fragen das Schlusslicht in Sachen Diversity-Toleranz bilden. Die Schlussfolgerung der Landesregierung aus den vorliegenden Erkenntnissen heißt, dass sich die Akzeptanz von Vielfalt in Thüringen deutlich erhöhen muss, indem sich die Einstellungen und das Verhalten gegenüber LSBTTIQ-Menschen zum Besseren verändern. Alle Menschen in Thüringen sollen sich unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder sonstiger Eigenschaften, zu denen sie sich bekennen oder die ihnen zugeschrieben werden, als gleichberechtigt, akzeptiert und anerkannt sowie zur Mitverantwortung und zur Mitgestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens in Thüringen aufgerufen sehen können. Prof. Dr. Hoff Minister