zu Drucksache 6/2353 23.11.2016 Drucksache 6/3073Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 8. Dezember 2016 Kosten und Einsparpotentiale der Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform in Thüringen Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Große Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 22. November 2016 wie folgt beantwortet: I. Kosten und Einsparpotentiale bei Umsetzung der Verwaltungsreform 1. Welche Kosten und Einsparpotentiale entstehen nach Ansicht der Landesregierung durch folgende Maßnahmen:1 a) Stellenabbau bei der Landesverwaltung Der mit dem Stellenabbaukonzept 2020 (SAK) vorgesehene Abbau von insgesamt 9.035 Stellen und Planstellen beziehungsweise die Rückführung von Zuschüssen für Personalausgaben nach dem Landeshaushaltsplan 2016/2017, um einen entsprechenden monetären Gegenwert einzu sparen, hat das Ziel der Anpassung der personellen Ausstattung des Freistaats an das Niveau vergleichbarer Länder unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung dar. Auf die Aus führungen in dem "Bericht der Landesregierung zu Nummer 2 des Beschlusses des Thüringer Landtags (Drucksache 6/793) zu den Drucksachen 6/732/513 "Thüringen voranbringen sozial, ökologisch, finanzpolitisch solide" (Drucksache 6/1549) nehme ich Bezug. Die Umsetzung der Verwaltungsreform wird ihren Beitrag zur Realisierung des im Rahmen des SAK zu reduzierenden Stellenvolumens in der Thüringer Landesverwaltung leisten. In welchem Volumen der Wegfall von Stellen und Planstellen im Rahmen des SAK mit welchen finanziellen Auswirkungen letztendlich den Ergebnissen der Verwaltungsreform geschuldet sein wird, kann derzeit jedoch noch nicht beziffert werden. b) Auflösung des Landesverwaltungsamts Die Landesregierung hat am 14. Juni 2016 den Entwurf eines Thüringer Gesetzes über die Grund sätze von Funktional und Verwaltungsreformen (EThürGFVG) beschlossen, über den der Land tag am 24. Juni 2016 in erster Lesung beraten hat. Der darin enthaltene § 11 Abs. 1 E-ThürGFVG regelt den künftigen Aufbau der Thüringer Landesverwaltung. Demnach soll die unmittelbare Lan desverwaltung in Richtung eines grundsätzlich zweistufigen Aufbaus entwickelt werden. Sofern staatliche Aufgaben kommunalen Aufgabenträgern zur Erfüllung im übertragenen Wirkungskreis übertragen werden, soll eine Zweistufigkeit angestrebt werden, wo dies unter fachlichen Gesichts punkten sinnvoll ist. Über den konkreten künftigen Aufbau der Landesverwaltung und somit auch über die Frage einer eventuellen Auflösung (oder Umstrukturierung) des Landesverwaltungsamts ist seitens der Landesregierung noch nicht endgültig entschieden worden. Aus diesem Grund kön A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales auf die Große Anfrage der Fraktion der AfD - Drucksache 6/2353 - 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3073 nen derzeit sachlich keine Angaben hinsichtlich gegebenenfalls entstehender Kosten oder Einspar potenzialen gemacht werden. Derartige Fiktivberechnungen wären nicht belastbar, da sie derzeit von zu vielen Annahmen, Vermutungen und prognostischen Einschätzungen ausgehen müssten. c) Einrichtung von Sonderbehörden Bezüglich der Kosten und Einsparpotentiale durch die eventuelle Einrichtung von Sonderbehör den, über die seitens der Landesregierung ebenfalls noch nicht entschieden wurde, wird auf die Antwort zu Frage I.1.b verwiesen. d) Einräumigkeit der Verwaltung In § 12 Abs. 1 E-ThürGFVG ist der Grundsatz der Einräumigkeit der Verwaltung als zu beachten des Prinzip für alle Bereiche der Landesverwaltung verankert. Dadurch sollen für die Bürger und sonstigen Nutzer der Verwaltung überschaubare und transparente örtliche Zuständigkeiten ge schaffen werden. Für die Verwaltung sollen Abstimmungsprozesse sowie die Zusammenarbeit erleichtert werden. Verwaltungskosten und Belastungen, die durch Reibungsverluste der unter schiedlichen Gebietszuschnitte entstehen, sollen reduziert werden. Für erforderliche Anpassungen zur Herstellung der Einräumigkeit der Landesverwaltung, auch an die noch zu schaffenden neu en kommunalen Gebietsstrukturen und deren örtliche Grenzen, ist in § 12 Abs. 2 eine erstmalige Frist bis zum 31. Dezember 2019 vorgesehen und danach jeweils spätestens ein Jahr nach In krafttreten der jeweiligen Vorschriften, die das Gebiet kommunaler Gebietskörperschaften ändern. Da die im Rahmen der Gebietsreform zu beschließenden gesetzlichen Neugliederungsmaßnah men noch nicht erfolgt sind, können die daraus resultierenden erforderlichen Anpassungsmaß nahmen im Bereich der Landesverwaltung zur Herstellung der Einräumigkeit auch noch nicht in haltlich und kostenmäßig bestimmt werden. Gleiches gilt für die Einsparpotenziale, die aus dem oben genannten Abbau von Reibungsverlusten resultieren. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage I.1.b verwiesen. e) Entbürokratisierung, Verwaltungsvereinfachung, Verfahrensbeschleunigung In § 8 E-ThürGFVG ist als Ziel von Reformen der Landes- und Kommunalverwaltung definiert, "eine moderne, bürgernahe und effiziente Landes- und Kommunalverwaltung zu schaffen, die den Be dürfnissen der Adressaten angepasst und in der Lage ist, den Daseinsvorsorgeauftrag umfassend zu erfüllen. Verwaltungsabläufe sind zu entbürokratisieren, zu vereinfachen und zu beschleunigen." Über konkrete Maßnahmen zur Entbürokratisierung, Verwaltungsvereinfachung und Verfahrens beschleunigung hat die Landesregierung, die dies als eine ihrer in Permanenz wahrzunehmen den Aufgaben ansieht (zum Beispiel bei jeder Art der Gesetz und sonstigen Normgebung), im Rahmen der bevorstehenden Verwaltungsreform noch nicht entschieden, so dass keine Progno sen über Kosten und Einsparpotentiale infolge von Maßnahmen der Entbürokratisierung, Verwal tungsvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung abgegeben werden können. Im Bereich der Gerichte und Staatsanwaltschaften sind Verfahrensgestaltungen wegen bundesgesetzlicher Vor gaben der landesrechtlichen Gestaltung nicht zugänglich. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Fra ge I.1.b verwiesen. f) Zusammenlegung von Ministerien auf Landesebene Die Landesregierung beabsichtigt nicht, Ministerien zusammen zu legen. g) Länderübergreifende Zusammenarbeit (Mehrländerbehörden, Initiative Mitteldeutschland, lände rübergreifende Aufträge) Zum Umfang der zukünftigen strukturellbehördenmäßigen länderübergreifenden Zusammenar beit (zum Beispiel in Mehrländerbehörden) sowie der inhaltlichen länderübergreifenden Zusam menarbeit (zum Beispiel in Projekten und ähnliches) ist die Meinungsbildung der Landesregierung und die Abstimmung mit den betreffenden anderen Ländern noch nicht abgeschlossen. Deshalb kann über Kosten und Einsparpotentiale eventueller künftiger Maßnahmen der länderübergrei 3 Drucksache 6/3073Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode fenden Zusammenarbeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Aussage getroffen werden. Im Üb rigen wird auf die Antwort zu Frage I.1.b verwiesen. Grundsätzlich kann aber festgestellt werden, dass die länderübergreifende Zusammenarbeit eine effizientere und synergetischere Aufgabenwahrnehmung ermöglicht, insbesondere in hoch spezi alisierten Aufgabenbereichen, die durch einzelne Länder nur mit hohem Aufwand realisierbar ist. In diesem Zusammenhang ist auch auf die bereits seit 2003 bestehende Zusammenarbeit mit den Ländern Sachsen und SachsenAnhalt innerhalb der "Initiative Mitteldeutschland" zu verweisen, die bereits gemeinsame Projekte und Verwaltungskooperationen umgesetzt hat, wie zum Beispiel: • beim gemeinsamen Strafvollzug für weibliche Gefangene, • bei der Sicherheitspartnerschaft im Justizvollzugsdienst, • der gemeinsamen Nutzung des Justizvollzugskrankenhauses in Leipzig, • beim Bau einer gemeinsamen Justizvollzugsanstalt mit dem Freistaat Sachsen in Zwickau, • bei der Mitteldeutschen Medienanstalt, • bei der Mitnutzung der Isolierstation am Städtischen Klinikum St. Georg. h) EGovernment Die Verwaltung des Freistaats Thüringen muss sich den Anforderungen an eine moderne und zukunftsfeste Verwaltung stellen. Zur Umsetzung dieser Zielstellung wurde die Strategie für EGovernment und IT des Freistaats Thüringen (veröffentlicht im Staatsanzeiger am 18. Au gust 2014) entwickelt. Dabei werden unter anderem folgende Schwerpunkte gesetzt: • konsequenter Ausbau des EGovernmentAngebots für Bürger und Unternehmen • die weitere Öffnung von Politik und Verwaltung • der Steigerung der Effizienz des Verwaltungshandelns • der stetigen Verbesserung der ITSicherheit • der Schaffung effizienter IT-Organisationsstrukturen. EGovernment ist in Thüringen eine Daueraufgabe. Gleichwohl ergeben sich aus den Aufgaben stellungen und Zielsetzungen der Verwaltungsreform Schnittmengen, die in § 10 E-ThürGFVG Berücksichtigung gefunden haben. EGovernment ist nicht als ein Thema zu verstehen, welches aus der Verwaltungsreform resultiert, sondern als ein autonomes Themengebiet der Verwaltungs modernisierung, dessen Rahmenbedingungen durch die Verwaltungsreform beeinflusst werden. Obwohl die Digitalisierung bestehender analoger Prozesse im Kontext des E-Government meist einen finanziellen Aufwuchs, resultierend aus dem Aufwand für die Entwicklung und Implementie rung neuer Anwendungen bedeutet, führt dies zur Optimierung von Technik und Personaleinsatz und bleibt daher weitestgehend kostenneutral, bei deutlicher Steigerung der Leistungsfähigkeit der Verwaltung. Die Zielstellung bleibt gleichwohl die Modernisierung der Verwaltung für Bürger, Unternehmen und Bedienstete. Die etwaigen Einsparpotentiale beziehungsweise zusätzlichen Kosten hängen von den geschaf fenen Rahmenbedingungen und Anforderungen ab und können erst im weiteren Verlauf bestimmt werden. i) Auslagerung von Wissenschaft und Forschung auf Wissenschafts und Forschungseinrichtungen? Zur Frage der Verlagerung von Wissenschafts und Forschungsbereichen der Landesverwaltung auf Wissenschafts und Forschungseinrichtungen ist die Meinungsbildung der Landesregierung noch nicht abgeschlossen, weshalb aus derartigen Verlagerungen eventuell resultierende Kosten und Einsparpotentiale derzeit nicht eingeschätzt werden können. Grundsätzlich handelt es sich bei Wissenschafts und Forschungsaufgaben nicht um Aufgaben der staatlichen Verwaltung. Soweit angewandte Forschung als Entscheidungshilfe innerhalb der Verwaltung oder in sonstigen staat lichen Einrichtungen erforderlich ist, wird geprüft, ob deren Durchführung durch die Beauftragung von Hochschulen, Universitäten oder Forschungseinrichtungen effektiver und wirtschaftlicher er bracht werden kann. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage I.1.b verwiesen. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3073 II. Kosten und Einsparpotentiale bei Umsetzung der Funktionalreform 2. Welche Kosten und Einsparpotentiale entstehen nach Ansicht der Landesregierung durch folgende Maßnahmen: a) Prüfung von landesrechtlichen Standards2 Standards sind verpflichtende Vorgaben zum Handeln der öffentlichen Verwaltung mit dem Ziel des Erreichens von Standardisierung, Gleichbehandlung sowie Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Als Verursacher von Standards gelten die Europäische Union, der Bund, die Länder und die Kommunen. Aber auch die Nachfrager öffentlicher Leistungen fordern deren Ge währleistung. Aus diesem Grund ist zwischen der behaupteten Notwendigkeit und dem tatsäch lich gegebenen Bedarf an Standards zu unterscheiden. Dabei stellen sich sowohl qualitative als auch quantitative Zugangs und Auswahlprobleme, die aus der Vielzahl der vorhandenen Stan dards resultieren. Zudem zeichnen sich durch die Masse der Standards Überregelungstenden zen, das Anbieten von Fehlanreizen sowie eine haushalts und personalpolitische Überlastung der Verwaltung ab. Aus diesen Gründen ist ihre Überprüfung angezeigt mit dem Ziel der Kosten reduktion, Schöpfung von Synergien sowie Optimierung des Verwaltungshandelns. § 16 Abs. 1 Satz 1 E-ThürGFVG legt fest, dass die Stellen der Landesverwaltung im Rahmen ei gener Verantwortung auf einen Abbau von Standards, die die Verwaltungen, aber auch die Bür ger und die Wirtschaft unnötig belasten, hinwirken sollen. Dabei ist zum einen die Vermeidung künftiger Standards und zum anderen die Überprüfung bestehender Standards hinsichtlich deren Rückbau, Abbau und Verzicht zu betrachten. Die von der Landesregierung eingesetzte Intermi nisterielle Arbeitsgruppe "Stellenabbau/Aufgabenkritik" hat die Staatskanzlei federführend beauf tragt, Möglichkeiten der Reduzierung von Standards bis November 2016 zu prüfen. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen, weshalb zu den kostenmäßigen Auswirkungen eventueller Redu zierungen rechtlicher Standards noch keine konkrete Antwort gegeben werden kann. Auch eine erste Schätzung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend möglich. Die gegebenenfalls be stehenden Einsparpotenziale einer Überprüfung beziehungsweise eines Abbaus von Standards können stets nur im Einzelfall ermittelt werden, da die Heterogenität von Standards eine belastba re Schätzung nicht zulässt. Aufgrund punktueller Erfahrungen anderer Länder sind Einsparpotenzi ale in Höhe von fünf bis zehn Prozent des jeweiligen Personal und Sachmitteleinsatzes möglich. Dabei ist jedoch entscheidend, ob sich aus dem Abbau von Standards lediglich deren materiel le Rücknahmen oder zusätzlich auch personelle Konsequenzen ergeben. Hinsichtlich aufgaben spezifischer Kooperationspotenziale sind mittelfristig Einsparungen bis zu 20 Prozent zu erwar ten. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage I.1.b verwiesen. b) Kommunalisierung von Aufgaben und daraus resultierender Personalübergang zwischen dem Land und den Landkreisen/kreisfreien Städten sowie den Landkreisen/kreisfreien Städten und Gemeinden (Personal folgt den Aufgaben)3 Die Kommunalisierung von Aufgaben wird derzeit geprüft. Da über konkrete Aufgabenübertragun gen bislang nicht entschieden wurde, können zum jetzigen Zeitpunkt weder Aussagen zu Kosten und Einsparpotenzialen bei der Kommunalisierung von Aufgaben noch zum Umfang des Perso nalübergangs getroffen werden. Hinsichtlich des Personalübergangs gilt der Grundsatz des § 5 Abs. 1 EThürGFVG, wonach im Fall einer Aufgabenübertragung von einer Gebietskörperschaft auf eine andere Gebietskörperschaft das mit der Wahrnehmung der Aufgabe betraute Personal der Aufgabe folgen soll, um den erforderlichen Wissens und Erfahrungstransfer auf den neuen Aufgabenträger sicherzustellen. Wie sich dieser Grundsatz auf entstehende Kosten oder Einspar potentiale auswirkt, ist derzeit nicht bezifferbar. Im Grundsatz gilt hinsichtlich der möglicherweise entstehenden Mehraufwendungen der Kommunen das in Art. 93 Thüringer Verfassung veranker te verfassungsrechtliche Prinzip der Konnexität. Es ist daher schon verfassungsrechtlich gebo ten, die unmittelbar durch die Wahrnehmung neuer Aufgaben sowie Personalübergänge steigen de finanzielle Belastung der Kommunen durch Zahlungen vom Land auszugleichen. Wie hoch diese Zahlungen ausfallen, kann derzeit nicht beziffert werden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage I.1.b verwiesen. 5 Drucksache 6/3073Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode c) Streichung beziehungsweise Privatisierung von Aufgaben auf allen Ebenen (Land sowie kommu nale Gebietskörperschaften)? Zu einem Aufgabenentfall und zur Privatisierung staatlicher und kommunaler Aufgaben haben die Landesregierung und die für die Aufgabenkritik in ihren Geschäftsbereichen zuständigen obers ten Landesbehörden in ihrem Zuständigkeitsbereich noch keine Entscheidungen getroffen. Aus diesem Grund kann die Frage nach aus Aufgabenentfall und Privatisierung resultierenden even tuellen Kosten und Einsparpotentialen derzeit nicht beantwortet werden. Die Aufgaben der Ge richte und Staatsanwaltschaften sowie des Justizvollzugs können aus verfassungsrechtlichen Gründen weder gestrichen noch privatisiert werden. Im Übrigen wird auf die Antworten zu Fra gen I.1.b und II.2.b verwiesen. III. Kosten und Einsparpotentiale bei Umsetzung der Gebietsreform 3. Welche Kosten und Einsparpotentiale entstehen nach Ansicht der Landesregierung durch folgende Maßnahmen: Vorbemerkung: Die Gebietsreform dient der Schaffung leistungs und verwaltungsstarker Gebietskörperschaften, die dauerhaft in der Lage sind, die ihnen obliegenden Aufgaben in geordneter Haushaltswirtschaft sach gerecht, bürgernah, rechtssicher und eigenverantwortlich wahrzunehmen (§ 1 Abs. 1 des Thüringer Vorschaltgesetzes zur Neugliederung der Landkreise, kreisfreien Städte und kreisangehörigen Ge meinden ThürGVG). Dies betrifft insbesondere den Bereich der kommunalen Selbstverwaltungs aufgaben. Die Gebietsreform zielt in erster Linie darauf ab, die Verwaltungs und Leistungskraft der Gemeinden und Landkreise weiter zu verbessern, vor allem aber langfristig zu erhalten. Es sollen insbesondere die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Kommunen dauerhaft über ei nen ausreichenden Handlungs und Gestaltungsspielraum (der auch eine Verbesserung ihrer Einnah mesituation ermöglicht), die notwendige Infrastruktur und ausreichend qualifiziertes Personal für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben verfügen. Darüber hinaus sollen die Möglichkeiten für bürgerschaftli ches Engagement und die ehrenamtliche Wahrnehmung von gemeinwohlorientierten Aufgaben dau erhaft gesichert sowie die Zentralen Orte zur gleichmäßigen Entwicklung aller Landesteile gestärkt werden (vergleiche zu den Zielen der Gebietsreform insbesondere die Begründung des Vorschaltge setzes zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen, Drucksache 6/2000). Im Hinblick auf die durch eine Gebietsreform möglichen Effizienzsteigerungen, etwa durch effektive re Strukturen, eine effektivere Mittelverwendung, eine verbesserte Koordinierung bei der Planung, Errichtung und Nutzung kommunaler Einrichtungen oder den flexibleren Einsatz des kommunalen Personals, ist eine solche Reform zwar durchaus finanzrelevant. Die wissenschaftliche Fachliteratur geht davon aus, dass größere kommunale Gebietseinheiten im Hinblick auf die Generierung von Kos tenvorteilen, Synergieeffekten zu Vorteilen für die Landkreise und zu einem tendenziell verminderten Finanzbedarf der Kommunen im Bereich der Sach und Personalkosten führen können (vergleiche Gutachten Prof. Dr. Bogumil vom 10. Oktober 2016 - Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte in Thüringen, Umdruck, S. 34 ff m. w. N.). Eine Gebietsreform schafft nur die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für Effizienzsteigerungen und somit Möglichkeiten, die von den kommu nalen Verantwortungsträgern im Rahmen ihrer Selbstverwaltungsrechte, aber auch von den Bürgern auf vielfältigste Weise genutzt werden können. Von diesen Entscheidungen auf kommunaler Ebene hängt das Ausmaß zukünftiger Effizienzsteigerungen ganz wesentlich ab. Soweit Effizienzsteigerun gen erreicht werden, können diese zudem nicht nur für Kostensenkungen, sondern auch für Verbes serungen der Qualität oder Quantität von Leistungen genutzt werden. Darüber hinaus ist die Gebietsreform auf langfristige zukünftige Wirkungen gerichtet, wie nicht zuletzt ihre Orientierung auf einen Zeitraum bis mindestens zum Jahr 2035 zeigt (vergleiche § 9 ThürGVG). Konkrete Prognosen zu finanziellen Auswirkungen sind mit Blick auf einen derart langen Zeitraum nicht verlässlich möglich. Im Übrigen gelten die erheblichen Schwierigkeiten und Unsicherheiten, die bereits im Falle der Evaluation vergangener Gebietsreformen auftreten (zum Beispiel die Erfassbar keit von Wirkungszusammenhängen oder die ständige Veränderung der Rahmenbedingungen des Verwaltungshandelns), umso mehr für Prognosen in Bezug auf eine noch in der Umsetzungsphase befindliche Gebietsreform. 6 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3073 Die unmittelbaren Kosten der Gebietsreform sind in § 8a Abs. 1 ThürGVG beziffert. Für die Frage möglicher weiterer Kosten infolge von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Gebietsreform gilt im Wesentlichen das Gleiche wie für mögliche Einsparungen. Eine konkrete Prognose ist insoweit eben falls nicht möglich. a) Bildung neuer Verwaltungen auf Kreis und Gemeindeebene (zum Beispiel Umzug und Neuschaf fung von Landratsämtern) Zur konkreten Neugliederung der Landkreise und Gemeinden hat die Landesregierung noch kei ne Gesetzentwürfe erarbeitet, über die der Gesetzgeber zu entscheiden hat. Gleichwohl ist be reits jetzt darauf hinzuweisen, dass Kosten und Einsparpotentiale von den künftigen Entscheidun gen der kommunalen Verantwortungsträger der jeweiligen Landkreise und Gemeinden abhängen und damit der kommunalen Selbstverwaltung unterliegen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. b) Arbeitsplatzabbau durch Verlust des Kreissitzes beziehungsweise des Status einer kreisfreien Stadt (Kreissparkassen, Krankenhäuser et cetera) sowie daraus resultierender Kaufkraftverlust Auf die Antwort zur Frage III.3.a und die Vorbemerkung wird verwiesen. c) Entlastung der Stadt durch Verlust der Kreisfreiheit (keine Doppelbelastung durch Aufgaben, die sowohl ein Landkreis, als auch eine Gemeinde erledigen müssen) versus Belastung durch die Zahlung einer eventuell höheren Kreisumlage an den neugebildeten Landkreis Auf die Antwort zur Frage III.3.a und die Vorbemerkung wird verwiesen. d) Zahlung einer Kompensation oder Entschuldungsbeihilfe für ehemalige kreisfreie Städte bei Ver lust der Kreisfreiheit Zum Status der kreisfreien Städte und zur möglichen Zahlung einer Kompensation oder Entschul dungsbeihilfe bei Verlust der Kreisfreiheit, über die der Gesetzgeber zu entscheiden hat, hat die Landesregierung noch keinen Gesetzentwurf erarbeitet. Die Landesregierung sieht daher von ei ner Beantwortung unter Verweis auf Artikel 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen ab. e) Gewährung einer Entschuldungsbeihilfe oder einer Fusionsprämie bei Landkreisen Zur Neugliederung der Landkreise und zur möglichen Gewährung einer Entschuldungsbeihilfe oder einer Fusionsprämie, über die der Gesetzgeber zu entscheiden hat, hat die Landesregie rung noch keinen Gesetzentwurf erarbeitet. Die Landesregierung sieht daher von einer Beantwor tung unter Verweis auf Artikel 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen ab. f) größere Anfahrtswege für die Bürger zu den örtlichen Verwaltungen durch die Vergrößerung von kommunalen Gebietskörperschaften Auf die Antwort zur Frage III.3.a und die Vorbemerkung wird verwiesen. g) Einrichtung von sozialen Zentren und Bürgerservicebüros4 Auf die Antwort zur Frage III.3.a und die Vorbemerkung wird verwiesen. h) Abschaffung der ehrenamtlichen Bürgermeister (§ 28 Abs. 2 Thüringer Kommunalordnung) im Zuge der Bildung größerer Gemeinden und ihr Ersatz durch hauptamtliche Bürgermeister Auf die Antwort zur Frage III.3.a und die Vorbemerkung wird verwiesen. i) größere Anfahrtswege für ehrenamtlich tätige Kommunalpolitiker durch Bildung von größeren Landkreisen 7 Drucksache 6/3073Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Auf die Antwort zur Frage III.3.a und die Vorbemerkung wird verwiesen. j) möglicher Rückgang des ehrenamtlichen Engagements (unter anderem bei den freiwilligen Feu erwehren durch die Bildung von größeren Verwaltungseinheiten und der daraus folgenden Not wendigkeit des Umstiegs aufs Hauptamt bei den Leitungsstellen) Auf die Antwort zur Frage III.3.a und die Vorbemerkung wird verwiesen. Im Übrigen wird im Hinblick auf die freiwilligen Feuerwehren auf Folgendes hingewiesen: Mit der Gebietsreform sind keine direkten Auswirkungen auf das Ehrenamt, insbesondere auf die Anzahl und Dislozierung der örtlichen Feuerwehren, verbunden. Von Landesseite ist nicht beabsichtigt, im Rahmen der Schaffung größerer, leistungsfähigerer kommunaler Strukturen die bisherigen Feu erwehrstandorte in Frage zu stellen. Feuerwehren bisher selbständiger Gemeinden können ihre Aufgaben in größeren Kommunen als Ortsteilfeuerwehren fortsetzen. Für die ehrenamtlichen Funktionsträger müssen sich daher keine negativen Auswirkungen er geben. So liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse darüber vor, dass die ehrenamtlichen Strukturen in den heute schon bestehenden größeren Gebietskörperschaften schlechter funkti onieren als in den kleineren. In größeren Gemeindestrukturen mit mehreren Ortsteilfeuerwehren stehen den Orts-/Stadtbrandmeistern die Wehrführer zur Seite. Auf Kreisebene kann, wie bisher auch schon, die Anzahl der ehrenamtlichen Kreisbrandmeister den örtlichen Verhältnissen ange passt werden. Durch eine Gebietsreform muss sich daher die Belastung der ehrenamtlichen Kreis brandmeister nicht erhöhen. Durch die Zusammenlegung der hauptamtlichen Strukturen auf Krei sebene dürften sich Synergieeffekte ergeben, die bei gleichem Personaleinsatz insgesamt eine zumindest gleichwertige Aufgabenerfüllung ermöglichen sollten. k) Anpassung der Arbeitsagentur und Gerichtsbezirke, Schulbezirke, Servicestellen der Finanzäm ter und der Wahlkreise an die neue Gebietsstruktur Die in Thüringen gegenwärtig ansässigen Agenturen für Arbeit mit ihren Zweigstellen und die Re gionaldirektion SachsenAnhaltThüringen der Bundesagentur für Arbeit mit Sitz in Halle/Saale sind Verwaltungsorganisationseinheiten der Bundesagentur für Arbeit (BA), die als Körperschaft des öffentlichen Rechts ihre Aufgaben als Dienstleister am Arbeitsmarkt eigenverantwortlich aus führt und über ihre innere Organisation selbst entscheidet. Der Freistaat Thüringen kann hier nicht unmittelbar Einfluss nehmen. Bei der in Landesverantwortung liegenden Anpassung der Gerichtsbezirke, der Schulbezirke für Schulen in staatlicher Trägerschaft und der Servicestellen der Finanzämter an die späteren Er gebnisse der Gebietsreform in Thüringen bedarf es vorbehaltlich der Verabschiedung des von der Landesregierung vorgelegten Entwurfs eines Thüringer Gesetzes über die Grundsätze von Funktional und Verwaltungsreform (EThürGFVG) durch den Landtag einer Prüfung von orga nisatorischstrukturellen Maßnahmen zur Herstellung der Einräumigkeit der Verwaltung. Eine Anpassung der Wahlkreise an die neue Gebietsstruktur in Thüringen wird zu gegebener Zeit auf der Grundlage des § 2 des Thüringer Landeswahlgesetzes (ThürLWG) per Gesetz durch Än derung der Anlage zu § 2 Abs. 1 ThürLWG erfolgen. Dadurch entstehen keine Kosten. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Fragen I.1.b und I.1.d verwiesen. Bezüglich einer Prognose der entstehenden Kosten und Einsparpotentiale in Folge einer Gebiets reform wird auf die Vorbemerkung verwiesen. l) Anpassung der VerwaltungsEDV (Verwendung unterschiedlicher Software in den ehemals eigen ständigen kommunalen Gebietskörperschaften) Auf die Antwort zur Frage III.3.a und die Vorbemerkung wird verwiesen. m) Weiterführung von mittel und langfristigen Verträgen der ehemals eigenständigen kommunalen Gebietskörperschaften (Doppelbelastung für den kommunalen Haushalt) Auf die Antwort zur Frage III.3.a und die Vorbemerkung wird verwiesen. 8 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3073 n) Umstellung des KFZ sowie des Personal und Meldewesens bei Straßenumbenennungen (Kos ten für Unternehmen und Bürger) Auf die Antwort zur Frage III.3.a und die Vorbemerkung wird verwiesen. o) sonstige Ummeldungskosten (Versicherung et cetera) für die Unternehmen und Bürger Auf die Antwort zur Frage III.3.a und die Vorbemerkung wird verwiesen. p) höhere Beiträge und Gebühren für die Bürger und Unternehmen durch Satzungsanpassungen Auf die Antwort zur Frage III.3.a und die Vorbemerkung wird verwiesen. q) Fortzahlung von Bezügen bei Bürgermeistern, Landräten, Vorsitzenden von Verwaltungsgemein schaften bei gleichzeitiger Nichtausübung ihrer Ämter aufgrund von Gemeinde- und Landkreiszu sammenschlüssen sowie Umwandlungen der Verwaltungsgemeinschaften in Land und Einheits gemeinden Auf die Antwort zur Frage III.3.a und die Vorbemerkung wird verwiesen. r) Aufteilung von Vermögen/Krediten/Schulden bei kommunalen Zweckverbänden (Abwasserent sorgung, Energie, Müll, öffentlicher Personennahverkehr)? Auf die Antwort zur Frage III.3.a und die Vorbemerkung wird verwiesen. Im Übrigen lassen kommunale Neugliederungen den Bestand von Zweckverbänden regelmäßig unberührt. § 39 ThürKGG regelt die Rechtsfolgen von Neugliederungen. IV. Finanzierungsquellen 4. Welche Deckungsquellen sollen nach Ansicht der Landesregierung zur Finanzierung der (An schub)Kosten der Verwaltungs, Funktional und Gebietsreform dienen (Überschüsse aus dem Landeshaushalt, Rücklagen und andere; bitte nach den Kosten für die Verwaltungs, Funktional und Gebietsreform mit Nennung der jeweiligen Deckungsquellen aufschlüsseln)? In Abhängigkeit vom Umfang der von der Landesregierung und gegebenenfalls vom Gesetzgeber zu beschließenden verwaltungs und gebietsreformerischen Maßnahmen, die nach gegenwärtiger Pla nung nicht vor dem Jahr 2018 umzusetzen sein werden, muss im Haushaltsaufstellungsverfahren für den Doppelhaushalt 2018/2019 Vorsorge getroffen werden. Die konkrete Umsetzung der Maßnah men wird nur im Rahmen der vom Gesetzgeber bereit gestellten Mittel erfolgen können. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage I.1.b verwiesen. Dr. Poppenhäger Minister Endnote: 1 Außer der Zusammenlegung von Ministerien auf Landesebene finden sich alle nachfolgenden Punkte im Leitbild "Zukunftsfähiges Thüringen" der Landesregierung (Seite 29). 2 Vergleiche Leitbild "Zukunftsfähiges Thüringen", Seite 29. 3 Vergleiche Leitbild "Zukunftsfähiges Thüringen", Seite 22; Seiten 26 bis 27. 4 Vergleiche Leitbild "Zukunftsfähiges Thüringen", Seiten 75 bis 76. Kosten und Einsparpotentiale der Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform in Thüringen Endnote: