26.02.2015 Drucksache 6/308Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 11. März 2015 Umsetzung der Richtlinie 2007/2/EG (INSPIRE) im Freistaat Thüringen - Teil 1 (Rechtliche Umsetzung) Die Kleine Anfrage 107 vom 12. Januar 2015 hat folgenden Wortlaut: Vorbemerkung 1: Gemäß der Drucksache 6/67 wurde die Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie in einer EU-Pilotanfrage geprüft. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit teilte mir mit, dass im Rahmen dieser EU-Pilotanfrage die Vereinbarkeit des Thüringer Geodateninfrastrukturgesetzes (ThürGDIG) mit der INSPIRE-Richtlinie bemängelt wurde. Aus dem Evaluationsbericht (EUR 91574 EN, 4.1.3) geht nicht eindeutig hervor, ob das EU-Pilot-Verfahren ohne Beanstandungen abgeschlossen wurde. Vorbemerkung 2: Aus der Drucksache 6/67 geht hervor, dass Richtlinien abstrakte Regelungen darstellen, die einer rechtskonformen Auslegung unterliegen, die sich aus der Rechtsprechung, Gesetzen sowie ergänzenden amtlichen Regelungen ergeben. Gemäß der Drucksache 17/12495 des Deutschen Bundestags wird der abstrakte Begriff Interoperabilität durch die Semantische Interoperabilität näher spezifiziert. Der Europäische Interoperabilitätsrahmen (EIF) definiert explizit den Begriff "Rechtliche Interoperabilität". Hierzu gehören zwingend Regelungen zu Nutzungs-, Zugriffs- und Lizenzbedingungen, um einen rechtssicheren Zugang und Umgang mit umweltrelevanten Daten gemäß INSPIRE-Richtlinie im europäischen Kontext zu ermöglichen. Die Antwort der Landesregierung zu Frage 4 in Drucksache 6/67 kann vor diesem Hintergrund nicht nachvollzogen werden. Entgegen der Antwort der Landesregierung zu Frage 6 ist die Rechtliche Interoperabilität nicht nur für den Datenaustausch zwischen Behörden sicherzustellen, sondern auch zwischen Behörden und nicht behördlichen Datennutzern (vgl. u.a. § 3 Thüringer Umweltinformationsgesetz). Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Gesetzesteile im Thüringer Geodateninfrastrukturgesetz wurden in der Pilotanfrage beanstandet und wie wurde darauf reagiert (Bitte um Bereitstellung der a) Pilotanfrage vom 18. Februar 2014 der Europäischen Kommission, mindestens jedoch alle Passa- gen, die das Thüringer Geodateninfrastrukturgesetz betreffen; b) Mitteilung der Bundesrepublik Deutschland vom 28. Mai 2014 an die EU-Kommission, mindestens jedoch alle Passagen, die das Thüringer Geodateninfrastrukturgesetz betreffen; c) Antwortschreiben der Europäischen Kommission)? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Krumpe (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/308 2. Ist seitens der Kommission das Pilot-Verfahren 6116/14/ENVI vom 28. Februar 2014 in Bezug auf die Beanstandungen/Fragen der Kommission, die das Thüringer Geodateninfrastrukturgesetz betreffen, tatsächlich abgeschlossen? 3. Warum werden Indikatoren wie EU-Pilotanfragen, die zur Messung qualitativer Eigenschaften wie Umsetzungsgenauigkeit der Thüringer Landesgesetze herangezogen werden können, nicht öffentlich bereitgestellt? 4. Warum werden EU-Pilotanfragen, die die gesetzgebende Gewalt betreffen, nicht im Landtag bzw. in den Landtagsausschüssen behandelt, sondern auf der exekutiven Ebene in den Ministerien? 5. Wie können die durch die Intransparenz von EU-Pilotanfragen bezüglich der Thüringer Gesetzgebung entstehenden Verwaltungsmehrkosten, welche durch redundante Fragen zur Umsetzung einer Richtlinie (EU-Pilotanfragen/Kleine Anfrage durch Abgeordnete) entstehen können, zukünftig vermieden werden? 6. Bis wann plant die Landesregierung die rechtliche Interoperabilität vor dem Hintergrund der Vorbemerkung 2, Artikel 3 Abs. 7, Artikel 7 der INSPIRE-Richtlinie durch Novellierung des Thüringer Geodateninfrastrukturgesetzes so herzustellen, dass Datennutzungsszenarien wie die Verschneidung von Thüringer Geodaten mit Datensätzen aus anderen Bundesländern oder europäischen Mitgliedsstaaten einschließlich eindeutiger Nutzungs- und Lizenzregelungen des Ergebnisdatensatzes durch außerbehördliche Organisationen oder natürliche Personen ohne individuell ausgehandelte Nutzungs-, Zugriffs- und Lizenzbedingungen durchgeführt werden können? 7. Welche der in § 1 Abs. 1 Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetz (ThürVwVfG) genannten Behörden weisen ein Defizit im Vollzug des Thüringer Geodateninfrastrukturgesetzes unter Berücksichtigung der Durchführungsbestimmungen zu den Metadaten, Datenspezifikationen, Netzdiensten, Zugriffs- und Nutzungsrechten, Überwachung und Berichterstattung auf (bitte tabellarische Auflistung der Behörde, Verwaltungsebene und Defizit je Geodaten-Thema)? 8. Welche Überwachungsindikatoren und weiteren Kontrollmaßnahmen werden für die in § 1 Abs. 1 ThürVwVfG genannten Behörden angewandt, um den Zeitplan zur Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie einzuhalten? Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Landesre gierung mit Schreiben vom 26. Februar 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Eine Veröffentlichung der Korrespondenz zum genannten Sachverhalt wurde durch die Europäische Kommission , Generaldirektion Umwelt, gemäß Schreiben vom 30. Januar 2015 nicht freigegeben. Zu 2.: Eine Reaktion der Europäischen Kommission auf die Stellungnahme des Mitgliedstaats Deutschland steht derzeit noch aus (Stand: 10. Februar 2015). Zu 3.: Eine öffentliche Bereitstellung wäre mit dem Ziel eines EU-Pilotverfahrens unvereinbar. Diese Bewertung der Landesregierung beruht auf einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 25. September 2014 (Spirlea./.KOM, Rechtssache T-669/11, Celex-Nr. 62011TJ0669, Rdnr. 546 ff.). Das Ziel eines EU-Pilotverfahrens besteht darin, "ein länger dauerndes und komplexeres Vertragsverletzungsverfahren und gegebenenfalls eine Vertragsverletzungsklage zu vermeiden" (EUGH, a.a.O. Rdnr. 62). Regelmäßig erst wenn eine Einigung im EU-Pilotverfahren nicht zustande kommt, leitet die Kommission ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen den jeweils betroffenen Mitgliedstaat ein. Zwischen EU-Pilotverfahren und Vertragsverletzungsverfahren besteht demnach eine Art Stufenverhältnis. Bezogen auf das Vorverfahren des Vertragsverletzungsverfahrens hat der EuGH die Vertraulichkeit zwischen der Kommission und den jeweils betroffenen Mitgliedstaaten bereits anerkannt. Folgerichtig kommt der EuGH im Wege eines ErstRecht Schlusses zu dem Ergebnis, dass die Wahrung der Vertraulichkeit im EU-Pilotverfahren nicht hinter der vom EuGH bereits anerkannten Vertraulichkeit des Vorverfahrens des Vertragsverletzungsverfahrens gemäß Artikel 258 ff. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zurückstehen dürfe (EuGH, a.a.O., Rdnr. 62). "Unter diesen Umständen ist die Freigabe von Dokumenten im Rahmen des EU- 3 Drucksache 6/308Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Pilotverfahrens geeignet, die anschließende Phase, nämlich das Vertragsverletzungsverfahren, zu beeinträchtigen " (EuGH, a.a.O., Rdnr. 62). Im Ergebnis ist die Vertraulichkeit zwischen der Kommission und dem jeweils betroffenen Mitgliedstaat im EU-Pilotverfahren unerlässlich, da diese es den Beteiligten erst ermöglicht , "einen Verhandlungs- und Kompromissfindungsprozess mit dem Ziel einer gütlichen Einigung in Gang zu setzen" (EuGH, a.a.O., Rdnr. 57). Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Zu 4.: Das EU-Pilotverfahren ist, wie vom Europäischen Gerichtshof ausgeführt (EuGH, Urteil vom 25. September 2014, Rdnr. 61), zweiseitiger Natur. Es betrifft mithin das Verhältnis zwischen Kommission und Mitgliedsstaat (hier: Bundesrepublik Deutschland). Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zum bundesfreundlichen Verhalten im Bundesstaat gibt die Landesregierung bei EU-Pilotverfahren ebenso wie bei Vertragsverletzungsverfahren dem Bund auf Anfrage Informationen über die Art und Weise der Umsetzung europarechtlicher Richtlinien weiter. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Zu 5.: Die Landesregierung teilt die der Frage zu Grunde liegende Annahme der Intransparenz und der Verwaltungsmehrkosten nicht. In den EU-Pilotverfahren sieht die Landesregierung ein wirksames Instrument, durch die Vermeidung von Vertragsverletzungsverfahren Verwaltungsaufwand zu reduzieren. So konnten beispielsweise im Jahr 2013 70 Prozent der EU-Pilotverfahren erfolgreich abgeschlossen werden mit der Folge, dass ein förmliches Einleiten eines Vertragsverletzungsverfahrens entbehrlich war (Quelle: KOM, Der EU-Binnenmarkt - EU-Pilot, Binnenmarktanzeiger, 7/2014). Zu 6.: Die Herbeiführung derartiger Lizenz- und Nutzungsbestimmungen für außerbehördliche Organisationen oder natürliche Personen ist nicht Regelungstatbestand des Thüringer Geodateninfrastrukturgesetzes, das der Umsetzung der Richtlinie 2007/2/EG dient. Die hier angefragten Nutzungsszenarien sind bereits für eine Vielzahl der in der Geodateninfrastruktur Thüringen verfügbaren Geodaten realisierbar. Zu 7.: Um die Funktionsfähigkeit der Geoinformationsverwaltung aufrechtzuerhalten, wird an dieser Stelle ein Überblick über die bereits für INSPIRE identifizierten Datenbestände und Dienste gegeben. Die Auflistung noch nicht identifizierter Geodaten entfällt daher. Die Übersicht der bereits identifizierten Datensätze und Dienste sowie der entsprechenden Organisationsstrukturen kann der Meldung zum INSPIRE-Monitoring 2013 entnommen werden (http://www.geoportal-th.de/Portals/0/Downloads/Offener_Informationskreis/gdi-th-1.xls). Zu 8.: Die in den Berichtspflichten der Verordnung 2009/442/EG genannten Indikatoren werden für die Überwachung der geodatenhaltenden Stellen im Freistaat Thüringen verwendet. Die Informationen werden durch die nationale Anlaufstelle auf Bundesebene nach Artikel 19 Abs. 2 der Richtlinie 2007/2/EG regelmäßig veröffentlicht . Keller Ministerin