28.11.2016 Drucksache 6/3095Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 20. Dezember 2016 Bekanntmachung der Europäischen Kommission zur weitgehenden Beihilfefrei heit der Kulturförderung und Auswirkungen auf den Freistaat Thüringen Die Kleine Anfrage 1591 vom 13. Oktober 2016 hat folgenden Wortlaut: Im Juni 2014 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Verordnung zur Regelung des EU-Beihilferechts . Danach waren die Regelungen des EU-Beihilferechts bis auf wenige Ausnahmen auch auf die staatliche Kulturförderung anzuwenden, was im Bereich der Kultur und vor allem in den staatlich geförderten kulturellen Einrichtungen für starke Verunsicherung sorgte. Am 19. Juli 2016 wurde nun im Amtsblatt der Europäischen Union eine signifikante Änderung bekannt gegeben, die eine weitreichende Beihilfefreiheit im Bereich der Kultur und des Naturschutzes ermöglicht, da zahlreiche Tätigkeiten im kulturellen Bereich auf "... nichtkommerzielle Art und Weise ..." durchgeführt würden (also nichtwirtschaftlicher Natur seien) beziehungsweise "... objektiv nicht substituierbar ..." seien und somit "... kein echter Markt bestehen kann..."1 Das Kriterium der "nichtwirtschaftlichen Natur" gelte selbst dann, wenn zum Beispiel in Form von Eintrittsgeldern ein finanzieller Beitrag erhoben wird, der allerdings die Kosten nicht decken darf. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Maßnahmen wurden aufgrund der im Jahr 2014 veröffentlichten Verordnung zur Regelung des EU-Beihilferechts im Freistaat Thüringen im Bereich Kultur getroffen und mit welchem Umfang? Wie wird nach der nun veröffentlichten weitgehenden Beihilfefreiheit weiter mit diesen Maßnahmen verfahren? 2. Wie schätzt die Landesregierung die 20-Prozent-Regelung2 bei gemischt genutzten Einrichtungen ein und sieht sie die Gefahr, dass Thüringer Kultureinrichtungen die 20-Prozent-Grenze überschreiten? 3. Welche konkreten Einrichtungen beziehungsweise Veranstaltungen könnten negativ von der 20-Prozent- Regelung betroffen sein und wie wird die Landesregierung damit umgehen? 4. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um in Grenzfällen (zum Beispiel kommerziell ausgerichtete Festivals wie "Sonne, Mond und Sterne") Rechtssicherheit und eventuell den gesicherten Bestand von Einrichtungen und Veranstaltungen zu gewährleisten? 5. Welche staatlich geförderten kulturellen Einrichtungen beziehungsweise Veranstaltungen stellen sich aufgrund ihrer Struktur (zum Beispiel Deckung der Kosten durch Einnahmen, kommerzielle Nutzung, Beeinflussung des zwischenstaatlichen Handels) trotz der erfolgten Kehrtwende im EU-Beihilferecht nach wie vor als staatliche Beihilfe dar und welche Folgen ergeben sich nach Einschätzung der Landesregierung daraus? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Mitteldorf (DIE LINKE) und A n t w o r t der Thüringer Staatskanzlei 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3095 Der Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 25. November 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Nachdem die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung der Kommission zur "Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union" am 1. Juli 2014 in Kraft getreten ist, waren neben den rechtlichen auch die technischen Voraussetzungen zur Umsetzung des Europäischen Beihilferechts in der Kultur zu schaffen. Gem. Artikel 11 "Berichterstattung" der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) sind diese Förderungen gegenüber der Kommission (KOM) transparent zu machen. Dies geschieht regelmäßig über ein Portal "State Aid Notification Interactiv 2" (SANI2). Es wurden über das TMWWDG Zugänge für drei Mitarbeiterinnen des zuständigen Referates in der Kulturabteilung geschaffen, um die Erfassung der Förderfälle auch im Vertretungsfalle abzusichern. Das Beihilferecht sieht einerseits die Erfassung von Einzelbeihilfen und andererseits die Erfassung von Regelungen vor, bei denen es sich um Förderrichtlinien handelt. Da jährlich auf der Grundlage der Förderrichtlinien durchschnittlich 500 - 600 Einzelförderungen erfolgen, entschied sich die Abteilung Kultur, für die Projektförderung die jeweiligen Richtlinien als Regelungen sowie die institutionellen Förderungen als Einzelförderungen über SANI2 anzumelden. Betroffen waren folgende Regelungen, die entsprechend geändert werden mussten: • Richtlinie zur Förderung von Kultur und Kunst • Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen aus Mitteln des Freistaats Thüringen zur Beschäftigung von Leitungskräften bei Trägern kulturpolitisch bedeutsamer Maßnahmen • Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen aus Mitteln des Freistaats Thüringen zur Beschäftigung von Fachkräften im jugendkulturellen Bereich • Denkmalförderrichtlinie • Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen aus Mitteln des Freistaats Thüringen für Volontariate in Thüringer Museen • Richtlinie über die Vergabe des Kulturpreises und der Kulturnadel des Thüringer Ministeriums für Bildung , Wissenschaft und Kultur • Richtlinie zur Gewährung von Zuschüssen für Angebote zur Beratung, Betreuung und Aufarbeitung von SED-Unrecht Im Bereich der Einzel-Förderungen (institutionell) waren folgende Bewilligungen zu erfassen: • Klassik Stiftung Weimar • Stiftung Schloss Friedenstein Gotha • Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten • Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau Dora • Institutionelle Förderungen für 25 Museen (einschließlich Grenzmuseen), Theater und Orchester Darüber hinaus waren Bescheidmuster und weitere Dokumente zum Bescheid zu ändern. Weiterhin arbeitete Thüringen an den Bundesrahmenregelungen Kultur und staatliche Haftungsübernahmen im Kulturbereich mit. Die Mitteilung der KOM vom 19. Juli 2016 hat verwaltungsbindende Wirkung. Es wurde daher geprüft, ob die geförderten kulturellen Einrichtungen die Tatbestände der Randnummern 33 bis 37 erfüllen und ebenso die Randnummern 197 und 207 tangieren. Im Ergebnis dessen wird eingeschätzt, dass die Förderungen in der Kultur nicht beihilferelevant sind. Um unklare oder Grenzfälle, die derzeit jedoch noch unbekannt sind, beihilferechtlich abzusichern, werden auch künftig die Richtlinien über das Portal SANI2 angemeldet. Zu 2.: Die 20 Prozent-Regelung wird als unkritisch eingeschätzt. Die kulturellen Einrichtungen mit einer gemischten Nutzung werden fast ausschließlich für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit genutzt. Nach Auffassung der Kommission kann ihre Finanzierung ganz aus dem Anwendungsbereich der Beihilfevorschriften herausfallen, wenn die wirtschaftliche Nutzung eine reine Nebentätigkeit darstellt. Solche Nebentätigkeiten hängen unmittelbar mit dem Betrieb der Infrastruktur beziehungsweise mit der nichtwirtschaftlichen Haupttätigkeit zusammen und sind dafür erforderlich. 3 Drucksache 6/3095Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Die Kommission sagt, dass übliche Zusatzleistungen (wie Restaurants, Geschäfte oder bezahlte Parkplätze ) von fast ausschließlich für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten genutzten Infrastrukturen sich in der Regel nicht auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten auswirken, weil unwahrscheinlich ist, dass diese üblichen Zusatzleistungen Kunden aus anderen Mitgliedstaaten anziehen würden und dass ihre Finanzierung mehr als marginale Auswirkungen auf grenzüberschreitende Investitionen oder Niederlassungen haben dürfte. Zu 3.: Mit Verweis auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 kann die Frage nicht beantwortet werden. Zu 4.: Siehe Antwort zu Frage 1, letzter Absatz. Zu 5.: Keine Prof. Dr. Hoff Minister Endnote: 1 Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Amtsblatt der Europäischen Union, Rn.33-37. 2 "Die wirtschaftliche Nutzung der Infrastruktur kann als Nebentätigkeit angesehen werden, wenn nicht mehr als 20 Prozent der jährlichen Gesamtkapazität der Infrastruktur für wirtschaftliche Tätigkeiten genutzt werden", ebenda , Fußnote 305, C 262/45. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3095 Anlage Erläuterung zu den Randnummern der Mitteilung der KOM Unter Ziffer 2.6 der Mitteilung der KOM wird der Begriff des Unternehmens und der wirtschaftlichen Tätigkeit für die Kultur und Erhaltung des kulturellen Erbes einschließlich Naturschutz definiert. Einschlägig für die Abteilung 4 der TSK sind dabei insbesondere die Randnummern (Rn.) 34 und 36. Gemäß Rn. 34 ist die Kommission der Auffassung, dass die öffentliche Finanzierung von kulturellen Aktivitäten und Aktivitäten zur Erhaltung des kulturellen Erbes, die der Öffentlichkeit kostenlos zugänglich gemacht werden, rein soziale und kulturelle Zwecke erfüllt, die nicht-wirtschaftlicher Natur sind. Die öffentliche Finanzierung solcher Tätigkeiten ist daher nicht zwingend auch eine staatliche Beihilfe. Auch wenn von den Besuchern ein finanzieller Beitrag erhoben wird (Eintrittsgelder), der nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten deckt, bleibt dies trotzdem eine nichtwirtschaftliche Aktivität. Das erhobene Entgelt kann lt. Mitteilungstext nicht als echte Vergütung für die erbrachte Dienstleistung angesehen werden. Das BMWi erläutert dazu, dass der "Bruchteil" gleichzusetzen sei mit einer 50/50-Finanzierung durch Einnahmen und Förderung. Darüber hinaus stellt die Kommission in Rn. 36 ihrer Mitteilung fest, dass bestimmte Tätigkeiten im kulturellen Bereich objektiv nicht ersetzbar sind. Beispielhaft wird das Führen öffentlicher Archive, die einzigartige Dokumente umfassen, genannt. Hier könne kein echter Markt bestehen und somit tragen auch diese Tätigkeiten keinen wirtschaftlichen Charakter. Mit Rn. 35 erklärt die Kommission, dass Tätigkeiten kultureller Einrichtungen als wirtschaftlich einzustufen sind, wenn diese vorwiegend aus Besucher- bzw. Benutzerentgelten oder durch andere kommerzielle Mittel finanziert werden. Beispielhaft werden kommerzielle Ausstellungen, Kinovorführungen1, kommerzielle Musikaufführungen und Festivals sowie vorwiegend aus Studiengebühren finanzierte Kunstschulen genannt. Auch kulturelle oder für die Erhaltung des kulturellen Erbes bestimmte Tätigkeiten, die nur bestimmten Unternehmen und nicht der Allgemeinheit zugutekommen, wie z.B. die Restaurierung eines historischen Gebäudes , das von einem Privatunternehmen genutzt wird, sind in der Regel als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen . Einschlägig ist hier der Bereich der Denkmalpflege. Rn. 197 stellt im Abschnitt 6.3 "Auswirkungen auf den Handel" ergänzend dazu klar, in welchen Fällen die staatlichen Förderungen den zwischenstaatlichen Handel nicht beeinflussen. Wenn kulturelle Veranstaltungen und kulturelle Einrichtungen mit wirtschaftlichen Tätigkeiten ihre Besucher/Nutzer i.d.R. objektiv nicht dazu veranlassen, diese Angebote gegenüber ähnlichen Angeboten in anderen Mitgliedstaaten zu bevorzugen , wird der Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht beeinflusst. Z. B. wird es nicht passieren, dass eine Musikschule in einem anderen Mitgliedstaat in Anspruch genommen wird, da einerseits keine entsprechende Werbung erfolgt und andererseits der Aufwand für die musikalische Ausbildung viel zu hoch wäre. Bei nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten muss nicht geprüft werden, ob etwaige staatliche Zuwendungen Auswirkungen auf den Handel haben könnten. Demzufolge können nur Zuwendungen für große und renommierte Kultureinrichtungen und -veranstaltungen , die intensiv außerhalb ihres regionalen Einzugsgebiets in dem betreffenden Mitgliedstaat beworben werden, den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinflussen. In Rn. 207 im Abschnitt 7.2 "Beihilfe für den Träger/Eigentümer" äußert sich die Kommission zu den Infrastrukturfinanzierungen . In der Vergangenheit wurden öffentliche Infrastrukturfinanzierungen nicht als beihilferelevant einge-stuft, da der Bau und der Betrieb von Infrastruktur als allgemeine staatliche Maßnahmen erachtet wurden. Allerdings haben sich im Laufe der Zeit neue Möglichkeiten für eine kommerzielle Nutzung von Infrastruktur ergeben, so dass die öffentlichen Infrastrukturfinanzierungen unter diesem Aspekt neu bewertet werden mussten. Von Bedeutung ist folgende Aussage: "Wenn die Infrastruktur im Falle einer gemischten Nutzung fast ausschließlich für eine nicht-wirtschaftliche Tätigkeit genutzt wird, kann ihre Finanzierung nach Auffassung der Kommission ganz aus dem Anwendungsbereich der Beihilfevorschriften herausfallen, sofern die wirtschaftliche Nutzung eine reine Nebentätigkeit darstellt, …". Dabei liegt dann eine Nebentätigkeit vor, wenn nur bis zu 20 Prozent der jährlichen Gesamtkapazität der Infrastruktur für wirtschaft-liche Tätigkeiten genutzt werden. Darunter fallen auch übliche Zusatzleistungen wie Restaurants, Geschäfte (wie z.B. Museumsshops) oder bezahlte Parkplätze von fast ausschließlich für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten genutzten Infrastrukturen. 1 Siehe Ausführungen zu 2. Bekanntmachung der Europäischen Kommission zur weitgehenden Beihilfefrei heit der Kulturförderung und Auswirkungen auf den Freistaat Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1. : Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Anlage Erläuterung zu den Randnummern der Mitteilung der KOM