01.12.2016 Drucksache 6/3140Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 21. Dezember 2016 Verheiratete minderjährige Flüchtlinge in Thüringen - erneut nachgefragt Die Kleine Anfrage 1531 vom 29. September 2016 hat folgenden Wortlaut: Auf die Kleine Anfrage 1130 antwortete die Landesregierung in Drucksache 6/2456, dass die Daten der Bevölkerungsfortschreibung zum Stichtag 31. Dezember 2015 noch nicht vorlägen. Auf die Kleine Anfrage 1307 antwortete die Landesregierung in Drucksache 6/2715, dass die Daten der Bevölkerungsfortschreibung bereits zum 14. Juli 2016 veröffentlicht worden seien. Weiterhin antwortete die Landesregierung, dass betreffs des Alters und des Eheschließungsnachweises keine statistischen Daten zu den minderjährigen verheirateten Flüchtlingen vorlägen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie konnte es dazu kommen, dass in der Antwort auf die Kleine Anfrage 1130 die oben geschilderte falsche Angabe gemacht worden ist? 2. Bei welcher Stelle beziehungsweise Behörde und wie wird der Nachweis für das Alter eines minderjährigen Flüchtlings geprüft? 3. Bei welcher Stelle beziehungsweise Behörde und wie wird der Nachweis für die Eheschließung eines minderjährigen Flüchtlings geprüft? 4. Wurden bei den 35 im Jahr 2016 registrierten Ehen Nachweise für die Eheschließung beigebracht oder beruhen die Angaben auf der Selbstauskunft der Betroffenen? Wenn ja, welche Angaben sind dies jeweils? 5. In der Antwort auf Frage 4 der Kleinen Anfrage 981 (vergleiche Drucksache 6/2132) wurde darauf hingewiesen , dass Bescheinigungen oder Nachweise über religiöse Eheschließungen von deutschen Behörden grundsätzlich im Einzelfall auf ihre Wirksamkeit für den deutschen Rechtsbereich überprüft werden müssten. Wie wird im Falle einer lediglich vorliegenden Selbstauskunft die Wirksamkeit der Ehe für den deutschen Rechtsbereich geprüft und welche Stelle beziehungsweise Behörde nimmt diese Überprüfung vor? 6. Wer hat das Sorgerecht beziehungsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht für einen verheirateten minderjährigen Flüchtling (bitte jeweils für unter 16-Jährige und 16- bis 18-Jährige aufschlüsseln), wenn a) sich der volljährige Ehepartner ebenfalls in Deutschland aufhält, b) sich der minderjährige Ehepartner ebenfalls in Deutschland aufhält, c) sich die Eltern des Flüchtlings ebenfalls in Deutschland aufhalten? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Brandner (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3140 Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 30. November 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Zum Zeitpunkt der Datenrecherche für die Antwort auf die Kleine Anfrage 1130 an den Thüringer Landtag lagen die Daten der Bevölkerungsfortschreibung zum Stichtag 31. Dezember 2015 noch nicht vor. Zu 2.: In § 42f SGB VIII ist das behördliche Verfahren zur Altersfeststellung gesetzlich geregelt. Das Jugendamt hat im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme der minderjährigen Flüchtlinge gemäß § 42a deren Minderjährigkeit durch die Einsichtnahme in deren Ausweispapiere festzustellen oder hilfsweise mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzuschätzen und festzustellen. In Zweifelsfällen hat das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung zur Altersbestimmung zu veranlassen. Zu 3.: Für die Anerkennung einer im Ausland geschlossenen Ehe ist in Deutschland kein zwingendes Verfahren vorgesehen. Es gibt keine zentrale SteIle oder Behörde, die den Nachweis über die Eheschließung eines minderjährigen Flüchtlings prüft. Daher muss jede Behörde, für deren Entscheidung es auf die Wirksamkeit der Ehe ankommt, in eigener Zuständigkeit feststellen, ob die Ehe für den deutschen Rechtsbereich als wirksam anzuerkennen ist. Ausgangspunkt für die Prüfung sind die Regelungen des Internationalen Privatrechts . Nach § 108 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) besteht zudem die freiwillige Möglichkeit, die Wirksamkeit einer ausländischen Eheschließung für den deutschen Rechtsbereich durch das Familiengericht anerkennen zu lassen . Dieses Verfahren setzt ein berechtigtes Interesse der Beteiligten voraus. Zu 4.: Entsprechend der Antwort auf die Kleine Anfrage 1307 des Abgeordneten Brandner (AfD) wurden im Zeitraum vom 1. November 2015 bis zum 23. August 2016 35 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge registriert, die angegeben haben verheiratet zu sein. Die 35 Eheschließungen fanden nicht in Thüringen statt, sondern wurden bereits in den Herkunftsländern registriert. Den Nachweis über die Eheschließung eines minderjährigen Flüchtlings prüft eine Behörde in eigener Zuständigkeit erst dann, wenn es für deren Entscheidung auf die Wirksamkeit der Ehe ankommt. Thüringer Standesämter waren bislang nicht mit Eheschließungen minderjähriger Flüchtlinge befasst. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Zu 5.: Eine Selbstauskunft der minderjährigen Flüchtlinge zur Anerkennung der Wirksamkeit ihrer im Heimatstaat erfolgten Eheschließung für den deutschen Rechtsbereich ist nicht ausreichend. Ohne Vorlage eines Nachweises über die religiöse Eheschließung ist keine Überprüfung der Wirksamkeit dieser Eheschließung möglich . Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Zu 6.: Bei ausländischen Staatsangehörigen ist bei der Anwendung familienrechtlicher Regelungen vorab zu prüfen , ob das Recht des Heimatstaates oder deutsches Recht zur Anwendung kommt. Grundsätzlich, sofern keine besonderen Regelungen einschlägig sind, unterliegt das Rechtsverhältnis zwischen einem Kind und seinen Eltern nach Artikel 21 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für in Deutschland aufhältige Kinder und Jugendliche (Personen unter 18 Jahren) findet danach deutsches Recht Anwendung. Nach § 1626 BGB haben die Eltern die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes beziehungsweise des Jugendlichen (Personensorge ) und das Vermögen des Kindes beziehungsweise des Jugendlichen (Vermögenssorge). Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist der Teilbereich der Personensorge, der die Bestimmung des Wohnsitzes, des gewöhnlichen Aufenthalts oder des tatsächlichen Aufenthalts beinhaltet. Gemäß § 1633 BGB beschränkt sich die Personensorge für einen Minderjährigen, der verheiratet ist oder war, auf die Vertretung in den persönlichen Angelegenheiten und umfasst damit nicht das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Sofern sich die Eltern des Flüchtlings nicht in Deutschland aufhalten, ist das Jugendamt zuständig und der Flüchtling gemäß § 42 SGB VIII in Obhut zu nehmen. Nach §§ 1693, 1773 BGB ist über das Familiengericht ein Vormund zu bestellen. Lauinger Minister _GoBack Text