02.12.2016 Drucksache 6/3148Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 23. Dezember 2016 Sprachförderung für Flüchtlinge - Teil I Die Kleine Anfrage 1593 vom 13. Oktober 2016 hat folgenden Wortlaut: Mit der steigenden Anzahl von Flüchtlingen nimmt auch die Zahl der zu beschulenden Flüchtlingskinder weiter zu. Das Erlernen der deutschen Sprache ist der Schlüssel zu deren Integration in Schule, Beruf und Gesellschaft. Die jugendlichen Zuwanderer müssen in die Lage versetzt werden, dem regulären Unterricht folgen und einen qualifizierten Abschluss erlangen zu können. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viel Geld steht in Thüringen insgesamt sowie pro Flüchtling für Sprachkurse beziehungsweise unterstützende Maßnahmen zur Verfügung? 2. Bis zu welchem Alter haben Flüchtlinge ein Anrecht auf einen Sprachkurs? 3. Wie viel Prozent der volljährigen Flüchtlinge haben in diesem Jahr an einem Sprachkurs teilgenommen? 4. Werden ausreichend Sprachkurse für alle Flüchtlinge angeboten? 5. Bis zu welchem Sprachniveau sollen Sprachkurse laufen und gibt es für Flüchtlinge auch Aufbaukurse? 6. Bis zu welchem Alter haben Flüchtlinge ein Anrecht auf Schulbesuch? 7. Erhalten Flüchtlinge seitens des Landes Unterstützung in Bezug auf den Spracherwerb während der Dualen Ausbildung? 8. Gibt es bei der Sprachförderung besondere Module für den Übergang von Kindertagesstätten zur Schule? 9. Welche Handreichungen für Schulen gibt es? 10. Welche Mittel stehen im Bereich der Sprachförderung für die Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern zur Verfügung? Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 30. November 2016 wie folgt beantwortet: K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Tischner (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3148 Zu 1.: Pauschale Ausführungen dazu, wie viel Geld in Thüringen je Flüchtling für Sprachkurse beziehungsweise unterstützende Maßnahmen bereitsteht, können nicht vorgenommen werden. Auf den Schulbereich fokussiert wird der Flüchtlingsstatus nicht erhoben. Bei Erhebungen im schulischen Bereich wird, angelehnt an die KMKBestimmungen, der Migrationshintergrund zugrunde gelegt. Die Förderung basiert laut Verwaltungsvorschrift für das laufende Schuljahr auf einer Lehrerwochenstunde pro Schüler /Schülerin mit Förderbedarf in Deutsch als Zweitsprache (DaZ). Anerkannten Flüchtlingen steht eine Reihe von Maßnahmen zur Integrationsförderung und dabei insbesondere auch zur Sprachförderung offen. Dabei handelt es sich sowohl um Maßnahmen, die aus Landesmitteln finanziert werden, als auch um Maßnahmen im Verantwortungsbereich des Bundes. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verantwortet die Integrationskurse, die in einen Sprach und einen Orientierungskurs gegliedert sind. Für das Jahr 2016 sind 559 Millionen Euro für Integrationskurse in den Bundeshaushalt eingestellt, für 2017 ist eine Erhöhung auf 610 Millionen Euro vorgesehen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Teilnahme an sogenannten ESFBAMFKursen (Maßnahme der berufsbezogenen Deutschsprachförderung). Diese werden aus Bundes und EUMitteln finanziert und stehen neben anerkannten Flüchtlingen auch Personen im Gestattungs- und Duldungsstatus unter bestimmten Voraussetzungen offen. Für das ESF-BAMF-Programm stehen im Jahr 2016 bundesweit 113 Millionen Euro zur Verfügung. Die Bundesagentur für Arbeit bietet darüber hinaus bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Maßnahmen für Zugewanderte an, die den Erwerb von Sprachkompetenzen mit ausbildungsvorbereitenden/kompetenzfeststellenden Maßnahmen kombinieren. Dazu gehören unter anderem Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach § 45 SGB III, zum Beispiel "Perspektiven für junge Flüchtlinge"oder "KompAS". Zudem werden Integrationsmaßnahmen aus Landesmitteln finanziert. Im Rahmen der "Richtlinie zur Gewährung von Zuwendungen des Freistaats Thüringen für die Förderung der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund" werden Projekte gefördert, die die Verbesserung von Rahmenbedingungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben beinhalten, um sie in die Lage zu versetzen, ihr Leben eigenverantwortlich zu gestalten. Im Jahr 2016 werden 47 Projekte im Rahmen dieser Richtlinie gefördert. Hervorzuheben ist dabei das "Landesprogramm Start Deutsch", welches im Rahmen der benannten Richtlinie gefördert wird. Mit diesem zusätzlichen Sprachkursangebot wird Personen, die keinen Zugang zu BAMF-Integrationskursen haben und die der Schulpflicht nicht unterliegen, der Erwerb von Deutschkenntnissen bis zum Niveau A1 ermöglicht. Das Modellprojekt begann am 1. Juni 2016 und wird nunmehr (Stand: 25. Oktober 2016) an insgesamt 18 Standorten in 37 Kursen mit je rund 15 Teilnehmern umgesetzt. Aus Landesmitteln werden im Jahr 2016 rund 592.000 Euro für das Sprachförderprojekt bereitgestellt. In der Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl findet ein landesfinanzierter Erstorientierungskurs statt, der von einem zertifizierten Sprachkursträger durchgeführt wird. Der modular aufgebaute Kurs steht Asylsuchenden unabhängig von ihrer individuellen Bleibeperspektive offen, bietet eine schnelle Erstorientierung und vermittelt Basissprachkenntnisse sowie gesellschaftliches und kulturelles Basiswissen. Für Erstorientierungskurse wurden im Jahr 2016 bisher (Stand: September 2016) rund 105.000 Euro bereitgestellt. Zu 2.: Einen Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs hat ein Ausländer, der sich dauerhaft im Bundesgebiet aufhält, wenn ihm eine Aufenthaltserlaubnis etwa aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 1 (Anerkennung als Asylberechtigter), Absatz 2 AufenthG (Anerkennung als Flüchtling oder Gewährung subsidiären Schutzes), zum Zweck des Familiennachzugs (§§ 28, 29, 30, 32, 36 AufenthG) oder ein Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 2 (Bundesaufnahme) oder Absatz 4 AufenthG (ResettlementFlüchtlinge) erteilt wird. Zudem stehen Integrationskurse im Rahmen verfügbarer Kursplätze Personen offen, die eine Aufenthaltsgestattung besitzen und bei denen ein dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist (Menschen im laufenden Asylverfahren mit sogenannter guter Bleibeperspektive, derzeit aus den Herkunftsstaaten Syrien, Eritrea, Iran, Irak, Somalia), die eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG besitzen (Duldung bei dringenden humanitären oder persönlichen Gründen oder wenn erhebliche öffentliche Interessen vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern) oder die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 3 Drucksache 6/3148Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode AufenthG besitzen (wenn Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist). Eine explizite Altersbeschränkung für die Teilnahme am Integrationskurs besteht nicht. Für Kinder und Jugendliche , die ihren Wohnsitz in Thüringen haben und denen aufgrund eines Asylantrags der Aufenthalt in Thüringen gestattet ist oder die hier geduldet sind, besteht, beginnend drei Monate nach dem Zuzug aus dem Ausland, die allgemeine Schulpflicht. Im Rahmen des Schulbesuchs findet eine Förderung des Erwerbs der deutschen Sprache als Zweitsprache statt (sogenannte "DaZFörderung" auf Basis von § 47 Abs. 6 ThürSchulO). Daher besteht bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die eine schulische Ausbildung aufnehmen oder ihre bisherige Schullaufbahn in Deutschland fortsetzen, aufgrund der sprachlichen Förderung im Rahmen des Schulbesuchs kein Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs. Die Teilnahme an den Kursen des Landesprogramms "Start Deutsch" steht Personen offen, die nicht mehr schulpflichtig sind und die keinen Zugang zu Integrationskursen des BAMF haben. Insofern besteht eine faktische "Altersmindestgrenze", jedoch keine Altershöchstgrenze. Zu 3.: Derzeit finden in Thüringen 432 laufende Kurse statt (Stand: 4. November 2016). Im ersten Halbjahr 2016 (Integrationskursgeschäftsstatistik des BAMF für Thüringen, Stand: 4. Oktober 2016) haben in Thüringen rund 3.200 Personen einen Integrationskurs neu begonnen. Im selben Zeitraum haben rund 850 Personen einen Integrationskurs abgeschlossen. Im Jahr 2016 haben 17 ESFBAMFKurse mit rund 250 Teilnehmern in Thüringen stattgefunden (Stand: August 2016). Im Oktober befanden sich rund 450 Personen in Kursen des Landesprogrammes "Start Deutsch" beziehungsweise hatten diesen bereits abgeschlossen. Rund 100 weitere Personen werden bis einschließlich November einen Kurs in diesem Sprachförderprojekt beginnen (Stand: 25. Oktober 2016). Zu 4.: Aufgrund der in der Antwort auf Frage 2 geschilderten Zugangsbeschränkungen des Bundes zu den Integrationskursen und damit zu den Maßnahmen der Sprachförderung entstehen Förderlücken für Flüchtlinge, die keinen Zugang zu den BAMFIntegrationskursen haben und die der Schulpflicht nicht unterliegen. Die Landesregierung versucht, diese Förderlücken durch geeignete Sprachförderangebote, wie etwa das aus Landesmitteln finanzierte Landesprogramm "Start Deutsch", zu kompensieren. Zu 5.: Ziel des Unterrichts in Integrationskursen des BAMF ist die Erreichung des Niveaus B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER). Das bisherige System der berufsbezogenen Deutschsprachförderung (ESFBAMFProgramm) beinhaltet Kurse zwischen A1 und C1Niveau. Das "Gesamtprogramm Sprache" des Bundes, das sich seit Juli 2016 im Aufbau befindet und das der Umsetzung der berufsbezogenen Deutschsprachförderung auf Grundlage des § 45a Abs. 3 AufenthG und der Deutschsprachförderverordnung dient, wird Kurse bis zum Niveau C2 bereitstellen. Zielgruppe dieser Maßnahmen sind Personen, die arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldet sind und Sprachförderbedarf haben sowie Beschäftigte mit Sprachförderbedarf. Zugang haben neben Personen , die sich im SGBII beziehungsweise SGBIIIBezug befinden, auch Asylsuchende mit guter Bleibeperspektive . Das Landesprogramm "Start Deutsch" vermittelt Deutschkenntnisse bis zum Niveau A1. Zu 6.: Die Feststellung, ob 16jährige Jugendliche nichtdeutscher Herkunftssprache noch der Schulpflicht unterfallen , erfolgt anhand des Geburtsdatums. Bei allen Geburtsdaten im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 1. August ist von einer Erfüllung der Schulpflicht auszugehen. Bei einem Geburtsdatum im Zeitraum vom 2. August bis zum 31. Dezember ist vom Vorliegen der Schulpflicht für das laufende Schuljahr auszugehen. Die Unterteilung ergibt sich aus der Voraussetzung für den Beginn der Schulpflicht (alle Kinder, die am 1. August eines Jahres sechs Jahre alt sind, vergleiche § 18 Abs. 1 ThürSchulG) und der Dauer der Vollzeitschulpflicht im Umfang von zehn Schulbesuchsjahren (§ 19 Abs. 1 Satz 1 ThürSchulG). 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3148 Faktisch lässt sich für die unterschiedlichen Schulabschlüsse eine Altersgrenze wie folgt herleiten: Die allgemein bildenden Bildungsgänge im Thüringer Schulgesetz gehen von einer ununterbrochenen Schullaufbahn aus und sehen folglich einen Schulabschluss für deutsche Schüler im Alter von in der Regel 16 bis 19 Jahren vor. Im Falle des Zuzugs von jungen Migranten bedarf es einer Einzelfallentscheidung, ob und gegebenenfalls in welche Klassenstufe einer allgemeinbildenden Schule eine Aufnahme erfolgen kann. Der Schulleiter stellt für jeden einzelnen aus dem Ausland zugezogenen Schulpflichtigen fest, in welche Klassenstufe der Grund oder Regelschule, der Gemeinschaftsschule, des Gymnasiums oder der Förderschule er aufzunehmen ist (§ 17 Abs. 4 ThürSchulG). Die Klärung der passenden Schulart erfolgt insbesondere bei älteren Schülerinnen und Schülern unter Einbindung des zuständigen Schulamtes. Ein begonnener und durch Fluchthintergrund unterbrochener Bildungsgang kann somit beendet und gegebenenfalls ein entsprechender Schulabschluss erworben werden. Zu 7.: Die Unterstützung während der dualen Ausbildung erfolgt im Rahmen der Ergänzungsstunden/Förderstunden laut Stundentafel (Wahlpflichtfächer) der Thüringer Schulordnung für die Berufsschule. Hier sind ein bis zwei Stunden bei Tageausbildung und zwei bis vier Stunden bei Blockunterricht ausgewiesen. Der "Sprachzusatzunterricht " kann nur bei entsprechender Teilnehmerzahl und den jeweiligen Bedingungen der einzelnen Berufsbildenden Schule erteilt werden. Die Durchführung ist darüber hinaus von der jeweiligen bisherigen Sprach und Schreibkompetenz der Schülerklientel abhängig. So existiert zum Beispiel eine Klasse KFZMechatroniker am Berufsschulzentrum Nordhausen mit 14 Auszubildenden (Migranten). Diese Klasse erhält im Blockunterricht außer der obligatorischen einen Stunde Deutsch vier weitere Stunden Deutsch im Zuge der oben genannten Regelung. Ausländische Staatsangehörige haben nach Maßgabe der Deutschsprachförderverordnung die Möglichkeit , ausbildungsbegleitend an Kursen der berufsbezogenen Deutschsprachförderung im "Gesamtprogramm Sprache" teilzunehmen. Für Menschen, die sich in einer dualen Ausbildung befinden, besteht auch die Möglichkeit, über die Bundesagentur für Arbeit ausbildungsbegleitende Hilfen, etwa in Form von Nachhilfe in Deutsch, in Anspruch zu nehmen. Zu 8: Der Besuch einer Kindertagesstätte ermöglicht es Kindern mit Migrationsbiographie, gemeinsam mit deutschen Kindern ab einem frühen Zeitpunkt die deutsche Sprache zu erlernen. Besondere Module für den Übergang von der Kindertagesstätte zur Schule gibt es daher nicht. Zu 9.: In diesem Zusammenhang sei verwiesen auf die Homepage des TMBJS (www.tmbjs.de) mit der Fachlichen Empfehlung zu "Schulbesuch und Förderung von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache in Thüringen" und diversen Elterninformationen sowie der OnlineBroschüre "FAQ Schulsport" und auf das Thüringer Schulportal (www.schulportalthueringen.de) mit diversen Materialien des ThILLM wie aktuellen Veranstaltungen, Grundprinzipien/Zielen und Aufgaben des DaZ-Unterrichts, Ansprechpartnern am ThILLM und Landesfachberatern, Literatur und Materialien, Richtlinien und Vorgaben für den Unterricht beziehungsweise Materialien in der Mediothek Zu 10.: Im Jahr 2014 wurden für die zentrale Fortbildung im Bereich DaZ seitens des ThILLM 4.008 Euro, im Jahr 2015 8.719 Euro und im Jahr 2016 für den Zeitraum Januar bis einschließlich Oktober 11.535 Euro ausgegeben . Im Schuljahr 2016/2017 findet die zweite Reihe der ESFgeförderten und vom Thüringer Volkshochschulverband e.V. durchgeführten "Qualifizierung von Lehrerinnen und Lehrern an Thüringer Schulen in Deutsch als Zweitsprache" statt. Dafür wurden für insgesamt neun Kurse, verteilt auf drei Jahre, 220.000 Euro Fördergelder bewilligt. Die KoFinanzierung erfolgt durch Lehrerwochenstunden nach der Verwaltungsvorschrift zur Organisation des Schuljahres (Freistellung für die Teilnahme an der Qualifizierungsmaßnahme). Dr. Klaubert Ministerin Sprachförderung für Flüchtlinge - Teil I Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8: Zu 9.: Zu 10.: