06.12.2016 Drucksache 6/3167Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 30. Dezember 2016 Gesundheitliche Standards in Kindertageseinrichtungen Die Kleine Anfrage 1588 vom 5. Oktober 2016 hat folgenden Wortlaut: In den Kindertageseinrichtungen muss hinsichtlich der Gewährleistung der Gesundheit der Erzieherinnen und Erzieher sowie der Sicherheit der Kinder eine ausreichende technische Ausstattung sichergestellt werden . Ebenso stellt sich in den Kindertageseinrichtungen die Frage, wie gesundheitliche Schäden durch zu hohe Lärmpegel vermieden werden können. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse über Krankheitsstand und Krankheitsursachen von Erzieherinnen und Erziehern (zum Beispiel AOK-Gesundheitsreport) liegen der Landesregierung vor? 2. Gibt es besondere berufsbedingte Krankheitsbilder und welche sind das (nach Ausfalltagen absolut und in Prozent)? 3. Existieren bezüglich der Konstruktion und des Gewichts von Kinderwagen Gefährdungsanalysen und sind diese bezüglich des Sortiments an Kinderwagen in den Thüringer Kindertageseinrichtungen berücksichtigt ? 4. Welches Gewicht besitzen diese Kinderwagen, sowohl die einfachen wie auch die Kinderwagen für mehrere Kinder, inklusive dem durchschnittlichen Gewicht der dafür vorgesehenen Kinder und entsprechen diese Gewichte den gesundheitlichen Standards für den Beruf der Erzieherin/des Erziehers? 5. Welche gesetzlichen Vorgaben und gesundheitlichen Empfehlungen liegen bezüglich der Lärmschutzkontrollen und der zulässigen Werte sowohl in Thüringen wie auch nach Kenntnis der Landesregierung in anderen Bundesländern vor? Wie werden diese kontrolliert? Welche Ergebnisse erbrachten die Kontrollen? 6. Wie gedenkt die Landesregierung die Problematik der Lärmschutzkontrollen in den Thüringer Kindertageseinrichtungen anzugehen und gegebenenfalls zu verbessern? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Wolf (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3167 Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 5. Dezember 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1. und 2.: Dem Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport obliegt als für die Aufsicht über den Betrieb der Kindertageseinrichtungen in Thüringen zuständigem Ministerium nicht die Fürsorge über die Gesundheit des pädagogischen Personals in den Kindertageseinrichtungen. Gesundheitsfürsorge und Arbeitsschutz gehören zu den Aufgaben des Einrichtungsträgers als Arbeitgeber. Gemäß § 11 Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetz trägt der Einrichtungsträger die Verantwortung für die inhaltliche und organisatorische Arbeit in der Tageseinrichtung. Die öffentliche Berichterstattung zu diesem Thema (unter anderem den genannten Gesundheitsreport) nimmt die Landesregierung wahr. Beispielhaft kann hier auch erwähnt werden: Nach dem Bericht der Bundesregierung über den Stand von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit und über das Unfall- und Berufskrankheitengeschehen in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2014 liegen im Wirtschaftszweig Erziehung und Unterricht mit 143 Arbeitsunfähigkeits-Fällen je 100 Gesetzliche Krankenversicherung -GKV-Mitglieder deutlich über dem Durchschnitt von 123 Arbeitsunfähigkeits-Fällen. Gemäß Analyse mit dem DGB-Index "Gute Arbeit" von Dietmar Dathe unter Mitarbeit von Franziska Paul (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung 2009) "Arbeitsintensität und gesundheitliche Belastungen aus der Sicht von Beschäftigten im Gesundheits-, Sozial- und Erziehungswesen" werden von Erzieherinnen und Erziehern als gesundheitliche Beschwerden häufig Müdigkeit, Mattigkeit oder Erschöpfung, Schmerzen im unteren Rücken, im Nacken-, Schulterbereich, Kopfschmerzen und Nervosität und Reizbarkeit genannt. In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage - Psychische Belastungen in der Arbeitswelt - vom 6. August 2014 (Drucksache 18/2291) werden für den Wirtschaftszweig Erziehung und Unterricht die Muskel-Skelett-Beschwerden, psychovegetative Beschwerden sowie körperliche und emotionale Erschöpfung am häufigsten genannt. "Ein hoher Anteil von Kita-Beschäftigten berichtet von arbeitsbezogenen gesundheitlichen Beschwerden während oder unmittelbar nach der Arbeit, die häufig den Bewegungsapparat betreffen, insbesondere den Rücken. Diese haben sowohl Ursachen in ungünstigen Arbeitsbedingungen wie dem Heben und Tragen der Kinder oder (verdrehtem) Sitzen auf Kinderstühlen. Aber auch Überforderung und Stress, bedingt durch erhöhte psychonervale und vielfältige sozialkommunikative Anforderungen, sind maßgeblich beteiligt am Entstehen von psychosomatisch bedingten Beschwerden wie Rücken- und Nackenschmerzen, Stimmproblemen , Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Erschöpfung und Müdigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen , Nervosität und erhöhte Reizbarkeit." (Quelle "Handbuch Erzieherinnengesundheit" Sächsisches Staatsministerium für Soziales, Referat Kindertagesbetreuung und soziale Berufe, 2008). Eine Untersuchung aus dem Jahr 2013 weist ebenfalls einen Schwerpunkt der gesundheitlichen Beschwerden im Bereich von Kopf, Nacken, Schultern und Rücken nach (Belastungen und Beanspruchungen von Erziehern in Kindertageseinrichtungen. Heilberufe Science 4 [2013]). Im IFA Report 2/2015 Projekt ErgoKiTa - Prävention von Muskel-Skelett-Belastungen bei Erzieherinnen und Erziehern in Kindertageseinrichtungen wird eine Studie vorgestellt, in der physische und psychische Belastungen im Kita-Alltag erfasst und Lösungsansätze zur Verbesserung der beruflichen und gesundheitlichen Situation des pädagogischen Personals in Kitas entwickelt wurden. Darin werden in einigen Kindertageseinrichtungen auch Tätigkeiten mit hohen Belastungen für die Kniegelenke beschrieben. Nach dem Forschungsbericht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin "Gesundheitsförderung und Arbeitsfähigkeit in Kindertagesstätten" (Fb 1049) von 2005 sind Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates am häufigsten. Die häufigsten Beschwerden betreffen nach diesem Bericht Nacken und Rücken. Des Weiteren werden Erschöpfung und Mündigkeit beschrieben. Zu 3. und 4.: Zu den Gewichten von Kinderwagen können keine pauschalen Angaben erfolgen. 3 Drucksache 6/3167Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Der Arbeitgeber ist nach § 2 der Lastenhandhabungsverordnung (LasthandhabV) verpflichtet, Schutzmaßnahmen durchzuführen wie z.B. geeignete Arbeitsmittel einzusetzen, um manuelle Handhabung von Lasten zu vermeiden, oder, wenn eine Vermeidung nicht möglich ist, Maßnahmen zu treffen, durch welche die Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Ein geeignetes Werkzeug zur Gefährdungsbeurteilung bei der Handhabung von Lasten ist die Leitmerkmalmethode der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Krippenwagen sollten vor allem den erforderlichen Sicherheitskriterien genügen wie Standsicherheit, Ausstattung hinsichtlich Reflektoren, Bremsen, Sicherheitsgurten, Ausschluss von Verletzungsgefahren durch scharfe Kanten, Klemmstellen und so weiter, aber auch ergonomischen Anforderungen. In der Ausgabe 0378.6/2016 des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) "ErgoKita - Prävention von Muskel-Skelett-Belastungen in Kindertageseinrichtungen" wurde im Ergebnis der "ErgoKita-Interventionsstudie" von spezifischen Belastungsschwerpunkten beim Arbeiten mit gebeugtem Oberkörper in niedriger Arbeitshöhe berichtet. Der Anteil der Betreuung von unter Dreijährigen und die Nutzung ungeeigneter Transportmittel hatten demnach einen Einfluss auf die Lastenhandhabung. Derzeit findet die Umsetzung der ErgoKita-Ergebnisse in der betrieblichen Praxis statt. Ein Beispiel ist der Bau einer ergonomischen Muster-Kita, den die Unfallkasse Rheinland-Pfalz und das IFA begleiten. Ein längerfristiges Ziel ist es, die Ergo-Kita-Erkenntnisse für Lehrmodule im Rahmen der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern zu nutzen. In Thüringen prämieren der Landessportbund Thüringen und die Unfallkasse Thüringen gemeinsam mit der AOKplus seit Jahren Einrichtungen mit dem Förderpreis "Bewegungsfreundliche Kita". Einige zu erfüllende Kriterien für diese Auszeichnung sind dabei beispielsweise die Gesundheit von Kindern und Personal sowie entsprechende räumliche Bedingungen. Zu 5. und 6.: Bei der Betrachtung von Lärm als Belastungsfaktor der Arbeitswelt zeigten Untersuchungen wiederholt, dass Erzieherinnen und Erzieher den Lärm in der Kindertageseinrichtung und auch speziell im Gruppenraum als sehr stark oder stark einschätzen. Lärmpegelmessungen in Kindertageseinrichtungen im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte ergaben Werte, die über dem unteren Auslösewert - Tages-Lärmexpositionspegel von 80 dB(A) und zum Teil sogar über dem oberen Auslösewert - Tages-Lärmexpositionspegel von 85 dB(A) lagen. Der § 3 der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung - LärmVibrationsArbSchV legt fest, dass bei Lärmexpositionen eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen ist, die Art, Ausmaß und Dauer der Lärmbelastung ausweist. Nach § 7 LärmVibrationsArbSchV sind auf dieser Basis Maßnahmen zur Vermeidung und Verringerung der Lärmexposition festzuschreiben. Maßnahmen müssen auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Dies hat unter der Berücksichtigung aktueller arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit zu erfolgen. Maßnahmen können sich daher nicht auf Lärmschutzkontrollen beschränken. Vielmehr müssen Lärmschutzmaßnahmen bei Neu-, Umbau und Ausstattung von Einrichtungen der Kindertagespflege ergriffen werden. Erfahrungsgemäß beeinflussen die raumakustischen Bedingungen die Geräuschbelastungen maßgeblich. In zu planenden und bestehenden Kindertageseinrichtungen können hohe Nachhallzeiten sowie hohe Schalldruckpegel durch den Einbau von den Schall absorbierenden Elementen reduziert werden. Eine Senkung des Lärmpegels ist neben bautechnischen Veränderungen und Möblierung auch durch organisatorische Maßnahmen wie Lärmpausen sowie die Verkleinerung von Gruppen zu erreichen. Auch das Personal und die jeweilige Kindergruppe haben einen großen Einfluss auf die Schalldruckpegel bei einzelnen Tätigkeiten. Gemäß der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge hat der Arbeitgeber eine arbeitsmedizinische Vorsorge zu veranlassen, wenn der obere Auslösewert (85 dB(A)) erreicht oder überschritten wird beziehungsweise anzubieten, wenn der untere Auslösewert (80 dB(A)) überschritten wird. Eine Handlungsanleitung wird beispielsweise in der Veröffentlichung der gesetzlichen Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand in Nordrhein-Westfalen und der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) "Lärmprävention in Kindertageseinrichtungen" angeboten.1 Im Ergebnis einer Schwerpunktaktion der Bayerischen Gewerbeaufsicht 2008/2009 - Regierung Oberpfalz "Lärm in Kindertageseinrichtungen" wurden ebenfalls Maßnahmen zum Lärmschutz abgeleitet.2 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3167 Auch aus dem Freistaat Sachsen und aus Mecklenburg-Vorpommern sind von den Landesregierungen unterstützte Projekte zur Gesundheitsprävention für Erzieherinnen und Erzieher von Kindertageseinrichtungen bekannt. Die Unfallkasse Thüringen berät auch in Planungs- und Durchführungsphasen bei Neu- und Umbauten zur Einhaltung von raumakustischen Maßnahmen. Grundlage sind die Sicherheitsanforderungen der geltenden DGUV-Vorschrift 82 "Kindertageseinrichtungen". Bei bestehenden Kindertagesstätten werden bei Bedarf und partiell nach Messungen der Nachhallzeiten Schallschutzmaßnahmen abgeleitet. In Seminaren thematisiert die Unfallkasse Thüringen schwerpunktmäßig unter anderem Gesundheitsgefahren für das Personal , wie Lärm und Stress. Verantwortlich für die Umsetzung der Arbeitsschutzbestimmungen ist der Träger der Kindertageseinrichtung sowie gemäß § 13 Arbeitsschutzgesetz auch die Leitung der Kindertageseinrichtung im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben und Befugnisse. Gemäß Arbeitssicherheitsgesetz hat der Arbeitgeber Betriebsärzte , Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu bestellen, die ihn fachkundig bei der Durchführung von Arbeitsschutzbestimmungen zu beraten haben. Kinder als auch das Personal in Kindertageseinrichtungen unterliegen dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung . Gemäß dem gesetzlichen Auftrag, Sicherheit und Gesundheit zu gewährleisten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu vermeiden, stehen damit diese Zielgruppen im Fokus der Präventionsarbeit der Unfallversicherungsträger. Die Unfallkasse Thüringen bietet für den Bereich der Kindertagespflege Unterstützung unter anderem durch Informationen und Branchenregeln der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) an. Darüber hinaus berät die Unfallkasse Thüringen und weitere Unfallversicherungsträger Einrichtungen unter anderem zur Gefährdungsbeurteilung und bieten Dokumentationshilfen an. Sie können Kindertageseinrichtungen zum Beispiel sogenannte Lärmampeln vermitteln, die nachweislich die Senkung des Lärmpegels in den Gruppenräumen beeinflussen, in dem sie Kinder als auch Erzieher/innen unterstützen, gemeinsam auf den Lärm zu achten. Für die Gesundheitsprävention können ebenso Angebote der gesetzlichen Krankenversicherungen wie zur individuellen Beratung und Sensibilisierung der Erzieherinnen und Erzieher sowie Präventionsprogramme zur Unterstützung von Kindertageseinrichtungen genutzt werden, um für den Zusammenhang zwischen Arbeit und Gesundheit zu sensibilisieren und Lösungskompetenzen zu entwickeln. Die Landesregierung sieht Ressourcen bei der Vernetzung aller Kooperationspartner zum Thema Gesundheit von Erzieherinnen und Erziehern zur nachhaltigen Umsetzung von Gesundheitszielen durch strukturelle Verankerung des Ansatzes der betrieblichen Gesundheitsförderung und des Arbeitsschutzes in Kindertagesstätten als kontinuierlichen Prozess. Dr. Klaubert Ministerin Endnote: 1 Siehe http://www.kindergaerten-in-aktion.de/downloads/Laermpraevention.pdf 2 Siehe https://www.regierung.oberpfalz.bayern.de/download/gewerbeaufsicht/medz_arbeitsschutz/laerm_kitas.pdf Gesundheitliche Standards in Kindertageseinrichtungen Ich frage die Landesregierung: Zu 1. und 2.: Zu 3. und 4.: Zu 5. und 6.: Endnote: