21.12.2016 Drucksache 6/3229Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 11. Januar 2017 Auskunftsrechte von Kreistagsmitgliedern und Auskunftspflichten von Landräten in Thüringen/Auswirkung von Rechtsprechung Die Kleine Anfrage 1523 vom 30. Seprember 2016 hat folgenden Wortlaut: In kommunalen Gremien kommt es immer wieder zu Differenzen bei der Auslegung der Thüringer Kommunalordnung und den einschlägigen Kreistagsgeschäftsordnungen im Hinblick auf das Bestehen von Auskunftsrechten von Kreistagsmitgliedern beziehungsweise Auskunftspflichten von Landräten. Dass derartige Differenzen zum Teil erst durch die Beschreitung des Rechtswegs zu einer Klärung führen, verdeutlichen beispielhaft das Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 20. September 2011 (Az.: 2 K 140/11) sowie die erstinstanzliche Bestätigung durch das Thüringer Oberverwaltungsgericht vom 14. November 2013 (Az.: 3 K 900/11). Ich frage die Landesregierung: 1. Auf welcher Rechtsgrundlage hat nach Auffassung der Landesregierung jedes Kreistagsmitglied gegenüber dem Landrat den Anspruch auf gleichzeitigen Zugang von Informationen (zum Beispiel Beteiligungsberichte , Würdigungsschreiben zum Kreishaushalt durch das Thüringer Landesverwaltungsamt oder anderer landkreisrelevanter Unterlagen) beziehungsweise nach welchen Kriterien/Rechtsnormen ist es ausreichend, dass zum Beispiel nur dem Fraktionsvorsitzenden oder wenigen Mitgliedern einer Fraktion bestimmte Informationen zugestellt werden? 2. Welche Auskunftspflichten hat ein Landrat gegenüber Kreistagsmitgliedern im Hinblick auf kommunale Gesellschaften, an denen der Kreis mehrheitlich beteiligt ist und der Landrat als Vertreter des kommunalen Gesellschafters in der Gesellschaft agiert? 3. Wie beurteilt die Landesregierung die in Frage 2 aufgeworfene Fragestellung unter Berücksichtigung der oben genannten verwaltungsgerichtlichen Urteile? 4. Gibt es nach Auffassung der Landesregierung ein grundsätzliches Auskunftsrecht von Kreistagsmitgliedern gegenüber dem Landrat als Gesellschaftervertreter zu dessen Entscheidungen in der Gesellschafterversammlung ? 5. Falls Frage 4 mit Ja beantwortet wird: Gilt dieses Auskunftsrecht auch zu Vorhaben, Daten, Verträgen einer mehrheitlich kommunalen Gesellschaft und über die Vorlage eines Beteiligungsberichts oder über die Daten in den Anlagen zu Kreishaushaltssatzung/Haushaltsplan hinaus? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Lehmann (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3229 6. Wie kann ein Kreistagsmitglied gegebenenfalls dieses Auskunftsrecht - ohne den Klageweg zu beschreiten - geltend machen, wenn ein Landrat nicht auskunftsgewillt ist? 7. Sind Regelungen in einem Gesellschaftsvertrag rechtlich zulässig, wonach es einem Landrat als Gesellschaftervertreter untersagt ist, dem Kreistag als Gesellschafter Informationen aus der Gesellschaft oder zu seinem eigenen Agieren in der Gesellschaft zu geben? 8. Ist der Landesregierung ein Fall beziehungsweise eine Regelung, wie in Frage 7 beschrieben, in einem kommunalen Unternehmen in Thüringen bekannt? 9. Was ist von wem im Fall einer Regelung, wie in Frage 7 beschrieben, zu unternehmen, um die Regelungen nach der Thüringer Kommunalordnung im Interesse der Kommunalparlamente zu wahren? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 19. Dezember 2016 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Thüringer Kommunalordnung knüpft die Informationsrechte an die kommunale Organzuständigkeit. Gemäß § 101 Abs. 3 Satz 4 Thüringer Kommunalordnung hat der Kreistag das Recht und auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, vom Landrat in diesen Angelegenheiten, das heißt Angelegenheiten in der Zuständigkeit des Kreistages, Auskunft zu fordern und Akteneinsicht durch von ihm damit beauftragte Ausschüsse oder bestimmte Kreistagsmitglieder zu nehmen. Ein Akteneinsichtsrecht steht danach weder den einzelnen Kreistagsmitgliedern noch einer Fraktion zu. Die Erledigung der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises obliegt gemäß § 107 Abs. 2 Nr. 2 Thüringer Kommunalordnung dem Landrat, so dass für diesen Aufgabenbereich kein Informationsrecht des Kreistags gegeben ist. Der Landrat entscheidet in diesen Angelegenheiten nach freiem Ermessen darüber, ob und inwieweit er hierzu Fragen des Kreistags beantwortet. Zu 2.: Gemäß § 101 Abs. 3 Satz 3 Thüringer Kommunalordnung hat der Landrat dem Kreistag und den Ausschüssen über den Vollzug der Beschlüsse, die der Kreistag im Rahmen der Erledigung der Aufgaben des eigenen Wirkungskreises, getroffen hat, regelmäßig zu berichten. Dies gilt auch für Angelegenheiten, die Gesellschaften betreffen, an denen der Landkreis beteiligt ist. Besteht in Anwendung der am 14. November 2013 verkündeten Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts (3 KO 900/11) ein Auskunftsanspruch des einzelnen Kreistagsmitgliedes aus dem freien Mandat , umfasst dieser auch Angelegenheiten von Gesellschaften, an denen der Landkreis beteiligt ist, soweit dem Landrat hierzu Erkenntnisse vorliegen oder er sie in zumutbarer Weise erlangen kann. Zu 3.: Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Zu 4.: Der Auskunftsanspruch des einzelnen Kreistagsmitglieds kann grundsätzlich das Abstimmungsverhalten des Landrats in der Gesellschafterversammlung zum Gegenstand haben. Wie weit der Auskunftsanspruch reicht, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Zu 5.: Der Auskunftsanspruch des einzelnen Kreistagsmitgliedes kann grundsätzlich auch Informationen zum Gegenstand haben, die über den Inhalt des Beteiligungsberichts und über die Daten in der Anlage zum Haushaltsplan des Landkreises hinausgehen. Wie weit der Auskunftsanspruch reicht, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Zu 6.: Ist der Kreistag der Auffassung, ein Landrat verweigere ihm gegenüber zu Unrecht Informationen, zu deren Erteilung der Landrat aufgrund kommunalrechtlicher Bestimmungen verpflichtet ist, kann der Kreistag die- 3 Drucksache 6/3229Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode ses Informationsrecht grundsätzlich in einem Kommunalverfassungsstreitverfahren (Organstreit) vor dem Verwaltungsgericht geltend machen. Diese Möglichkeit hat auch das einzelne Kreistagsmitglied, soweit es den ihm zustehenden Auskunftsanspruch betrifft. Daneben kommt eine Konfliktlösung durch beratende Tätigkeit der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde in Betracht. Zu 7.: Dem Thüringer Landesverwaltungsamt als oberer Rechtsaufsichtsbehörde sind Regelungen in Gesellschaftsverträgen , nach denen es einem Landrat in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter des Landkreises in der Gesellschafterversammlung untersagt ist, dem Kreistag Informationen aus der Gesellschaft oder zu seinem eigenen Agieren in der Gesellschafterversammlung zu geben, nicht bekannt. Allgemein kann jedoch festgehalten werden, dass die unternehmerische Betätigung eines Landkreises grundsätzlich seiner Aufgabenerfüllung dient und deshalb der gebotene Einfluss des Landkreises und seines kommunalverfassungsrechtlich zuständigen Organs gesichert sein muss. Ob das im erforderlichen Maße der Fall ist, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. Die konkrete Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages , die den gebotenen kommunalen Einfluss sicherstellt, obliegt dem Landkreis als Gesellschafter. Zu 8.: Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. Zu 9.: Liegen konkrete Anhaltspunkte vor, dass gegen Regelungen der Thüringer Kommunalordnung verstoßen wird, stehen der Rechtsaufsichtsbehörde gegenüber der kommunalen Gebietskörperschaft grundsätzlich die Mittel der Rechtsaufsicht nach § 119 ff. Thüringer Kommunalordnung zur Verfügung. Die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und in welcher Weise sie tätig wird. Dr. Poppenhäger Minister Auskunftsrechte von Kreistagsmitgliedern und Auskunftspflichten von Landräten in Thüringen/Auswirkung von Rechtsprechung Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: