03.01.2017 Drucksache 6/3267Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 25. Januar 2017 Reichsbürger im Ilm-Kreis Die Kleine Anfrage 1492 vom 22. September 2016 hat folgenden Wortlaut: Die Landrätin des Ilm-Kreises berichtete in der Kreistagssitzung am 14. September 2016 von Übergriffen sogenannter "Reichsbürger" auf Beschäftigte des Landratsamts (vergleiche auch Berichterstattung im Arnstädter Lokalteil der Thüringer Allgemeinen vom 16. September 2016). Nach Auskunft der Land rätin seien nicht nur schriftliche und verbale Beleidigungen, sondern "handfeste Bedrohungen" gegenüber den Mitarbeitern zu verzeichnen. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung hinsichtlich der Anhängerschaft der "Reichsregierung", des "Freistaats Preußen", der "Natürlichen Personen" und gegebenenfalls weiterer Gruppierungen der "Reichsbürger" im Ilm-Kreis vor? 2. In wie vielen Fällen haben sich "Reichsbürger" im Rahmen amtlicher Verwaltungsverfahren, Strafanzeigen , Gerichtsverfahren, Verhaftungen und so weiter gegenüber Behörden und Amtsträ gern im Ilm- Kreis verweigert? 3. Sind die "Reichsbürger" Beobachtungsobjekt des Amts für Verfassungsschutz? 4. Mit welchen Maßnahmen begegnete die Landesregierung der "Reichsbürgerbewegung" bisher und wie gedenkt sie dies in Zukunft zu tun? 5. Welche Möglichkeiten haben die Beschäftigten der kommunalen Verwaltungen sich gegen die beschriebenen Vorgänge zu wappnen? 6. Welche Unterstützung gibt das Land den kommunalen Verwaltungen im Umgang mit "Reichsbürgern"? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 2. Januar 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Feste beziehungsweise übergreifende Strukturen des Phänomenbereichs "Reichsbürger" sind im Ilm-Kreis bislang nicht bekannt geworden. Es liegen jedoch Hinweise zu Einzelpersonen aus dem Ilm-Kreis vor, wel- K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Mühlbauer (SPD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3267 che sich als Reichsbürger gerieren beziehungsweise entsprechende Aktivitäten entfalten. Die Zahl dieser Einzelpersonen bewegt sich im einstelligen Bereich. Zu 2.: "Reichsbürger" versuchen sich staatlichen Maßnahmen zu entziehen, in dem sie jedes behördliche oder gerichtliche Handeln als rechtswidrig darstellen und nicht selten Entscheidungsträgern mit "Verhaftungen" oder "Todesstrafe" drohen. So kam es unter anderem im Zusammenhang mit der Erhebung und Beitreibung von Kommunalabgaben vereinzelt zu Konfrontationen mit "Reichsbürgern". Die Anzahl von Fällen solcher oder ähnlicher Verweigerungshaltungen wird nicht statistisch erfasst. Zu 3.: Die "Reichsbürgerbewegung", die in sich keine geschlossene Gruppierung darstellt, war bislang kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Lediglich die dieser Bewegung zugehörigen Gruppierungen "Regierung Deutsches Reich", "Exilregierung Deutsches Reich" und der "Freistaat Preußen" wurden im Verfassungsschutzverbund beobachtet. Das Amt für Verfassungsschutz hält aufgrund der aktuellen Bewertung eine umfänglichere nachrichtendienstliche Beobachtung des Reichsbürgerspektrums für geboten. Die Reichsbürgerszene ist in sich sehr heterogen, feste Strukturen gibt es allenfalls in Form der sogenannten "Reichsregierungen" und einzelnen weiteren Gruppierungen, die inhaltlich weitestgehend diesem Spektrum zuzuordnen sind. Zu 4.: Bei Erkennen von Ordnungswidrigkeiten und/oder Straftaten durch der "Reichsbürgerbewegung" zuordenbare Personen werden konsequente Ahndungen beziehungsweise Maßnahmen vollzogen. Dem Versuch der Einschüchterung der Exekutive durch das Verhalten der "Reichsbürger" wird im Polizeibereich mit internen Handlungsanweisungen sowie Schulungen begegnet. Das Amt für Verfassungsschutz unterrichtet anlassunabhängig die Behörden und Einrichtungen des Freistaats im Rahmen einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit über das Phänomen "Reichsbürger". So wurden allein in diesem Jahr etwa 70 Vorträge durch Mitarbeiter des Amts für Verfassungsschutz für Bedienstete in den Justizzentren beziehungsweise Justizbehörden, der Polizei und auf kommunaler Ebene (Landratsämter , Stadtverwaltungen et cetera) und anderen Behörden des Freistaats Thüringen gehalten. Des Weiteren fand bereits im vergangenen Jahr eines der jährlichen Symposien zum Thema "Reichsbürger" mit sehr großer Resonanz statt. Soweit verwertbare und mitteilbare Erkenntnisse vorliegen, teilt das Amt für Verfassungsschutz bei Bekanntwerden waffenrechtlicher Erlaubnisse von Reichsbürgern den zuständigen Behörden diese Sachverhalte verbunden mit einer Einschätzung zur Person und den Hintergründen der Reichsbürgerideologie mit. Im Bereich Waffenrecht wurden die unteren Waffenbehörden bei den Landkreisen und kreisfreien Städten unter Einbindung der anderen beteiligten Sicherheitsbehörden im Erlasswege auf dem Dienstweg bereits seit 2011 über den Phänomenbereich "Reichsbürger" informiert und auf die notwendigen Verfahrensweisen hingewiesen. Bei Vorliegen entsprechender Erkenntnisse sind die Waffenbehörden danach angewiesen , bestehende Erlaubnisse wegen Unzuverlässigkeit nach § 5 Waffengesetz zu widerrufen, beziehungsweise im Falle eines Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis diese zu versagen. Die Ordnungsbehörden wurden auf dem Dienstweg im Januar 2013 auf die Ende 2012 erschienene Veröffentlichung in der Verwaltungsrechtszeitschrift "Landes- und Kommunalverwaltung", 12/2012, Seiten 529 ff. "Durchs wilde Absurdistan - oder: Wie 'Reichsbürger' den Fortbestand des Deutschen Reichs beweisen wollen ", einschließlich der dort erläuterten Handlungsempfehlungen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst (ab Seite 535) mit der Bitte um Beachtung hingewiesen. Ebenfalls im Januar 2013 wurde eine diesbezügliche Pressemitteilung des Ministeriums des Inneren des Landes Brandenburg (Nr. 033/12 vom 13. April 2012) auf dem Dienstweg mit der Bitte um Kenntnisnahme und Beachtung übersandt. Mit Erlass des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales vom Februar 2015 wurden die Standesämter , Staatsangehörigkeitsbehörden, Meldebehörden sowie die Pass- und Ausweisbehörden auf dem Dienstweg (über das Thüringer Landesverwaltungsamt) darauf hingewiesen, dass das Verfolgen von Bestrebungen sogenannter "Reichsbürger" aufgrund der Berührungspunkte zum Rechtsextremismus zum gesetzlichen Auftrag des Verfassungsschutzes gehört. Auf die einschlägigen Ausführungen in den Verfassungsschutzberichten für den Freistaat Thüringen wurde Bezug genommen. Die Behörden wurden gebe- 3 Drucksache 6/3267Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode ten, bei entsprechenden Kontakten mit "Reichsbürgern" auf der Grundlage des § 19 Abs. 1 Thüringer Verfassungs -schutzgesetz die ihnen bekannt gewordenen Informationen an das Amt für Verfassungsschutz beim Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales zu übermitteln. Über diese spezifischen Maßnahmen hinaus ermittelt die Landesregierung unter Federführung des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales sowie der Thüringer Staatskanzlei derzeit über eine an alle Ressorts gerichtete Abfrage weiteren Handlungsbedarf. Geprüft wird insbesondere der Bedarf für eine Handreichung an alle Beschäftigten der Landes- und Kommunalverwaltungen, die ihnen mehr Sicherheit im Umgang mit Vertretern der Reichsbürgerbewegung gibt, sowie das Bedürfnis für die Einrichtung einer Informationsstelle, die betroffenen Bediensteten beratend und unterstützend zur Seite steht. Des Weiteren wird geprüft, inwieweit der Rechtsschutz für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung verbessert werden kann. Mit Ergebnissen ist im I. Quartal 2017 zu rechnen. Ergänzend wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage 1271 "Schutz von Polizeibeamten im Umgang mit Anhängern der sogenannten 'Reichsbürgerbewegung'" (Drucksache 6/2733) verwiesen. Zu 5.: Für den Schutz am Arbeitsplatz haben in erster Linie die kommunalen Verwaltungen als Dienstherren und Arbeitgeber Sorge zu tragen. Ihnen obliegt es, die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen zu schaffen, zum Beispiel zum Schutz der Mitarbeiter vor tätlichen Übergriffen oder bei querulatorischem Verhalten von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. Strafrechtlich relevantes Verhalten (Körperverletzungen, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigungen und so weiter) sollte unverzüglich zur Anzeige gebracht werden. Bei Bedarf ist die Polizei einzuschalten. Unberechtigte Schadensersatzanforderungen gegen Bedienstete sind schnellstens in geeigneter Form zurückzuweisen . Daneben besteht die Möglichkeit, dass sich die kommunalen Verwaltungen hinsichtlich der Frage des Umgangs mit "Reichsbürgern" beim Amt für Verfassungsschutz beraten lassen. Zu 6.: Die Rechtsaufsichtsbehörde des Ilm-Kreises hat betroffenen kommunalen Aufgabenträgern Hinweise und Materialien zum Thema "Umgang mit Reichsbürgern" zur Verfügung gestellt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Dr. Poppenhäger Minister Reichsbürger im Ilm-Kreis Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: