04.01.2017 Drucksache 6/3270Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 25. Januar 2017 Kriminalität von Jugendlichen und Heranwachsenden in Thüringen Die Kleine Anfrage 1647 vom 4. November 2016 hat folgenden Wortlaut: Nach der Landesvorsitzenden der Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen in Thüringen liegt die Zahl der straffälligen Jugendlichen und Heranwachsenden in Thüringen deutlich über dem Bundesdurchschnitt . Unter den Jugendlichen (14- bis 18-Jährige) waren im Jahr 2015, hochgerechnet auf 100.000 Einwohner der Altersgruppe, 6.716 straffällig. Im Bundesdurchschnitt waren es nur 4.604. Die Quote bei den 18- bis 21-Jährigen (Heranwachsende) lag im vergangenen Jahr bei 10.300 Straffälligen auf 100.000 Einwohnern. Der Bundesdurchschnitt lag bei 5.800.* Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Präventionsmaßnahmen fördert die Landesregierung, um die Jugendkriminalität in Thüringen zu verringern? 2. Welche Ergebnisse hinsichtlich der Intensivtäter bei Jugendlichen und Heranwachsenden hat das Projekt der Landespolizeiinspektion Erfurt erbracht (vergleiche Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1266 in Drucksache 6/2648; bitte auf die Fallzahlen, die Altersgruppen sowie die Staatsangehörigkeiten der Tatverdächtigen eingehen)? 3. Wie viele Heranwachsende wurden vor Thüringer Gerichten nach dem Jugendstrafrecht beziehungsweise nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt (bitte für den Zeitraum 2010-2016 nach Jahresscheiben und Straftaten sowie einer Verurteilung nach Jugendstrafrecht beziehungsweise Erwachsenenstrafrecht aufschlüsseln)? 4. Welchen Anteil haben Jugendliche beziehungsweise Heranwachsende an allen Insassen der Thüringer Justizvollzugsanstalten ( bitte, falls möglich, für den Zeitraum 2010-2016 in Prozent angeben)? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 30. Dezember 2016 (Eingang: 4. Januar 2017) wie folgt beantwortet: Zu 1.: Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport fördert präventive Projekte und Maßnahmen in Thüringer Schulen. K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Henke (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3270 Beispielhaft seien genannt Präventionsmaßnahmen - in Grund- und Förderschulen, die das Hausaufgabenangebot "Poli-Pap" nutzen, - in Grundschulen mit dem Kindergewaltpräventionsvorhaben "Sabaki", - in Schulen mit Vorhaben zu den Themen Fremdheit, Vorurteile und Gewalt, - in Schulen mit Vorhaben zur Ausbildung von Schülermediatoren und zum Deeskalationstraining, - in Schulen mit dem Vorhaben "Streitschlichter". Diese Präventionsmaßnahmen an Thüringer Schulen haben sich bewährt. Folgende einzelne Präventionsprojekte sind hervorzuheben: Das Programm für Grund- und Förderschulen "Poli-Pap" wird vom Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales und vom Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport gefördert. Das Hausaufgabenheft steht seit dem Jahr 2000 allen Grundschülern/Grundschülerinnen der beginnenden 3. Klassen kostenfrei zur Verfügung. Insgesamt werden 20.000 Exemplare pro Schuljahr gedruckt. Das Hausaufgabenheft wirkt durch altersgerechte Darstellung unterschiedlicher Lebens- beziehungsweise Konfliktbereiche bei Grundschülern/Grundschülerinnen präventiv. Aufklärung erfolgt hierbei unter anderem zu den Themen Gewalt (Worträtsel), Verhalten bei Diebstahl, der neue Mitschüler, sehen und gesehen werden (richtige Kleidung ), vorschriftsmäßig ausgerüstetes Fahrrad, Aufgaben eines Polizeibeamten, wichtige Telefonnummern (unter anderem Eltern, Polizeiinspektion). Das Kindergewaltpräventivprojekt "Sabaki" (Übergriffe von Erwachsenen auf Kinder) wird seit vielen Jahren von der Pädagogischen Werkstatt - Globales Lernen - Gera e.V. erfolgreich in Thüringer Grund- und Förderschulen durchgeführt. Diese unterrichtsbegleitende und außerunterrichtliche schulische Maßnahme sieht zehn Basislehrgänge zur Kinderverhaltensschulung und fünf Anwendungslehrgänge in den Klassenstufen 2 bis 4 vor. Projektziel ist, dass Kinder befähigt werden sollen, Verhaltensmuster im Umgang mit Erwachsenen zu erlernen. Insbesondere geht es um die Aneignung eines Verhaltensmusters, das bei Konfrontationssituationen und Übergriffen mit Erwachsenen abgerufen und angewandt werden kann. Die Kinder lernen, einem möglichen Angriff auszuweichen, um schlimmeres zu verhindern. Weitere Ziele des Sabaki- Projekts sind: Herausbildung toleranter Denk- und Verhaltensweisen, Stärkung des Selbstvertrauens im Rahmen der Gewaltprävention in Grundschulen. Allein im Jahr 2011 nahmen rund 2.400 Schülerinnen und Schüler an dieser Maßnahme teil. Heute ist dieses Präventionsprojekt fest in Thüringer Schulen verankert. Darüber hinaus unterstützt die Thüringer Landesregierung Präventionsprojekte an Thüringer Schulen durch den schulpsychologischen Dienst der Staatlichen Schulämter. Dies geschieht unter anderem durch: Bereitstellung der interaktiven Ausstellung "High 5". "High 5" ist ein Angebot zur Auseinandersetzung mit dem Thema illegale Drogen. Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter, Mitarbeiter der Jugendhilfe und Suchtpräventionsfachkräfte leihen sich diese Ausstellung für die Nutzung in Thüringer Schulen aus. Ziel der Ausstellung ist es, junge Menschen zu motivieren, sich aktiv und kritisch mit dem Konsum illegaler Drogen auseinanderzusetzen und auf Hilfsangebote vor Ort hinzuweisen. Im Begleitheft werden Anregungen zur Gestaltung eines Elternabends mit Empfehlungen zur Inanspruchnahme von Hilfsangeboten gegeben . Das Angebot gilt für Jugendliche ab 14 Jahren. Der schulpsychologische Dienst der Staatlichen Schulämter unterstützt und begleitet den Einsatz von "High 5" in Thüringer Schulen. Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz unterstützt das Projekt JUREGIO insbesondere durch Einbringen juristischer Kompetenzen und Erfahrungen, weswegen bei allen Thüringer Justizbehörden sogenannte JUREGIO-Beauftragte zur Verfügung stehen. Auch bei den staatlichen Schulämtern gibt es JUREGIO-Koordinierungsstellen, die eng mit Vertretern aus Justiz, Schulämtern und Polizei zusammenarbeiten. Die Federführung für das Projekt hat das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien. Dieses hat eine Broschüre zum Kooperationsprojekt JUREGIO herausgegeben . Anliegen des Projekts und der Broschüre ist es, die Rechts- und Handlungssicherheit im Umgang mit Gewalt, Drogen, Extremismus sowie Medien- und Kindesmissbrauch in Schulen und im schulischen Umfeld zu erhöhen. Ziel von JUREGIO ist es, durch Fortbildung und Beratung Erscheinungen von Gewalt unter Kindern und Jugendlichen, fremdenfeindlichen und extremistischen Aktivitäten, Drogenmissbrauch und anderen Rechtsbrüchen in der Schule entgegenzuwirken. Die Staatsanwaltschaft Gera, die Thüringer Polizei und die Städte Gera und Jena sowie der Saale-Holzland -Kreis betreiben sogenannte Jugendstationen. Mit diesen wird dem Ziel einer ganzheitlich orientierten 3 Drucksache 6/3270Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Verfahrensbearbeitung bei delinquenten Verhalten von Kindern, Straftaten von Jugendlichen und Heranwachsenden Rechnung getragen. Zu 2.: Die Hauptbetrachtung des genannten Projektes liegt im Bereich der deliktorientierten Zusammenführung von Bearbeitungszuständigkeiten. Die Bearbeitung von Mehrfach- und Intensivtätern stellt lediglich ein Teilelement dar. Im Oktober 2016 wurde die Phase 1 abgeschlossen und ein Zwischenbericht erstellt. Dem Zwischenbericht können dazu noch keine belastbaren Aussagen im Sinne der Fragestellung entnommen werden. Zu 3.: Auf die in Anlage befindliche tabellarische Übersicht wird verwiesen. Zu 4.: Der relative Anteil Jugendlicher und Heranwachsender, die zu Jugendstrafen verurteilt worden sind (Jugendstrafgefangene ) an der Gesamtzahl der Inhaftierten, ergibt sich aus nachfolgender tabellarischer Übersicht: zum 31. März des Jahres Anteil Jugendstrafgefangener in Prozent 2010 13,4 2011 12,8 2012 11,1 2013 9,8 2014 9,3 2015 7,0 2016 7,6 Dr. Poppenhäger Minister Anlage** Endnote: * Vergleiche http://www.otz.de/startseite/detail/-/specific/Zahl-junger-Krimineller-in-Thueringen-deutlich-ueber-dem- Bundesdurchschnitt-207598695. ** Hinweis: Auf den Abdruck der Anlage wurde verzichtet. Ein Exemplar mit Anlage erhielten jeweils die Fraktionen und die Landtagsbibliothek. Des Weiteren kann sie im Abgeordneteninformationssystem unter der oben genannten Drucksachennummer sowie im Internet unter der Adresse: www.parldok.thueringen.de eingesehen werden. Art der Straftat (§§ des Strafgesetzbuches) verurteilte Heranwachsende im Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 2015 nach allgemeinem nach Jugendnach allgemeinem nach Jugend nach allgemeinem Jugend - nach allgemeinem rtach Jugendnach allgemeinem • Jugendnach allgemeinem nach Jugend- Strafrecht insgesamt 1 071 1 313 809 1 098 707 889 638 787 556 648 565 556 davon Straftaten ohne Straftaten im Straßenverkehr 861 1158 : 643 997 565 800 557 709 447 601 480 $06 Straftaten im Straßenverkehr 210 155 166 •101 142 89 81 78 99 47 85 50 davon Straftaten nach dem StGB (ohne Straftaten im Straßenverkehr) 715 990 526 851 468 704 467 608 358 512 351 41 Straftaten gegen den Staat, die öffentliche Ordnung (ohne Straftaten im Straßenverkehr) und im Amte (80 - 168, 331 - 357, ohne 142) 36 53 28 34 30 38 34 30 19 17 20 17 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (174 bis 184f) 2 11 3 10 2 1 3 1 9 darunter sexueller Missbrauch von Kindern (176 Abs. 1 bis 5, 176a, b) 9 1 6 9 2 1 7 sexuelle Nötigung / Vergewaltigung (177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 -2, Abs. 3 - 4, 178) 7 1 2 Beleidigung (185 - 200) 33 16 31 18 21 18 28 18 24 13 13 12 Straftaten gegen das Leben (ohne Straftaten im Straßenverkehr) 4 2 2 2 (211 -222) 1 2013 2011 2012 2010 2015 2014 verurteilte Heranwachsende im Jahr Art der Straftat (§§ des Strafgesetzbuches) darunter Mord (einschließlich Mordversuch) (211) Totschlag (212, 213) Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (ohne Straftaten im Straßenverkehr) (223 -231) darunter Körperverletzung (223) gefährliche/schwere Körperverletzung (224 Abs. 1 Nr. 2 - 5, 226 Abs. 1 -2) Straftaten gegen die persönliche Freiheit (232- 241a) sonstige Straftaten gegen die Person (169 - 173, 201 -206) Diebstahl und Unterschlagung (242 - 248c) darunter Diebstahl (242) Einbruchdiebstahl (einschl. Wohnungseinbruchdiebstahl ) (243 Abs. 1 Nr. 1 , 244 Abs. 1 Nr. 3) Diebstahl in anderen besonders schweren nach allgemeinem nach ' Jugend, nach allgemeinem nach Jugendnach allgemeinem nach • Jugendnach allgemeinem Strafrecht 2 2 2 83 310 70 280 59 229 54 56 1.29. 53 125 :.109..' 33 22 178 15 147 11 116 18 16 15 7 18 4 11 6 1 1 125 270 112 246 79 188 98 101 147 93 147 65 119 73 13 93 12 71 2 48 11 5 16 3 15 3 2 nach allgemeinem nach Juslendnach allgemeinem • nach Jugend- 1 3 34 162 38 114 22 76 34 58 10 85 2 53 5 6 4 2 72 in 86 118 62 •87 76 71 6 4 29 2 2 6 175 79 8 204 123 13 mob Jugend- 2 Art der Straftat (§§ des Strafgesetzbuches) verurteilte Heranwachsende im Jahr 2010 2011 2012 2013 2014 2015 nach allgemeinem nach Jugendnach allgemeinem • nach Jugend..: nach allgemeinem nach Jugendnach allgemeinem , ,naCh Jugen6. nach allgemeinem nach Jugend - nach allgemeinem • nach Jugend- Strafrecht Fallen (243 Abs. 1 Nr. 2 - 7) Unterschlagung (246) 5 4 7 5 7 10 2 2 4 3 Raub und Erpressung, räuberischer auf Kraftfahrer (249 - 256, 316a) 3 73 4 40 4 47 2 31 39 Begünstigung und Hehlerei (257 - 262) 9 2 9 4 7 4 3 2 Betrug und Untreue (263- 266b) 358 140 218 121 234 206 75 164 98 156 72 darunter Betrug (263 Abs. 1, 3, 5) 74 54 67 41 54 32 49 18 55 42 49 34 : Urkundenfälschung (267 - 282) 7 5 10 3 5 9 9 9 8 9 7 sonstige Straftaten gegen das Vermögen (283 - 305a) 37 70 28 59 21 7 26 32 21 17 13 gemeingefährliche Straftaten (ohne Straftaten im Straßenverkehr) (306 - 323c, ohne 316a) 6 10 5 6 3 4 1 1 5 1 Straftaten gegen die Umwelt (324- 330d) 1 1 Straftaten im Straßenverkehr nach dem StGB 188 144 133 90 121 78• 63 70 77 42 70 45 davon in Trunkenheit 120 103 83 67 72 56 43 42 46 26 50 30 ohne Trunkenheit 68 50 23 49 22 20 28 31 16 20 15 Straftaten nach dem Straßenverkehrsgesetz 22 11 33 .11: • .. 21 1 18 8 22 5 15 5 Straftaten nach anderen 146 168 117 146 97 6 90 101 99 89 129 95 3 2015 2014 4 Bundes- und Landesgesetzen (ohne StGB/StVG) darunter 59 59 95 6 17 14 2 1 3 12 16 8 7 2 4 1 134 „ 71 75, 99 11 15 -" 6 ' 13 1 5 OE _ 9 3 Betäubungsmittelgesetz 75 116 20 8 1 2 8 8 3 3 , 2 Waffengesetz 6 Abgabenordnung Pflichtversicherungsgesetz Asylverfahrensgesetz - 11 Aufenthaltsgesetz 4 2 verurteilte Heranwachsende im Jahr 2013 nach allgemeinem nach nach nach . nach Jugend- allgemeinem Jugend-: allgemeinem 2010 2011 2012 nach 144d:0*K nach Jugendnach Jugendnach allgemeinem nach allgemeinem nach allgemeinem nach Jugend- Strafrecht Art der Straftat (§§ des Strafgesetzbuches) Kriminalität von Jugendlichen und Heranwachsenden in Thüringen Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Anlage** Endnote: