17.01.2017 Drucksache 6/3281Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 31. Januar 2017 Änderung der Bagatellgrenze bei Cannabisprodukten Die Kleine Anfrage 1609 vom 19. Oktober 2016 hat folgenden Wortlaut: Das Bundesverfassungsgericht hat im sogenannten "Haschisch-Urteil" (BVerfGE 90, 145) entschieden, dass die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG), soweit sie Verhaltensweisen mit Strafe bedrohen, die ausschließlich den gelegentlichen Eigenverbrauch geringer Mengen von Cannabisprodukten vorbereiten und nicht mit einer Fremdgefährdung verbunden sind, deshalb nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen, weil der Gesetzgeber es den Strafverfolgungsorganen ermöglicht, durch das Absehen von Strafe (§ 29 Abs. 5 BtMG) oder Strafverfolgung (§§ 153 ff. Strafprozessordnung, § 31a BtMG) einem geringeren individuellen Unrechts- und Schuldgehalt der Tat Rechnung zu tragen. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht die stark uneinheitliche Einstellungspraxis der Länder beanstandet und eine einheitliche Anwendung des § 31a BtMG bei Cannabisdelikten gefordert. In Thüringen ist die geringe Menge im Sinne des § 31a BtMG in einer Rundverfügung des Generalstaatsanwalts "Hinweise für die Anwendung des § 31a BtMG bei dem Eigengebrauch von Cannabisprodukten unter besonderer Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.03.94" vom 19. Februar 1998 geregelt. Hiernach kann beim Umgang mit nicht mehr als sechs Gramm Haschisch und/ oder Marihuana zum Eigenkonsum von der Strafverfolgung abgesehen werden. Im Koalitionsvertrag bekennt sich die aktuelle Landesregierung dazu, eine bundeseinheitliche Regelung anzustreben . Bis diese Regelung gefunden ist, möchte sie die "geringen Mengen" zum Eigenverbrauch weicher Drogen im Sinne des § 31a BtMG im Freistaat Thüringen überprüfen. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Anstrengungen hat die Landesregierung bisher unternommen, um das Koalitionsziel ihrer Drogenpolitik umzusetzen? 2. Welchen Zeitplan einschließlich Meilensteine verfolgt die Landesregierung zur Umsetzung ihres Koalitionsziels ? 3. Wie beurteilt die Landesregierung aus fachlichen Gesichtspunkten eine mögliche Anhebung der Bagatellgrenze bei Cannabisprodukten? 4. Wie beurteilt die Landesregierung eine mögliche Ausgestaltung der Rundverfügung als Sollvorschrift und nicht nur als "Kann"-Vorschrift? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Krumpe (fraktionslos) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3281 5. Plant die Landesregierung entsprechend der Rundverfügung zur Umsetzung des § 31a BtMG die Bagatellgrenze bei Cannabisprodukten anzuheben und wenn ja, auf welchen Wert? 6. Plant die Landesregierung auch bei den anderen in der Rundverfügung festgelegten "weichen" Drogen eine Änderung der Richtwerte und wenn ja, auf welche Werte? 7. Wie viele Verstöße gegen die in Thüringen noch vorherrschende Grenze für den legalen Besitz von Cannabisprodukten wurden seit dem Jahr 2012 festgestellt (bitte in Jahresscheiben analog zur Drucksache 5/5682 aufschlüsseln)? 8. In welcher Höhe könnten bei einer Anhebung der Bagatellgrenze Personaleinsparungen bei der Thüringer Polizei und Justiz erzielt werden (bitte aufschlüsseln nach Anzahl durchschnittlicher Bearbeitungsstunden im Außen- und Innendienst je Ermittlungsfall bei einer Sechs-Gramm-, Zwölf-Gramm- und 15-Gramm-Grenze)? 9. In welcher Höhe könnten bei einer Ausgestaltung der Rundverfügung als Sollvorschrift Personaleinsparungen bei der Thüringer Polizei und Justiz erzielt werden (bitte aufschlüsseln nach Anzahl durchschnittlicher Bearbeitungsstunden im Außen- und Innendienst je Ermittlungsfall unter geltender Rechtslage)? 10. Welche rechtlichen Anpassungen einschließlich politischer Initiativen auf Bundes- und Landesebene wären notwendig, um den Verkauf von Cannabis in Thüringen zu legalisieren? 11. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung, dass im Falle einer Legalisierung von Cannabis zum Eigenverbrauch auch der Verkauf von Cannabisprodukten in staatlich kontrollierten Abgabestellen legalisiert werden sollte, um einerseits den Cannabisschwarzmarkt zu zerschlagen und andererseits verunreinigte Cannabisprodukte zu verhindern? 12. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung, ein Konzept zur Einrichtung eines "Drugchecking"-Angebots zu erarbeiten, bei dem Konsumenten im Sinne der Gesundheitsprävention ihre Substanzen auf Verunreinigungen prüfen können? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 16. Januar 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: In Ermangelung einer bundeseinheitlichen Regelung zum Umgang mit Drogenkonsumentinnen und -konsumenten im Sinne einer Vereinheitlichung der Einstellungspraxis gemäß § 153 ff. Strafprozessordnung (StPO), § 29 Abs. 5 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) beziehungsweise § 31a BtMG hat die Landesregierung die Thüringer Regelungen zu den "geringen Mengen" zum Eigengebrauch im Sinne des § 31a BtMG überprüft. Im Ergebnis wurde die Rundverfügung des Thüringer Generalstaatsanwalts zu den "Hinweisen für die Anwendung des § 31a BtMG bei dem Eigengebrauch von Cannabisprodukten unter besonderer Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994" aktualisiert und der Grenzwert durch Rundverfügung des Thüringer Generalstaatsanwalts vom 20. Dezember 2016 ab dem 1. Januar 2017 von 6g auf 10g angehoben. Zu 2.: Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Zu 3.: Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 9. März 1994 die Verfassungsmäßigkeit der Strafbestimmungen hinsichtlich des illegalen Umgangs mit Cannabisprodukten bejaht, gleichzeitig aber vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes im Bereich des gelegentlichen Eigenverbrauchs angemahnt, von einer Bestrafung gemäß § 153 ff. StPO, § 29 Abs. 5 BtMG beziehungsweise gemäß § 31a BtMG im Rahmen einer bundeseinheitlichen Regelung grundsätzlich abzusehen. In Umsetzung des Koalitionsvertrages hat die Landesregierung die sogenannten "geringen Mengen" zum Eigengebrauch weicher Drogen im Sinne des § 31a BtMG überprüft. Im Sinne einer modernen und an der Lebenswirklichkeit orientierten Drogenpolitik und in Ermangelung einer bundeseinheitlichen Regelung wurde die in der Antwort auf die Frage 1 angeführte Rundverfügung aktualisiert, wodurch die Bagatellgrenze bei Canna- 3 Drucksache 6/3281Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode bis-Produkten von 6g auf 10g angehoben wurde. Damit hat sich Thüringen an entsprechenden Regelungen anderer Bundesländer, wie sie etwa in Rheinland-Pfalz bereits exisitieren, orientiert. Die Verfügung findet allerdings keine Anwendung, wenn die Tat eine Fremdgefährdung verursacht, was beispielsweise in Schulen , Krankenhäusern, Discotheken, Justizvollzugsanstalten oder im Straßenverkehr der Fall ist. Zu 4.: Die Rundverfügung des Thüringer Generalstaatsanwalts vom 20. Dezember 2016 enthält weder eine Sollnoch eine Kannvorschrift. Das Ermittlungsverfahren ist unter den in der Rundverfügung genannten Bedingungen im Regelfall einzustellen. Zu 5.: Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Zu 6.: Die Rundverfügung des Thüringer Generalstaatsanwalts vom 20. Dezember 2016 bezieht sich lediglich auf die Cannabisprodukte Marihuana und Haschisch. Die Festlegung von Richtwerten beim Eigengebrauch anderer Drogen ist nicht beabsichtigt. Zu 7.: Zur Anzahl der Verstöße, die unter Zugrundelegung der bisherigen Definition eine "geringe Menge" im Sinne des § 31a BtMG zum Gegenstand haben, existieren keine gesonderten statistischen Erhebungen. Die polizeiliche Kriminalstatistik verzeichnet folgende Entwicklung von Straftaten nach § 29 BtMG im Zusammenhang mit Cannabisprodukten: Jahr 2012 2013 2014 2015 Straftaten nach § 29 BtMG im Zusammenhang mit Cannabisprodukten 2.775 2.860 3.524 3.656 Die Anzahl der bei den Thüringer Staatsanwaltschaften nach § 31a Abs. 1 BtMG eingestellten Ermittlungsverfahren und der bei den Thüringer Gerichten nach § 31a Abs. 2 BtMG eingestellten Strafverfahren ergibt sich aus nachstehender Übersicht: Jahr 2012 2013 2014 2015 Einstellungen nach § 31a Abs. 1 BtMG 867 888 1.028 1.218 Einstellungen nach § 31a Abs. 2 BtMG 3 4 1 0 Zu der Anzahl der Verfahren, in denen Gerichte nach § 29a Abs. 5 BtMG von einer Bestrafung abgesehen oder Staatsanwaltschaften und Gerichte das Verfahren nach § 153b StPO in Verbindung mit § 29a Abs. 5 BtMG eingestellt haben, liegen keine statistischen Erkenntnisse vor. Für das Jahr 2016 liegen noch keine belastbaren Angaben vor. Zu 8.: Bei der Rauschgiftkriminalität handelt es sich um "Kontrollkriminalität". So führt überwiegend proaktives Handeln der Polizei zur Aufklärung entsprechender Straftaten. Eine Personaleinsparung ist auch bei Anhebung des zu § 31a BtMG festgelegten Grenzwertes zum Eigenbedarf deshalb nicht zu erwarten. Zu 9.: Es wird auf die Beantwortung der Fragen 4 und 8 verwiesen. Zu 10.: Der Verkauf von Cannabis zu Genusszwecken ist rechtlich nicht zulässig und eine Genehmigung hierzu kann nach den gegenwärtigen Bestimmungen nicht erteilt werden. Die Legalisierung des Verkaufs von Cannabis erfordert die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes, eines Bundesgesetzes. Eine solche Änderung würde von der Landesregierung grundsätzlich befürwortet. Eine weitergehende Beantwortung der Frage ist derzeit nicht möglich, da der Umfang der rechtlichen Anpassungen auf Bundes- und Landesebene davon abhängt, innerhalb welcher Grenzen und Bedingungen die Straflosigkeit von Erwerb und Besitz von Cannabis zum Eigenverbrauch festgelegt würde. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3281 Zu 11.: Die Landesregierung prüft derzeit unter Berücksichtigung der Aspekte Schwarzmarktbekämpfung und Schadensminimierung , sich nur für die Legalisierung des Erwerbs und Besitzes von Cannabis einzusetzen, der in einer staatlich kontrollierten Abgabestelle erworben wurde. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 Bezug genommen. Zu 12.: Die Landesregierung prüft derzeit die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die modellhafte Erprobung eines "Drug-Checking"-Angebotes. Bei dieser Prüfung sind rechtliche Hindernisse, wie eine gegebenenfalls nach § 3 Abs. 2 BtMG erforderliche Genehmigung, zu bedenken. Lauinger Minister Änderung der Bagatellgrenze bei Cannabisprodukten Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: Zu 11.: Zu 12.: