24.01.2017 Drucksache 6/3350Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 7. Februar 2017 Taschen- und Jackenkontrollen von Abgeordneten beim Betreten Thüringer Gerichte Die Kleine Anfrage 1694 vom 22. November 2016 hat folgenden Wortlaut: Gemäß Artikel 55 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen genießen Abgeordnete Immunität und zwar auch im Hinblick auf "andere Beschränkungen der persönlichen Freiheit". Die Vorschrift korrespondiert mit Artikel 46 Abs. 3 Grundgesetz und umfasst die Geltung der Immunitätsgrundsätze auch für kurzfristige Freiheitsbeschränkungen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die freiheitsbeschränkende Maßnahme Abgeordnete in der Ausübung des Mandats konkret beeinträchtigt. Einlasskontrollen mit Durchsuchung des Gepäcks bei Betreten eines Gerichtsgebäudes stellen einen Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte im Sinne von Artikel 2 Abs.1 Grundgesetz dar, welche durch Gesetz gemäß Artikel19 Grundgesetz eingeschränkt worden sind. Ähnlich wie Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger als Organe der Rechtspflege genießen Abgeordnete als Mitglieder der ersten Staatsgewalt einen "staatlichen Vertrauensbonus", so dass die freiheitsbeschränkende Maßnahme nicht hingenommen werden muss, sondern den Grundsätzen der Immunität unterliegt. Ich bin am 18. November 2016 beim Betreten des Landgerichts Erfurt aufgefordert worden, meinen Rucksack und meine Fahrradtasche zu öffnen sowie meine Jacke abzugeben und umfänglich inspizieren zu lassen , obwohl ich neben meinem Personalausweis auch meinen Abgeordnetenausweis vorgelegt habe und auf die Immunität verwies. Weiterhin musste ich eine technische Überwachungseinrichtung durchschreiten. Ich frage die Landesregierung: 1. Auf welcher rechtlichen Grundlage werden Mitglieder des Thüringer Landtags derartigen Einlasskontrollen mit Durchsuchung des Gepäcks und der Kleidung bei Betreten eines Gerichtsgebäudes unterzogen? 2. Wie ist hier die Praxis beziehungsweise Maßgabe in allen Thüringer Gerichten und gibt es für derartige Fälle, dass beispielsweise Abgeordnete als Gäste an öffentlichen Verhandlungen teilnehmen, Anweisungen zum Vorgehen? 3. Wie wird sichergestellt, dass möglicherweise vertrauliche Unterlagen von Abgeordneten nicht durch Unbefugte zur Kenntnis genommen werden? 4. Stimmt die Landesregierung der Rechtsauffassung zu, dass Taschen- und Jackenkontrollen der vorgenannten Art nicht mit den Grundsätzen der Immunität in Einklang zu bringen sind? Wenn ja, wie bewertet sie den oben beschriebenen Vorfall, wenn nein, wie begründet sie ihre Auffassung? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Rothe-Beinlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3350 5. Wie verhält es sich mit ähnlichen Durchsuchungen beispielsweise wenn Abgeordnete Demonstrationen besuchen, um ihren verfassungsgemäßen Aufgaben nachzugehen? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 19. Januar 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die in Thüringen und den meisten anderen Bundesländern stattfindenden Einlasskontrollen beim Betreten eines Justizgebäudes haben ihre rechtliche Grundlage im Hausrecht des jeweiligen Gerichtspräsidenten bzw. -direktors. Das Hausrecht leitet sich vom gewohnheitsrechtlichen Recht zum Zwecke der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes ab (vgl. u.a. BVerwG, Beschluss vom 17.05.2011 GZ.: 7 B 17/11). Der Gerichtspräsident bzw. -direktor ist befugt, verhältnismäßige Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude zu ergreifen. Flankiert wird das Hausrecht durch die aus Artikel 2 Abs. 2 GG folgende Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit der im Gericht befindlichen Personen (vgl. VG Augsburg Beschluss vom 06.02.2013 GZ.: Au 4 E 13.153). Die vorbenannten rechtlichen Grundlagen für die präventiven Maßnahmen im Rahmen der Eingangskontrollen bei den Thüringer Gerichten gelten grundsätzlich gegenüber allen Bürgerinnen und Bürgern. Ausnahmeregelungen können vom jeweiligen Gerichtspräsidenten bzw. -direktor getroffen werden. Zu 2.: Besondere Maßgaben für Abgeordnete des Thüringer Landtags wurden bei den Thüringer Gerichten bislang nicht getroffen. Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz nimmt dies zum Anlass, bei nächster Gelegenheit mit den Repräsentanten des Geschäftsbereichs die Praxis von Einlasskontrollen an den Thüringer Gerichten zu erörtern. Zu 3.: Aus dem Sinn und Zweck und dem praktischen Ablauf folgt, dass durch die Einlasskontrollen keine zusätzliche Gefährdung vertraulicher Unterlagen resultiert, die nicht bereits durch die Mitführung in der Öffentlichkeit verursacht wird. Die elektronische Eingangskontrolle durch eine Detektoruntersuchung und die damit im Zusammenhang stehende Aufforderung, metallische Gegenstände zuvor abzulegen, die Sichtkontrolle von Taschen oder das Ablegen einer Jacke oder eines Mantels dienen ausschließlich dem Zweck, dass keine potentiell gefährlichen Gegenstände in ein Gerichtsgebäude gelangen. Dabei erfolgt keine inhaltliche Prüfung von mitgeführten Unterlagen. Weiterhin findet die Einlasskontrolle der Besucher von Gerichtsgebäuden einzelpersonenbezogen statt. Dabei wird auf die Einhaltung des im täglichen Leben (z.B. an Bankschaltern ) üblichen Abstands geachtet. Zu 4.: Die Immunität der Abgeordneten ist in Artikel 55 der Verfassung des Freistaats Thüringen in Anlehnung an Artikel 46 des Grundgesetzes geregelt. Gemäß Artikel 55 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen bzw. Artikel 46 Abs. 3 des Grundgesetzes genießen Abgeordnete auch im Hinblick auf "andere Beschränkungen der persönlichen Freiheit" Immunität. Als Beschränkung der persönlichen Freiheit werden alle Freiheitsbeschränkungen, welche die körperlichräumliche Bewegungsfreiheit eines Abgeordneten beeinträchtigen, angesehen (vgl. Linck, in: Verfassung des Freistaats Thüringen, 1. Aufl. 2013, Art. 55 Rn. 41; Klein, in: Maunz-Dürig, GG Kommentar, Art. 46 Rn. 77). Eine solche Beschränkung liegt bei der Taschen- und Mantelkontrolle nicht vor. Auch das Durchschreiten einer elektronischen Überwachungseinrichtung, die als normaler Zugangsweg zum Gebäude vorgesehen ist, ist nicht als kurzfristige freiheitseinschränkende Maßnahme einzuordnen, da sie nicht auf die Einschränkung der Bewegungsfreiheit abzielt und die Maßnahme ohne Zwang ausgeführt wurde. Bei der Jacken- und Taschenkontrolle der Abgeordneten handelte es sich nicht um eine Durchsuchung in einem straf- oder zivilrechtlichen Verfahren, sondern um eine präventive Maßnahme zur Gefahrenabwehr, der sich grundsätzlich alle Besucher unterziehen müssen. Eine Verletzung der Immunität ist daher nicht ersichtlich. 3 Drucksache 6/3350Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 5.: Auf die Beantwortung der Frage 4 wird verwiesen. Allgemeine Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Rahmen einer Demonstration unterliegen grundsätzlich den gleichen Gesichtspunkten. Lauinger Minister Taschen- und Jackenkontrollen von Abgeordneten beim Betreten Thüringer Gerichte Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: