31.01.2017 Drucksache 6/3385Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 16. Februar 2017 Nitratbelastungen in Thüringer Gewässern - Teil II Die Kleine Anfrage 1762 vom 15. Dezember 2016 hat folgenden Wortlaut: Die Thüringer Landesregierung hat das "Thüringer Landesprogramm Gewässerschutz 2016-2021" verabschiedet . Die Zielstellung des Programms ist die Vorstellung der Konzeption und Planung aller erforderlichen Gewässerschutzmaßnahmen für den Zeitraum von 2016 bis 2021 für die Gewässer und das Grundwasser in Thüringen. Im Mittelpunkt stehen die Darstellung und Beschreibung der in diesem Zeitraum vorgesehenen Maßnahmen. Auf Seite 123 des Landesprogramms heißt es allerdings auch, dass derzeit 15 Grundwasserkörper und elf Oberflächenwasserkörper im Freistaat Thüringen im Zuge der Zustandsbewertung für den zweiten Bewirtschaftungszyklus den guten chemischen Zustand aufgrund zu hoher Nitratkonzentrationen verfehlen. Kürzlich hat die Europäische Kommission Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland beim Europäischen Gerichtshof eingereicht, weil die Nitratgrenzwerte nicht eingehalten werden. Schon im Jahr 2012 war angemahnt worden, dass die Bundesrepublik Deutschland umgehend das Problem der Nitratüberschreitungen angehen muss. Etwa genauso lang ist die Düngeverordnung, die von der Bundesebene erlassen wird und dann in allen Ländern gilt, in Novellierung. Bis heute ist jedoch die neue Düngeverordnung noch nicht verabschiedet. Ich frage die Landesregierung: 1. Gibt es Fälle, bei denen im Freistaat Thüringen Wasserschutzgebiete beziehungsweise einzelne ihrer Schutzzonen aufgrund zunehmender und anhaltender Nitratbelastung in weniger belastete Gebiete verlegt werden mussten? Wenn ja, welche und an welchen Orten? 2. In welchen Fällen musste die Wasserförderung im Freistaat Thüringen zum Zwecke der Trinkwassergewinnung aufgrund der zunehmenden und anhaltenden Nitratbelastung der oberen Grundwasserleiter in tiefer gelegene Grundwasserleiter verlegt werden? 3. In welchen Fällen musste die Grundwasserförderung im Freistaat Thüringen zum Zwecke der Trinkwassergewinnung aufgrund der Belastung mit Nitrat temporär oder dauerhaft eingestellt werden? 4. Sind regional unterschiedliche Entwicklungen bei den Belastungen durch Nitrat im Freistaat Thüringen feststellbar? Wenn ja, wo und in welchen Regionen konkret? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Dr. Scheringer-Wright (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3385 5. Welche Ursachen werden seitens der Landesregierung für die regional unterschiedlichen Entwicklungen bei den Belastungen durch Nitrat gesehen? 6. Gibt es in den betroffenen Regionen beziehungsweise Messstellen Tierhaltungs- und Biogasanlagen, die bereits über die Dauer der messbaren Auswirkungen betrieben werden? Wenn ja, können Unterschiede von Belastungswerten mit Nitrat in Abhängigkeit von der Nähe von diesen Anlagen ausgemacht werden? 7. Welche Maßnahmen werden angesichts der Tatsache, dass die Europäische Kommission die im Thüringer Landesprogramm Gewässerschutz 2016-2021 aufgeführten A2-Maßnahmen des Thüringer Programms zur Förderung von umwelt- und klimagerechter Landwirtschaft, Erhaltung der Kulturlandschaft, Naturschutz und Landschaftspflege (KULAP) zur Nitratreduzierung nicht notifiziert hat, ergriffen, um die Nitratbelastung zu reduzieren? 8. Wie viele Forschungsvorhaben werden derzeit in Thüringen mit Blick auf die Problemlösung der Nitratbelastung durchgeführt und wie viele davon sind Vorhaben an oder mit Beteiligung der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft? 9. Gibt es Überlegungen, die Forschung in Thüringen bezüglich der Nitratproblematik wieder zu intensivieren ? Wenn nein, warum nicht? 10. Wie viele landwirtschaftliche Betriebe in Thüringen sind nach dem Umweltsicherungssystem Landwirtschaft (USL) über den Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten (VDLUFA) - das sich auf die Kriterien umweltgerechter Landwirtschaft nach Breitschuh und Eckert, TLL, 1999 bezieht - zertifiziert? 11. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zur oben genannten Klage der EU-Kommission? 12. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zur Novellierung der Düngeverordnung und welchen Beitrag leistet die Landesregierung, um eine schnelle Verabschiedung der Düngeverordnung zu befördern? Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 31. Januar 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Konkrete Angaben zu Aufhebungen von Wasserschutzgebieten und Schutzzonen für Wassergewinnungsanlagen , die von den Versorgern wegen erhöhter Nitratwerte aus der Nutzung genommen wurden, können nicht gemacht werden. Die Wasserversorger geben in ihren Anträgen auf Aufhebung von Wasserschutzgebieten in der Regel nicht die Gründe für die Außerbetriebnahme der Gewinnungsanlagen an. Zu 2.: Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Zu 3.: Die Grundwasserförderung zum Zwecke der Trinkwassergewinnung wurde aufgrund der Belastung mit Nitrat in Arlas (SOK) eingestellt. Siehe Antwort zu Teil 1 Frage 5 der Kleinen Anfrage 1761. Zu 4.: Für das Grundnetz "Beschaffenheit" der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie (TLUG) werden jährlich Trendberechnungen der Nitratentwicklung an den einzelnen Messstellen durchgeführt (Mann-Kendall -Test). Voraussetzung sind eine mindestens fünfjährige Datenreihe und Messwerte oberhalb der Bestimmungsgrenze . Für die Berechnung 2001 bis 2015 konnte so an 145 Messstellen ein Trend ermittelt werden. Vorbehaltlich dieser Einschränkungen ergibt die Verteilung der durch die TLUG festgestellten Trendwerte das in Anlage dargestellte Bild. 3 Drucksache 6/3385Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Danach sind ansteigende Trends vor allem in den Kreisen Sömmerda, Erfurt-Stadt, östlicher Kyffhäuserkreis und Altenburger Land zu verzeichnen. Fallende Trends gibt es überwiegend in der Region zwischen Weimarer Land und Gera. (Hinweis: Für Gebiete mit sehr geringer Messstellendichte ist diese Karte nicht repräsentativ, unter anderem Saale-Orla-Kreis). Ein regionales Beispiel mit stetig ansteigendem Trend der Nitratkonzentration in der Werraaue ist das Umfeld des Wasserwerkes Barchfeld. Davon sind auch die Versorgungsbrunnen betroffen: Zu 5.: Die unterschiedlichen Entwicklungen sind auf die in Thüringen zum Teil kleinteiligen hydrogeologischen beziehungsweise bodengeologischen Gegebenheiten, die jeweiligen landwirtschaftlichen Tätigkeiten und die hydrologischen Bedingungen zurückzuführen. Hydrogeologie: In Abhängigkeit der hydro- und bodengeologischen Gegebenheiten, insbesondere bei Hohlraumart (Poren -, Kluft- oder Karstgrundwasserleiter) und Lithologie (silikatisch, karbonatisch, sulfatisch) variiert sowohl der Chemismus, die Verweildauer des Grundwassers als auch das Stickstoffverlagerungsrisiko der Böden regional sehr stark. Insbesondere die Verweildauer hat starken Einfluss auf die regionale Entwicklung der Nitratkonzentrationen. Landwirtschaft: Die Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen hat insoweit Einfluss, als das - ein erhöhter Tierbesatz, - der Anbau von Fruchtfolgen beziehungsweise -arten, die ein hohes Potenzial für hohe N-Überschüsse aufweisen und - eine nicht bedarfsgerechte Düngung zu erhöhten Stickstoffbilanzüberschüssen führen. Allein bei Untersuchungen von Standorten mit ähnlichen hydro- und bodengeologischen Gegebenheiten sind Differenzen bei den Stickstoffbilanzüberschüssen festzustellen . Hydrologie : Gebiete mit geringen Niederschlägen führen zu hoch konzentrierten Sickerwässern und damit zu einer weiter steigenden Nitratbelastung der Gewässer. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3385 Zu 6.: Belastungswerte mit Nitrat sind auch in Gebieten mit Tierhaltungs- und Biogasanlagen anzutreffen. Eine direkte standortbezogene Abhängigkeit der Nitratwerte vom Anlagenstandort, hier insbesondere bei Biogasanlagen , kann nicht zwangsläufig festgestellt werden. In Regionen mit Nitratgehalten größer 50 mg/l sind nur wenige Biogasanlagen vorhanden. Gülle und Gärsubstrate aus den Anlagen werden nicht unmittelbar an den Anlagen, sondern zum Teil auf anderen landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht. Zu 7.: Zur Reduzierung der Nitratkonzentrationen in Oberflächengewässern und im Grundwasser finden derzeit nachfolgende Maßnahmen statt beziehungsweise werden von der gemeinsamen IMAG Landwirtschaft/Wasserwirtschaft des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz/Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft begleitet beziehungsweise vorbereitet: - Fortführung der in 2009 etablierten Regionalen Gewässerschutzkooperationen zwischen Landwirtschaft und Wasserwirtschaft in den Gebieten Nordthüringen, die in den Folgejahren auf Mittel-, Ost-, Westund Südthüringen erweitert wurden. Zielstellung ist ein verbessertes Düngungsmanagement zur Reduzierung von Nährstoffeinträgen unter anderem mit feldstückbezogenen Auswertungen, Feldtagen und Handlungsempfehlungen für eine optimierte Düngung. In 2017 werden die Kooperationen fortgeführt mit einzelschlagbezogenen Erfassungen und Analysen des Nährstoffmanagements in den Projektbetrieben. Erste Ergebnisse zeigen, dass auf der Ackerfläche der Betriebe der Gewässerschutzkooperationen die Stickstoffsalden von 2009 bis 2016 deutlich gesenkt wurden. - Aufnahme einer Regelung zur Reduzierung von Nährstoffeinträgen (Stickstoff und Phosphor) in die Gewässer durch Verbesserung des Schutzes der Gewässerrandstreifen im Rahmen der Thüringer Wassergesetz -Novelle, - Landesweite Modellierung aller Phosphor- und Stickstoffeinträge aller Eintragspfade in 2015/2016 durch das Forschungsinstitut Jülich. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgt in 2017. - Entwicklung und Einführung eines neuen Konzepts zur internetbasierten Düngungsberatung für die Landwirte in Problemgebieten (Schwerpunkt Winterraps/Winterweizen). - Auswertung und gegebenenfalls Anpassung von Fachrechtskontrollen im Sinne des Gewässerschutzes, hier insbesondere zur Zielerreichung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). - Begleitung des Gesetzgebungsverfahrens des Bundes zur Düngeverordnung (DüV) und Vorabstimmungen zu der gemäß § 13 DüV (Entwurf) vorgesehenen Rechtsverordnung des Landes zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat. Zu 8.: Die fachlichen Aktivitäten der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL) zur Reduzierung der Nitrateinträge in Gewässer werden im Rahmen von Fachdienstaufgaben durchgeführt. Aktuelle Schwerpunkte sind: - Durchführung und Auswertung von Feldversuchen zur standortkonkreten Präzisierung der N-Düngebedarfsermittlung sowie Optimierung der organischen und mineralischen Düngung unter Thüringer Standortbedingungen . - Im Einzelnen werden Feldversuche zur optimalen Höhe und zum Ausbringungszeitpunkt sowie zur Einordnung der organischen Düngung in Düngungskonzepten durchgeführt. Das schließt Feldversuche zur kurz- und langfristigen Dünge- und Nährstoffwirkung der organischen Düngung (Gülle, Stallmist, Gärsubstrate aus der Biogaserzeugung, Komposte), aus denen Richtwerte für das N-Mineraldüngeräquivalent (Maß für die N-Wirkung organischer Dünger im Vergleich zu Mineraldünger) abgeleitet werden, ein. Die Ergebnisse fließen in die aktuellen amtlichen Düngungsempfehlungen der TLL sowie in die Entwicklung des Bilanzierungs- und Empfehlungssystems Düngung (BESyD) ein, das zurzeit von den Landesdienststellen der neuen Bundesländer erarbeitet und nach der Novellierung der Düngeverordnung zur Ermittlung des pflanzenart- und standortspezifischen Düngebedarfs den Landwirten zur Verfügung gestellt wird. - Sekundärauswertung der Kontrollen der Nährstoffvergleiche nach Düngeverordnung seit 1997 zur Erfassung und Bewertung des betrieblichen Nährstoffmanagements. - Durchführung langjähriger Untersuchungen zum Wasserhaushalt und Nitrataustrag aus typischen Thüringer Böden im Lysimeterversuch am Standort Buttelstedt sowie an weiteren Messstellen unter Praxisbedingungen . Es erfolgt eine gemeinsame Auswertung im Rahmen einer Mehrländerkooperation. Die Ergebnisse dienen insbesondere zur Bewertung des standort- und bewirtschaftungsspezifischen Nitrataustragsrisikos, 5 Drucksache 6/3385Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode des standortabhängigen unvermeidbaren N-Saldos und der Optionen zur Reduzierung des Nitrataustrages aus Böden. - Jährliche Erarbeitung standort- und nutzungsbezogener Richtwerte für den leichtlöslichen N-Gehalt im Boden (Nmin) zur Ermittlung des N-Düngebedarfs im Frühjahr. Weitere öffentlich geförderte Projekte sind der Landesregierung nicht bekannt. Zu 9.: Die standort- und bedarfsgerechte Düngung zur Umsetzung von Düngeverordnung und Wasserrahmenrichtlinie ist ein wichtiger Schwerpunkt im Konzept des Thüringer Feldversuchswesens. Ein Ausbau der Versuchsaktivitäten auf diesem Gebiet wird gegenwärtig bei der Weiterentwicklung des Feldversuchswesens geprüft. Zu 10.: Die Bewertung und Zertifizierung nach dem Umweltsicherungssystem Landwirtschaft führen privatwirtschaftlich organisierte Lizenznehmer durch. 47 Betriebe wurden zertifiziert. Zu 11. und 12.: Die Klage der EU-Kommission richtet sich gegen Deutschland aufgrund der Nichtumsetzung der Nitratrichtlinie . Die Nitratbelastung im Grundwasser muss deutlich abgesenkt werden. Eine Novellierung der Düngeverordnung ist schon lange erforderlich. Eine Bewertung der bisherigen rechtlichen Vorgaben ist auch mit Beteiligung von Vertretern Thüringens in mehreren Arbeitsgruppen erfolgt (Bericht des ehemaligen Thünen- Instituts in Braunschweig von 2012). Der Landesregierung liegt gegenwärtig der Entwurf einer Novelle der Düngeverordnung mit Stand vom 18. Januar 2017 vor. Bei den gegenwärtig laufenden Abstimmungsgesprächen zwischen dem Bund und den Ländern werden die Interessen Thüringens im Rahmen einer Länderkoordinierung (verantwortlich Mecklenburg -Vorpommern) eingebracht. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Bundes ist ein Einfluss zur schnelleren Verabschiedung der Novelle durch die Landesregierung nicht gegeben. In Vertretung Möller Staatssekretär 6 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3385 Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Le ge nd e G ru nd ne tz T re nd 2 00 1- 15 S _W er t -7 7 - - 52 -5 1 - - 19 -1 8 - 5 6 - 3 5 36 - 75 Tr en d [M an n- K en da ll- Te st ] fa lle nd . ke in T re nd st ei ge nd kr ei s ar c B un de sl än de r K ri gi ng s -W er t -2 3, 66 02 91 67 - -1 8, 80 78 63 45 -1 8, 80 78 63 44 - -1 3, 95 54 35 22 -1 3, 95 54 35 21 - -9 ,1 03 00 69 99 -9 ,1 03 00 69 98 - -4 ,2 50 57 87 74 -4 ,2 50 57 87 73 - 0, 60 18 49 45 0, 60 18 49 45 - 5, 45 42 77 67 4 5, 45 42 77 67 5 - 1 0, 30 67 05 9 10 ,3 06 70 59 1 - 1 5, 15 91 34 12 15 ,1 59 13 41 3 - 2 0, 01 15 62 35 M es ss te lle n G ru nd ne tz T re nd 2 00 1- 15 K rig in g s- W er t Th ür in ge r L an de sa ns ta lt fü r U m w el t u nd G eo lo gi e Re gi on al st el le S uh l R ef er at 5 2 | S ie dl un gs w as se rw irt sc ha ft/ G ru nd w as se r Nitratbelastungen in Thüringer Gewässern - Teil II Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: Zu 11. und 12.: Anlage