13.02.2017 Drucksache 6/3420Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 28. Februar 2017 Maßnahmen des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales gegen sogenannte Reichsbürgerinnen und Reichsbürger Die Kleine Anfrage 1653 vom 8. November 2016 hat folgenden Wortlaut: Am 19. Oktober 2016 wurde im bayerischen Georgensgmünd ein Polizeibeamter durch einen sogenannten Reichsbürger erschossen. Auch in Thüringen stellen die sogenannten Reichsbürgerinnen und Reichsbürger im Alltag eine Herausforderung für Verwaltungsmitarbeiterinnen und Verwaltungsmitarbeiter, aber auch für Gerichte und die Polizei dar. So werden Verwaltungsmitarbeiterinnen und Verwaltungsmitarbeiter, Polizistinnen und Polizisten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gerichten nicht nur im alltäglichen Betrieb aufgehalten, sie werden auch verfolgt, bedroht und auch angegriffen. Grundsätzlich stellen sogenannte Reichsbürgerinnen und Reichsbürger dabei die Legitimierung der im staatlichen Auftrag Tätigen in Frage. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Maßnahmen unternehmen das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales und das Thüringer Landesverwaltungsamt, um Verwaltungsmitarbeiterinnen und Verwaltungsmitarbeiter, Polizistinnen und Polizisten, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Gerichten über sogenannte Reichsbürgerinnen und Reichsbürger zu informieren? 2. Wo können Verwaltungsmitarbeiterinnen und Verwaltungsmitarbeiter, Polizistinnen und Polizisten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gerichten Infomaterialien abrufen? 3. Wie wird das Thema in Fort- und Weiterbildungen behandelt und gibt es ein gezieltes Training zum Umgang mit sogenannten Reichsbürgerinnen und Reichsbürgern? 4. Welche darüber hinausgehenden Maßnahmen trifft die Landesregierung, um den sogenannten Reichsbürgerinnen und Reichsbürgern zu begegnen, eventuell auch in Abstimmung mit anderen Bundesländern? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 10. Februar 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Landesregierung beobachtet die gegenwärtigen Entwicklungen im Bereich der sogenannten "Reichsbürgerbewegung " mit Sorge und legt deshalb besonderen Wert auf Informationen der Bediensteten des Landes oder kommunaler Ebene. Hierzu ermittelt die Landesregierung unter Federführung des Thüringer Ministe- K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Henfling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3420 riums für Inneres und Kommunales sowie der Thüringer Staatskanzlei derzeit durch eine an alle Ressorts gerichtete Abfrage den weiteren Handlungsbedarf. Geprüft wird insbesondere der Bedarf für eine Handreichung an alle Beschäftigten der Landes- und Kommunalverwaltungen, die ihnen mehr Sicherheit im Umgang mit Vertretern der "Reichsbürgerbewegung" gibt, sowie das Bedürfnis für die Einrichtung einer Informationsstelle , die betroffenen Bediensteten beratend und unterstützend zur Seite steht. Des Weiteren wird geprüft, inwieweit der Rechtsschutz für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung verbessert werden kann. Mit Ergebnissen ist im I. Quartal 2017 zu rechnen. Darüber hinaus besteht bereits die Möglichkeit einer Unterrichtung durch das Amt für Verfassungsschutz, das die Behörden und Einrichtungen des Freistaats im Rahmen einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit über das Phänomen "Reichsbürger" informiert. Es wurden allein im Jahr 2016 etwa 70 Vorträge durch Mitarbeiter des Amtes für Verfassungsschutz für Bedienstete in den Justizzentren beziehungsweise Justizbehörden, der Polizei und auf kommunaler Ebene (Landratsämter, Stadtverwaltungen et cetera) und anderen Behörden des Freistaats Thüringen gehalten. Des Weiteren enthält der aktuelle Verfassungsschutzbericht 2014/2015 einen mehrseitigen Exkurs "Die heterogene Bewegung der 'Reichsbürger'". Im Jahr 2015 fand überdies das jährliche Symposium zum Thema "Reichsbürger - Querulanten oder Verfassungsfeinde?" mit sehr großer Resonanz statt. Zudem hat das Amt für Verfassungsschutz einen Flyer zum Thema "Reichsbürger" herausgegeben. Die Ordnungsbehörden wurden auf dem Dienstweg im Januar 2013 auf die Ende 2012 erschienene Veröffentlichung in der Verwaltungsrechts-Zeitschrift "Landes- und Kommunalverwaltung", 12/2012, Seiten 529 ff "Durchs wilde Absurdistan - oder: Wie 'Reichsbürger' den Fortbestand des Deutschen Reiches beweisen wollen", einschließlich der dort erläuterten Handlungsempfehlungen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst (ab Seite 535) mit der Bitte um Beachtung hingewiesen. Ebenfalls im Januar 2013 wurde eine diesbezügliche Pressemitteilung des Ministeriums des Inneren des Landes Brandenburg (Nr. 033/12 vom 13. April 2012) auf dem Dienstweg mit der Bitte um Kenntnisnahme und Beachtung übersandt. Für den konkreten Schutz am Arbeitsplatz in den kommunalen Verwaltungen sind darüber hinaus die Dienstherren und Arbeitgeber aufgefordert, Sorge zu tragen. Ihnen obliegt es gemäß § 3 ff. Arbeitsschutzgesetz, die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen zu schaffen, zum Beispiel zum Schutz der Mitarbeiter vor tätlichen Übergriffen oder bei querulatorischem Verhalten von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. Strafrechtlich relevantes Verhalten (Körperverletzungen, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigungen und so weiter) sollte unverzüglich zur Anzeige gebracht werden. Bei Bedarf sollte auch die Polizei verständigt werden. Unberechtigte Schadensersatzanforderungen gegen Bedienstete sollen schnellstens in geeigneter Form zurückgewiesen werden. Darüber hinaus wurden innerhalb der Landespolizeidirektion rechtliche Handlungshinweise im Zusammenhang mit der sogenannten "Malta-Masche" allen Vollzugskräften bekannt gemacht. Insgesamt sollen die den Bediensteten zur Verfügung stehenden Informationen kontinuierlich ausgebaut werden. Zu 2.: Der Verfassungsschutzbericht und der Flyer sind auf der Internetseite des Amtes für Verfassungsschutz eingestellt und können bei Interesse auf Anforderung auch versandt werden. Diese Infomaterialien werden im Übrigen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Amtes für Verfassungsschutz verteilt. Der Flyer wurde Anfang November an die kommunalen Spitzenverbände, Landratsämter und kreisfreien Städte versandt. Im Geschäftsbereich des Präsidenten des Thüringer Oberlandesgerichts wurde eine Handreichung zum Umgang mit sogenannten "Reichsbürgern" erarbeitet, die von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gerichte und Staatsanwaltschaften verwendet wird. Darüber hinaus wird diesem Personenkreis ein Handbuch , das das Brandenburgische Institut für Gemeinwesenberatung zum Thema "Reichsbürger" herausgegeben hat, zur Verfügung gestellt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3 Drucksache 6/3420Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 3.: Dem Versuch der Einschüchterung der Exekutive durch das Verhalten der "Reichsbürger" wird im Polizeibereich mit internen Handlungsanweisungen sowie Schulungen begegnet. Es existieren allgemeine Handlungsempfehlungen für Polizeivollzugsbeamte zum Umgang mit sogenannten "Reichsbürgern". Diese werden in einem speziellen Seminar geschult. Die Schulung erfolgt durch das Amt für Verfassungsschutz. Die Veranstaltungen des Amtes für Verfassungsschutz stehen allen Landesbehörden auf Nachfrage offen. Auch Kommunalbeamte und Mitarbeiter der Justizbehörden erhalten Schulungen durch das Amt für Verfassungsschutz . Für Bedienstete der Landesverwaltung wird im Rahmen des Landesfortbildungsprogramms 2017 im April eine für bis zu 180 Personen zugelassene Informationsveranstaltung "Reichsbürger- Querulanten oder Verfassungsfeinde?" als Zusatzveranstaltung angeboten. Je nach Organisation durch den Veranstalter findet unter anderem auch ein gezieltes Training statt. Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz bietet in diesem Jahr über die Deutsche Richterakademie eine Fortbildungsveranstaltung "'Reichsbürger' und Selbstverwalter: Herausforderung für Verwaltung und Justiz?" als Ausrichterland an. Darüber hinaus wurden im vergangenen Jahr etwa durch das Thüringer Landessozialgericht und das Thüringer Oberlandesgericht verschiedene Fortbildungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizbereiches durchgeführt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Zu 4.: Die Landesregierung hält eine umfänglichere Beobachtung von "Reichsbürgern" durch das Amt für Verfassungsschutz für geboten, wie dies bereits seit Anfang November 2016 praktiziert wird. Im Übrigen finden eine enge behördliche Zusammenarbeit und ein stetiger Informationsaustausch statt. Betroffene Behörden übermitteln auf der Grundlage des § 19 Abs. 1 Thüringer Verfassungsschutzgesetz die ihnen bekannt gewordenen Informationen an das Amt für Verfassungsschutz. Hierzu ergingen durch das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales über das Thüringer Landesverwaltungsamt seit September 2011 mehrere entsprechende Erlasse an die Waffenbehörden sowie ein entsprechender Erlass im Februar 2015 an die Staatsangehörigkeitsbehörden, Standesämter, Meldebehörden und Pass- und Ausweisbehörden . Soweit verwertbare und mitteilbare Erkenntnisse vorliegen, teilt das Amt für Verfassungsschutz bei Bekanntwerden waffenrechtlicher Erlaubnisse von "Reichsbürgern" den zuständigen Behörden diese Sachverhalte verbunden mit einer Einschätzung zur Person und den Hintergründen der Reichsbürgerideologie mit. Die Landesregierung unterstützt eine derzeitige Bundesratsinitiative, welche die zur Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis vorgesehene und gesetzlich verankerte Regelanfrage bei Sicherheitsbehörden um die Verfassungsschutzbehörden erweitert. Dr. Poppenhäger Minister Maßnahmen des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales gegen soge-nannte Reichsbürgerinnen und Reichsbürger Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: