14.02.2017 Drucksache 6/3423Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 28. Februar 2017 Reichsbürger in Thüringen - Teil II Die Kleine Anfrage 1611 vom 24. Oktoober 2016 hat folgenden Wortlaut: Aufgrund von Vorfällen in Sachsen-Anhalt und Bayern, bei denen Anhänger der sogenannten Reichsbürger von Waffen Gebrauch machten, gibt es derzeit eine rege öffentliche Debatte um die Gefährlichkeit der Reichsbürger in Thüringen. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Aktionen von Reichsbürgern sind der Landesregierung im Zeitraum von 2015 bis 2016 bekannt geworden (bitte nach Jahresscheiben sowie nach den jeweiligen Aktionen mit Nennung des Datums und des Ortes aufschlüsseln)? 2. Wie viele der Aktionen aus der vorherigen Frage wurden unter Beteiligung von Reichsbürgern begangen , die der rechtsextremistischen Szene zugeordnet werden (bitte die konkreten Aktionen gemäß der vorherigen Frage benennen)? 3. Welche Informationen liegen der Landesregierung über Reichsbürger vor, die in den Landesbehörden des Freistaats Thüringen, insbesondere beim Amt für Verfassungsschutz, dem Landeskriminalamt sowie der Landespolizei, arbeiten? 4. Wie viele waffenrechtliche Erlaubnisse (Waffenbesitzkarte, Waffenschein, Erlaubnisschein) wurden Reichsbürgern in Thüringen a) nicht erteilt; b) wieder entzogen (bitte für die Jahre 2013 bis 2016 nach Jahresscheiben sowie gemäß den Kategorien der Fragestellung aufschlüsseln)? 5. Welche Position vertritt die Landesregierung zu der generellen Nichterteilung von waffenrechtlichen Erlaubnissen (beziehungsweise zu einem Entzug von solchen Erlaubnissen) an Reichsbürger? 6. Wie viele gefälschte Dokumente und Urkunden wurden bei Reichsbürgern im Zeitraum von 2013 bis 2016 in Thüringen festgestellt (bitte nach Jahresscheiben aufschlüsseln sowie die Anzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren mit ihrem Ausgang nennen)? 7. Wie viele der Personen aus der vorherigen Frage, gegen die ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, wurden in einem Gerichtsprozess verurteilt (bitte nach dem Ausgang des Gerichtsprozesses aufschlüsseln sowie den strafrechtlichen Tatbestand nennen)? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Henke (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3423 8. Wie viele Anzeigen gegen Polizeibeamte oder sonstige Personen, die im Landesdienst oder bei kommunalen Gebietskörperschaften beschäftigt sind, wurden in den Jahren 2013 bis 2016 von Reichsbürgern erstattet (bitte nach Jahresscheiben sowie den Landes- beziehungsweise Kommunalbehörden - soweit der Landesregierung bekannt - der Angezeigten aufschlüsseln)? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 13. Februar 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Eine behördenübergreifende statistische Erfassung findet nicht statt. Bei den "Reichsbürgern" beziehungsweise der "Reichsbürgerbewegung" handelt es nicht um eine homogen zusammengesetzte Gruppierung, sondern vielmehr um eine ausgesprochen heterogen zusammengesetzte Bewegung. Es gibt eine Vielzahl von Einzelaktivisten, welche dementsprechend auch Einzelaktionen durchführen, die in der Regel jedoch keine Öffentlichkeitswirksamkeit erzeugen. Die Aktivitäten beschränken sich hier zumeist darauf, Behörden mit zum Teil mehrere hundert Seiten umfassenden Schriftsätzen zu beschäftigen (sogenannte Vielschreiber) oder Behördenmitarbeiter bei Vollzugshandlungen im Wohnbereich der "Reichsbürger" zu stören beziehungsweise diese zu verhindern. Feste Strukturen mit zum Teil auch öffentlichkeitswirksamen Aktionen bilden "Reichsbürger" meist in Form der sogenannten "Reichsregierungen". Diese veranstalten regelmäßig Bürgerabende, öffentliche "Kabinettsitzungen " oder auch Schulungsveranstaltungen. Ebenso versenden diese auch Informationsschreiben an Behörden mit dem Hinweis, dass die "BRD-Behörden" illegitim seien und nunmehr allein die entsprechende "Reichsregierung" den Deutschen Staat vertrete. In Thüringen wurden Amtswalter, Ordnungsämter, Gerichte und andere Behörden durch seitenlange Schreiben mit völlig unberechtigten Zahlungsaufforderungen bedroht. Teilweise wurden diese mittels europäischem Recht über Inkassounternehmen in Malta auch zu vollstrecken versucht (sogenannte Malta-Masche). In der Regel treten "Reichsbürger" erst dann öffentlich in Erscheinung, wenn sie von behördlichem Handeln , wie Verwaltungsakten, betroffen sind. Sie versuchen, sich staatlichen Maßnahmen zu entziehen, indem sie jedes behördliche oder gerichtliche Handeln als rechtswidrig darstellen. Immer wieder weigern sich "Reichsbürger", ihren Personalausweis vorzulegen. Stattdessen beharren sie darauf, nur "Reichspersonenausweise" oder "Reichsbürgerpässe" zu besitzen. Auch beantragen sie Staatsangehörigkeitsausweise mit der angegebenen Staatsangehörigkeit von Teilstaaten des Deutschen Reiches (zum Beispiel "Preußen", "Fürstentum Reuß jüngere Linie" et cetera) unter Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz aus dem Jahr 1913. Sie fallen häufig bei Verkehrskontrollen der Polizei auf, indem sie sich weigern, Ausweise oder Führerscheine vorzulegen oder "Reichsbürgerphantasieausweise" beziehungsweise "Reichsbürgerführer scheine" et cetera vorzeigen. Aufgrund der zentralen Lage Thüringens finden Treffen und Schulungen von "Reichsbürgern" häufig im Freistaat Thüringen statt. In jüngerer Vergangenheit etablieren sich "offene Reichsbürgerstammtische", an welchen auch Interessierte ohne weiteres teilnehmen können. Schulungsvideos finden sich im Internet beziehungsweise auf Profilen in sozialen Netzwerken. Es werden "Lehrbücher" für Kinder und Jugendliche entworfen. Es kommt auch zu heimlichem und offenem Anfertigen von Film- und Tonaufnahmen bei der Vornahme behördlicher Handlungen oder Behördenbesuchen der "Reichsbürger" und Veröffentlichung dieser im Internet in sozialen Netzwerken und entsprechenden Film- und Videoportalen. Zu 2.: Das Spektrum der "Reichsbürger" umfasst sowohl Rechtsextremisten, aber auch Querulanten, geistig Verwirrte beziehungsweise psychisch erkrankte Personen und "Trittbrettfahrer" mit reiner Zahlungsverweigerungsabsicht . Teile der Reichsbürger sind in der rechtsextremistischen Szene verankert, was volksverhetzende Äußerungen, Holocaust-Leugnung oder Werbung für rechtsextremistische Parteien verdeutlichen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3 Drucksache 6/3423Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 3.: Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse über "Reichsbürger" als Angehörige der Thüringer Polizei (seit 2013) und des Thüringer Verfassungsschutzes vor. Eine weitergehende behördenübergreifende statistische Erfassung findet nicht statt. Zu 4.: a) Im nachgefragten Zeitraum haben Thüringer Waffenbehörden in zwei Fällen, in denen die Antragsteller dem Phänomenbereich "Reichsbürger" zugerechnet werden, auf entsprechende Anträge keine waffenrechtliche Erlaubnis erteilt. b) Seit 2013 wurden die waffenrechtlichen Erlaubnisse von vier Personen, die dem Phänomenbereich "Reichsbürger" zugerechnet werden, widerrufen. Von einer weitergehenden Aufschlüsselung wird aus datenschutzrechtlichen Gründen (informationelle Selbstbestimmung ) gemäß Artikel 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen abgesehen. Die Prüfung der Zuverlässigkeit von Inhabern waffenrechtlicher Erlaubnisse, die dem Phänomenbereich "Reichsbürger" zuzuordnen sind, ist ein fortlaufender Prozess, der unter Einbeziehung der Sicherheits- und Waffenbehörden in Thüringen erfolgt. Die Auswertung für das Jahr 2016 im Hinblick auf die laufenden Verwaltungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Zu 5.: Personen, die die Existenz der Bundesrepublik und ihrer Rechtsordnung leugnen, geben damit zu erkennen , dass sie auch die waffenrechtlichen Bestimmungen nicht für sich als verbindlich anerkennen. Sie müssen daher regelmäßig als unzuverlässig gelten. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Dies ist bei "Reichsbürgern " grundsätzlich nicht der Fall. Deshalb wurden bereits im Jahre 2011 seitens des Innenministeriums die Waffenbehörden angewiesen, dass bei Bekanntwerden von Aktivitäten eines Inhabers einer waffenrechtlichen Erlaubnis im Spektrum der "Reichsbürger" diesem wegen Unzuverlässigkeit gemäß § 5 Waffengesetz die erteilte Erlaubnis zu widerrufen beziehungsweise - im Falle eines Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis - diese zu versagen ist. Zu 6. und 7.: In den Jahren 2013 bis 2015 sowie von Januar bis September 2016 wurden in 19 Fällen Ermittlungen wegen des Verdachts der Urkundenfälschung (§ 267 Strafgesetzbuch - StGB -), des Veränderns von amtlichen Ausweisen (§ 273 StGB) oder des Kennzeichenmissbrauch (§ 22 Straßenverkehrsgesetz) gegen Personen geführt, die der "Reichsbürgerbewegung" zugerechnet werden. Fälle Delikt* Ausgang des Verfahrens 2013 1 § 267 StGB Strafbefehl: Geldstrafe 90 Tagessätze à 10 Euro 2 § 267 StGB Strafbefehl: Geldstrafe 90 Tagessätze à 10 Euro (verbunden zu lfd. Nr. 1) 3 § 267 StGB Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) 4 § 267 StGB Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 5 § 267 StGB Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 6 § 22 Abs. 1 Nr. 3 Straßenverkehrsgesetz Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 7 § 267 StGB Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 8 § 267 StGB Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3423 Fälle Delikt* Ausgang des Verfahrens 2014 1 § 267 StGB inzwischen Gegenstand von lfd. Nr. 2 2 § 267 StGB vorläufig eingestellt nach § 205 StPO 3 § 267 StGB Urteil: Geldstrafe 90 Tagessätze à 10 Euro 4 § 267 StGB Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 5 § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG Einstellung gemäß § 153a Abs. 1 StPO 6 § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 7 § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 8 § 267 StGB Die Ermittlungen dauern an. 9 § 273 StGB Strafbefehl: Geldstrafe 50 Tagessätze à 30 Euro 2015 1 § 267 StGB Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 1. bis 3. Quartal 2016 1 § 22 Abs. 1 Nr. 3 StVG Antrag auf Erlass eines Strafbefehls Zu 8.: Es werden keine Statistiken zu "Reichsbürgern" als Anzeigeerstatter geführt. Dr. Poppenhäger Minister Endnote: * Wegen des hier angegebenen Delikts wurde jedenfalls auch ermittelt. Gegenstand des Strafverfahrens können auch weitere Delikte gewesen sein. Die Verurteilung muss mithin nicht wegen des angegebenen Delikts erfolgt sein. Reichsbürger in Thüringen - Teil II Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6. und 7.: Zu 8.: Endnote: