14.02.2017 Drucksache 6/3426Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 1. März 2017 Bestandsgarantie für die Landgemeinde Hörsel (Landkreis Gotha) Die Kleine Anfrage 1639 vom 3. November 2016 hat folgenden Wortlaut: In den Jahren 2010 bis 2013 kam es in Thüringen zu insgesamt 55 freiwilligen Zusammen schlüssen von kreisangehörigen Gemeinden. Mit dem Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2011 und zur Änderung des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes (GVBI. S. 293) wurde die Landgemeinde Hörsel neu gebildet. Damit wurde dem Willen nach einer Stärkung der kommunalen Verwaltungsstruktur auf freiwil liger Grund lage Rechnung getragen. Aufgrund des herbeigeführten Zusammenschlusses der vorherigen Bestands gemeinden, im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung, durften diese auf eine langfristige tragfähige Kommunalstruktur vertrauen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie schätzt die Landesregierung die Leistungsfähigkeit der Landgemeinde Hörsel ein? 2. Besteht für die Landgemeinde Hörsel bei einer geplanten Gebietsreform Bestands schutz? 3. Falls Frage 2 verneint wird, wie begründet die Landesregierung diese Entscheidung vor dem Hinter grund geltender Rechtsprechung? 4. Falls Frage 2 verneint wird, welche Neugliederungsmaßnahmen sieht die Landesre gierung für die Land gemeinde Hörsel vor? 5. Wird die Landgemeinde Hörsel auch nach einer geplanten Gebietsreform ihre Ei genständigkeit behalten? 6. Plant die Landesregierung im Zuge der Stärkung der Mittelzentren und Grundzen tren eine Eingemein dung der Landgemeinde Hörsel oder einzelner Ortsteile in die Stadt Gotha und beziehungsweise oder die Stadt Waltershausen? 7. Wie sollen die Bürger der Landgemeinde Hörsel in einen Neugliederungsprozess eingebunden werden? 8. Wann werden die Bürger und die Verwaltung über eventuelle Neugliederungsmaß nahmen informiert? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kellner (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3426 Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 13. Februar 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Landgemeinde Hörsel weist basierend auf dem Haushaltsplan 2016 und dem Ergebnis der Jahres rechnung 2015 - Überschüsse aus. Die finanzielle Leistungsfähigkeit ist damit derzeit gegeben. Zu 2.: Bestandsschutz bedeutet, dass Rechtsverhältnisse im Hinblick auf die Rechtssicherheit bestehen bleiben, sofern sie bereits vor einer gesetzlichen oder vertraglichen Neuregelung bestanden haben. Im Kommunalrecht gilt dieser Bestandsschutz allerdings nicht uneingeschränkt. Die Selbstverwaltungsga rantie gemäß Artikel 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz steht Gebiets und Bestandsänderungen einzelner Ge meinden nicht entgegen. Auflösungen von Gemeinden, Gemeindezusammenschlüsse, Eingemeindungen und sonstige Gebiets und Bestandsänderungen beeinträchtigen den verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts deshalb grundsätzlich nicht. Allerdings darf der Gesetzgeber Gemeinden und Kreise nur aus Gründen des öffentlichen Wohls und nach Anhörung der betroffenen Gebietskörperschaften auflösen und ihr Gebiet ändern. Auch in der Vergangenheit neu gebildete Gemeindestrukturen können geändert werden, wenn eine erneute Regelung abweichenden Inhalts wegen veränderter Verhältnisse oder neuer Erkenntnisse notwendig oder zweckmäßig erscheint. Es besteht dabei allerdings ein erhöhter Vertrauensschutz. Eine entsprechende Neuregelung liegt durch das Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen vom 2. Juli 2016 vor. Die Landgemeinde Hörsel im Landkreis Gotha wird im Jahr 2035 bei nur noch 4.058 Einwohnern liegen. Zudem ist die Gemeinde nicht als Grundzentrum ausgewiesen, sie liegt im Grundversorgungsbereich des Grundzentrums Waltershausen. Damit entspricht sie nicht den Vorgaben des Vorschaltgesetzes, es besteht also für sie Veränderungsbedarf. Zu 3.: Bei der Landgemeinde Hörsel ist zu beachten, dass sie erst durch § 3 des Thüringer Gesetzes zur freiwil ligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2011 und zur Änderung des Thüringer Finanz ausgleichsgesetzes vom 17. November 2011 (GVBl. S. 293) mit Wirkung vom 1. Dezember 2011 neu ge bildet wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (unter anderem vom 12. Mai 1992 zur der Stadt Papenburg) hat der Gesetzgeber den für die Regelung erheblichen Sachverhalt dem Gesetz zugrundezu legen und die im konkreten Fall angesprochenen Gemeinwohlgründe sowie die Vor und Nachteile der ge setzlichen Regelung in die vorzunehmende Abwägung einzustellen. Deshalb ist im Blick auf die Rechtfertigung aus Gründen des öffentlichen Wohls in der gesetzgeberischen Abwägung insbesondere ein Vertrauen der bereits einmal neu gegliederten Gemeinde wie auch der Bürge rinnen und Bürger in die Beständigkeit staatlicher Organisationsmaßnahmen zu berücksichtigen. Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen wird die Landesregierung bei sämtlichen Neugliederungs maßnahmen beachten. Zu 4.: § 6 Abs. 2 Thüringer GebietsreformVorschaltgesetz sieht bis zum 31. Oktober 2017 für kreisangehörige Gemeinden eine Freiwilligkeitsphase vor. Bis dahin besteht die Möglichkeit, Partner zu finden und freiwilli ge Beschlüsse für leitbildgerechte Neugliederungen zu fassen. Zu 5.: Auf die Antwort zu den Fragen 2 und 4 wird verwiesen. 3 Drucksache 6/3426Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 6.: Gemäß § 5 Abs. 1 Thüringer GebietsreformVorschaltgesetz sollen Gemeinden, die im Landesentwicklungs programm Thüringen als Ober oder Mittelzentrum ausgewiesen sind, durch Eingliederung vergrößert werden. Die Frage, ob dazu die Eingemeindung der Landgemeinde Hörsel oder einzelner Ortsteile notwendig ist, ist derzeit noch nicht entscheidungsreif. Zu 7. und 8.: Die Information der Bürger obliegt der Landgemeinde Hörsel im Rahmen ihres kommunalen Selbstverwal tungsrechts, zum Beispiel im Rahmen von Einwohnerversammlungen und/oder über andere Informations wege, wie Amtsblatt, Internet et cetera. Gemäß Artikel 92 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen müssen vor einer Gebietsänderung oder einer Auflösung die Bevölkerung und die Gebietskörperschaften der unmittelbar betroffenen Gebiete ge hört werden. Diese Vorgaben nimmt § 9 Abs. 3 Thüringer Kommunalordnung auf, der regelt, dass Gebietsänderungen gegen den Willen einer oder mehrerer beteiligter Gemeinden und Bestandsänderungen (Auflösungen) ei nes Gesetzes bedürfen. Vor Erlass des Gesetzes müssen die beteiligten Gemeinden und die Einwohner, die in den unmittelbar betroffenen Gebieten wohnen, gehört werden. Die Anhörung der Einwohner obliegt der Rechtsaufsichtsbehörde. In Thüringen wurde in der Vergangenheit eine Vielzahl von gesetzlichen Neugliederungen der Gemein destrukturen durchgeführt, wobei das jeweilige Anhörungsverfahren durch den Thüringer Landtag stets in gleicher Weise durchgeführt wurde. Zwischen der ersten und der zweiten Lesung des Entwurfs eines Neu gliederungsgesetzes im Landtag wurde auf der Grundlage eines Beschlusses des Innenausschusses ein förmliches schriftliches Anhörungsverfahren über einen Zeitraum von in der Regel mindestens sechs bis acht Wochen durchgeführt. In diesem Zeitraum hatten die beteiligten Gebietskörperschaften und die in den unmittelbar betroffenen Gebieten wohnenden Einwohner ausreichend Gelegenheit, von der beabsichtigten Neugliederung und deren Begründung Kenntnis zu erhalten, sich eine Meinung zu bilden und bei Bedarf eine Stellungnahme zu der Neugliederungsmaßnahme abzugeben. Die Ergebnisse des Anhörungsverfah rens wurden im Innenministerium zusammengefasst, ausgewertet und als Bericht zusammen mit allen zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Stellungnahmen dem Landtag zur Einbeziehung in seine Abwägungs entscheidung zugeleitet. Die Information der Verwaltungen über den Bearbeitungsstand ihrer Anträge erfolgt gemäß den vom Innen ministerium am 2. Juli 2016 veröffentlichten Allgemeinen Anwendungshinweisen für freiwillige Neugliede rungen kreisangehöriger Gemeinden. Dr. Poppenhäger Minister Bestandsgarantie für die Landgemeinde Hörsel (Landkreis Gotha) Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7. und 8.: