14.02.2017 Drucksache 6/3427Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 1. März 2017 Pläne der Landesregierung mit der Gemeinde Kyffhäuserland Die Kleine Anfrage 1668 vom 10. November 2016 hat folgenden Wortlaut: Die im Jahr 2012 durch das Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehö riger Gemeinden neu gegründete Einheitsgemeinde Kyffhäuserland ist flächenmäßig die zweitgrößte Gemeinde im Kyffhäu serkreis und verfügt gegenwärtig über rund 4.000 Ein wohner. Mit dieser Einwohnerzahl erfüllt die Gemein de derzeit nicht die im Vorschaltge setz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen vorgegebene Min destanzahl von 6.000 Einwohnern im Jahr 2035. Demnach sieht sich die Einheitsgemeinde noch in dieser Legislaturpe riode einer Zwangsfusion gegenüber, sofern dem vorstehenden Einwohnerkriterium nicht im Wege einer freiwilligen Fusion entsprochen wird. Ich frage die Landesregierung: 1. Nach welchen Kriterien ist die zwangsweise Neugliederung einer Gemeinde, die erst vor wenigen Jah ren durch Gesetz neu gegründet wurde, rechtlich zulässig? 2. Erwägt die Landesregierung eine Art Bestandsschutz für Gemeinden, die in der letzten Legislaturperio de neu gegliedert wurden (Antwort bitte begründen)? 3. Wie positioniert sich die Landesregierung generell zu der Problematik sogenannter "Mehrfachneuglie derungen"? 4. Welche weiteren, durch gemeindliche Neugliederungen in der letzten Legislaturperiode ent standenen Land- und Einheitsgemeinden wären nach der Maßgabe des Vorschaltgeset zes von Umstrukturierun gen betroffen (bitte auflisten)? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 13. Februar 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Mit dem Inkrafttreten des Thüringer Vorschaltgesetzes zur Neugliederung der Landkreise, kreisfreien Städte und kreisangehörigen Gemeinden (Thüringer GebietsreformVorschaltgesetz ThürGVG ) vom 2. Juli 2016 (GVBl. S. 242) wurde eine neue rechtliche Grundlage auch für die Neugliederung von Gemeinden in Thü ringen geschaffen. K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Holbe (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3427 Nach § 4 Abs. 1 ThürGVG sollen kreisangehörige Gemeinden mindestens 6.000 Einwohner haben (bezo gen auf das Jahr 2035), während bisher in Thüringen die Mindesteinwohnerzahl von 3.000 Einwohnern für Gemeinden galt, die nicht Mitglied einer Verwaltungsgemeinschaft oder erfüllende beziehungsweise be auftragende Gemeinde waren. Die neue gesetzliche Vorgabe ist nunmehr für alle Gemeinden verbindlich, unabhängig davon, ob die einzelne Gemeinde bereits in der Vergangenheit an einer Neugliederung betei ligt war oder nicht. Durch die Neugliederungsmaßnahmen sollen leistungs- und verwaltungsstarke Gebietskörperschaften ge bildet werden, die den an sie gestellten Herausforderungen dauerhaft gewachsen sind. Dies betrifft in der Zeit des demografischen Wandels insbesondere den Bereich der kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben. Die künftige Gemeindegröße wurde bewusst an der unteren Grenze der im Leitbild vorgesehenen Größen ordnung sowie bundesweiter Erfahrungswerte zu Mindesteinwohnerzahlen angesetzt. Neben der Erreichung einer Mindesteinwohnerzahl bezogen auf das Jahr 2035 sollen die zentralörtlichen Strukturen gestärkt werden. Die künftige Gemeindestruktur soll die Belange der im Landesentwicklungs programm Thüringen 2025 vom 15. Mai 2014 (GVBI. S. 205 206) festgelegten Ober und Mittelzentren in ihrer Stadt-Umland-Beziehung mit den unmittelbar angrenzenden Gemeinden in besonderem Maße be rücksichtigen. Um ein größtmögliches Einvernehmen aller Betroffenen zu erreichen, wird freiwilligen Neugliederungsmaß nahmen auf der gemeindlichen Ebene, die den Strukturvorgaben dieses Gesetzes entsprechen, Vorrang eingeräumt. Dazu ist eine Freiwilligkeitsphase bis Ende Oktober 2017 vorgesehen. Zu 2.: Bestandsschutz bedeutet, dass Rechtsverhältnisse im Hinblick auf die Rechtssicherheit bestehen bleiben, sofern sie bereits vor einer gesetzlichen oder vertraglichen Neuregelung bestanden haben. Im Kommunalrecht gilt dieser Bestandsschutz allerdings nicht uneingeschränkt. Die Selbstverwaltungsga rantie gemäß Artikel 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz steht Gebiets- und Bestandsänderungen einzelner Ge meinden nicht entgegen. Auflösungen von Gemeinden, Gemeindezusammenschlüsse, Eingemeindungen und sonstige Gebiets und Bestandsänderungen beeinträchtigen den verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts deshalb grundsätzlich nicht. Allerdings darf der Gesetzgeber Gemeinden und Kreise nur aus Gründen des öffentlichen Wohls und nach Anhörung der betroffenen Gebietskörperschaften auflösen und ihr Gebiet ändern. Auch in der Vergangenheit neu gebildete Gemeindestrukturen können geändert werden, wenn eine erneute Regelung abweichenden Inhalts wegen veränderter Verhältnisse oder neuer Erkenntnisse notwendig oder zweckmäßig erscheint. Es besteht dabei allerdings ein erhöhter Vertrauensschutz. Eine entsprechende Neuregelung liegt durch das Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen vom 2. Juli 2016 vor. Die Gemeinde Kyffhäuserland im Landkreis Kyffhäuser wird im Jahr 2035 bei nur noch 2.590 Einwohnern liegen. Zudem ist die Gemeinde nicht als Grundzentrum ausgewiesen, sie liegt im Grundversorgungsbe reich des Grundzentrums Bad Frankenhausen. Damit entspricht sie nicht den Vorgaben des Vorschaltgesetzes, es besteht also für sie Veränderungsbedarf. Zu 3.: Werden Gemeindestrukturen auf der Grundlage einer veränderten Rechtslage erneut geändert, liegt eine "Mehrfachneugliederung" vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (unter anderem vom 12. Mai 1992 zur der Stadt Papenburg) hat der Gesetzgeber den für die Regelung erheblichen Sachverhalt dem Gesetz zugrunde zu legen und die im konkreten Fall angesprochenen Gemeinwohlgründe sowie die Vor und Nachteile der ge setzlichen Regelung in die vorzunehmende Abwägung einzustellen. 3 Drucksache 6/3427Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Deshalb ist im Blick auf die Rechtfertigung aus Gründen des öffentlichen Wohls in der gesetzgeberischen Abwägung insbesondere ein Vertrauen der bereits einmal neugegliederten Gemeinde wie auch der Bürge rinnen und Bürger in die Beständigkeit staatlicher Organisationsmaßnahmen zu berücksichtigen. Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen wird die Landesregierung bei sämtlichen Neugliederungs maßnahmen beachten. Zu 4.: Die in der letzten Legislaturperiode neu entstandenen Land und Einheitsgemeinden sind der Anlage zu entnehmen. Welche weiteren Land und Einheitsgemeinden in eine Neugliederung einbezogen werden, damit die Ge meindestrukturen insgesamt den Vorgaben des Vorschaltgesetzes entsprechen, ist derzeit noch nicht ab schließend feststellbar. Zum einen werden die Gemeinden, die im Jahr 2035 keine 6.000 Einwohner mehr zählen, und zum anderen auch die Gemeinden, die zwar größer sind, aber eine zentralörtliche Funktion für andere Gemeinden wahrnehmen, an einer Gemeindeneugliederung beteiligt sein. Dr. Poppenhäger Minister 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3427 Anlage Gemeindeneugliederungen in der letzten 5. Legislaturperiode 1. Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2010 vom 18. De zember 2010 (GVBl. S. 325): Landgemeinde Am Ohmberg (§ 1) Landgemeinde Stadt Heringen/Helme (§ 3) Stadt Meiningen (§ 4) Stadt Neustadt an der Orla (§ 5) Gemeinde Dittersdorf (§ 6) 2. Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2011 und zur Än derung des Thüringer Finanzausgleichsgesetzes vom 17. November 2011 (GVBl. S. 293): Gemeinde Starkenberg (§ 1) Landgemeinde Sonnenstein (§ 2) Landgemeinde Hörsel (§ 3) Landgemeinde Stadt AumaWeidatal (§ 4) Stadt ZeulenrodaTriebes (§ 4) - Stadt Triptis (§ 8) Stadt Saalfeld/Saale (§ 9) Stadt BrotterodeTrusetal (§ 11) Stadt Neuhaus am Rennweg (§ 12) Landgemeinde Südeichsfeld (§ 13) 3. Zweites Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2011 vom 21. Dezember 2011 (GVBl. S. 518): Landgemeinde MohlsdorfTeichwolframsdorf (§ 1) Landgemeinde Harztor (§ 2) Gemeinde Grabfeld (§ 3) Gemeinde Frankenblick (§ 4) 4. Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2012 vom 11. De zember 2012 (GVBl. S. 446): Gemeinde Nobitz (§ 1) Stadt Greiz (§ 2) Stadt ZeulenrodaTriebes (§ 2) Stadt Römhild (§ 3) Gemeinde Amt Wachsenburg(§ 5) Gemeinde Kyffhäuserland (§ 6) Stadt KönigseeRottenbach (§ 7) - Stadt Kölleda (§ 8) Stadt Neuhaus am Rennweg (§ 9) Landgemeinde Vogtei (§ 10) Gemeinde Barchfeldlmmelborn (§ 12) Landgemeinde Stadt Bad Sulza (§ 13) 5. Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2013 vom 19. De zember 2013 (GVBl. S. 353): Gemeinde Deuna (§ 1) Stadt Waltershausen (§ 2) Gemeinde Langenwetzendorf (§ 3) Stadt Weida (§ 3) Stadt Eisfeld (§ 4) Stadt Gehren (§ 6) Gemeinde Dittersdorf (§ 7) Stadt Sonneberg(§ 10) Krayenberggemeinde (§ 12) Stadt Kaltennordheim (§ 13) Stadt Vacha (§ 14) - Landgemeinde llmtal-Weinstraße (§ 18) Pläne der Landesregierung mit der Gemeinde Kyffhäuserland Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Anlage